Das blutige Blockhaus. Charles Sealsfield

Das blutige Blockhaus - Charles  Sealsfield


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an. Als sie aufblickten, fielen ihre Blicke auf Julie, in der ähnliches vorgegangen war, die sich aber so fest an die Mutter anklammerte, als ob sie nicht mehr von ihr lassen wolle.

      »Mes enfants! Voilà du monde qui nous attend!« mahnte der Papa.

      Und wie der Regenschauer vor den siegenden Strahlen der Sonne schwindet, so schwanden Wölkchen und Tränen auf diese Worte. Zwanzig Stimmen, die sie begrüßten, rissen sie vollends aus den tiefen Gedanken.

* * *

      Es war ein entzückender Abend. Im Westen der Pflanzung erglühten die Wälder wie ein wogendes Feuermeer. Die gebrochenen Strahlen flammten durch Dattelpalmen, Traubenkirschbäume, Papaws und Pecans herüber. Die ganze Landschaft leuchtete in siegender Glorie auf. Die Giebel des Vaterhauses neigten sich und tanzten in dem verschwimmenden Farbenschmelz der Cottonwood- und Akazienwipfel. Himmel und Erde schienen sich in den lechzenden Strahlen des scheidenden Gestirns noch einmal zu umarmen.

      Alles bebte, zitterte in den letzten Pulsschlägen des Tages. Bäume und Sträucher, die Orangen- und Zitronenwäldchen, die südwestlich und östlich des kleinen Sees sich gegen das Negerdorf hinabwanden, sie schwammen, die Negerhüttchen mit ihren winzigen Gärtchen schienen sich hin- und herzuwiegen in der flimmernden Luft, die Cottonfelder bis zu den Urwäldern hinüberzuwogen. Ein Flammenmeer, so weit das Auge reichte. Ein solcher Abend ließ die Hitze eines ganzen Sommers vergessen. War doch ein wundervolles Land, dieses Louisiana!

      Howards Freund Richard Moreland, Mistreß Houston und die Gesellschaft, die ihn und Doughby auf der Fahrt begleiteten, waren bereits ausgestiegen, warteten auf der Piazza. Sie schauten drein mit Mienen, die recht deutlich sagten: Touch me not — rühr mich nicht an!

      Ist eine wahre Plage, diese unsere Steifheit und Starrheit, die aller geselligen Annäherung Trotz bieten, dachte Howard. Wie ganz anders wieder diese Franzosen oder Kreolen, welche zuvorkommende Beweglichkeit!

      Sie hüpften, sprangen den angekommenen Gästen entgegen. Gerade als sie ausstiegen, kamen zwei Damen mit einem ältlichen Herrn zu Pferde durch das Dorf an die Wagen herangesprengt. Aus den Laubengängen, die den See umfaßten, brachen ein paar andere hervor. Es waren zwei Herren mit einer Dame, die wahrscheinlich auf einer Kahnfahrt gewesen waren. Sie schulterten ihre Ruder, präsentierten und kamen dann lachend heran. Alle fühlten sich augenscheinlich wie zu Hause, bis auf Mistreß Houston und ihre Gesellschaft, die sich sehr anständig unbeweglich in der beweglichen Umgebung ausnahmen.

      Maman und Julie wurden unterdessen von zwei Messieurs Lassalle und Monteville aus dem Wagen gehoben. Luise hüpfte lachend statt ihrem Mann dem Chevalier der beiden Damen in die Arme, der auch, ohne Howard zu fragen, vom ›Wagenrecht‹ Gebrauch machte und ihr einen Kuß auf die linke, einen zweiten auf die rechte Wange drückte. Und sie machte es ihm recht bequem.

      »George, das ist Papa Vignerolles!« lachte sie. »Das ist George Howard, mon mari — Graf Louis Victor de Vignerolles!«

      Der Mann stellte sich Howard vor, eine altadelige Erscheinung. Man sah es beim ersten Blick. Während Luise den beiden von ihren Pferden abgestiegenen Damen in die Arme flog, wollte Howard einige Worte mit ihm wechseln, hatte aber nicht die Zeit, die Umarmungen gingen so stürmisch vor sich.

      »Ninon! Genièvre! Luise!« riefen alle drei auf einmal und hielten sich umschlungen.

      Dann tanzten sie Arm in Arm der Piazza zu, Howard hinterdrein. Mit Schal, Strickbeutel und derlei Dingen. Auf dem Wege hatte Luise noch ein halbes Dutzend Knickse zu machen und Umarmungen zu erwidern. Die beiden Herren von der Kahnpartie, Vergennes und d‘Ermonvalle, kamen gleichfalls, um ihren Anteil abzuholen. Sie aber schlug ihnen ein Schnippchen.

      »How d‘ye do?« lachte sie und reichte ihnen die kleinen Finger beider Hände, die sie in Ermangelung von etwas Besserem zum Mund führten. Sie tat recht, denn reichte man diesen Franzosen den kleinen Finger, wollten sie in einer halben Stunde die ganze Hand.

      Und jetzt kam ein Dutzend Kammerzofen und Hausbediente, versteht sich Schwarze, alle in ihrer Galalivree, grün mit Goldschnüren, die Mädchen dunkelrot mit grünen, turbanartig gewundenen Kopftüchern. Alle grinsten vor Freude und fletschten die Zähne. Die alte Diana führte sie an, die Hausmeisterin, die, mit vier Schlüsselbünden bewaffnet, deren jeder wenigstens zwanzig Schlüssel hielt, einen Majordomo gar nicht übel vorstellte. Kaum ward sie von Luise gesehen, so wurde sie auch bereits in Empfang genommen.

      »Ah Diana! Unsere Zimmer, geschwind unsere Zimmer!«

      Und sie ließ der Alten nicht Zeit, ihr die Hand zu küssen. Sie mußte sogleich fort. Die Zimmer, die Zimmer! Und hinter den Gästen schwärmte ein Vierteldutzend schwarzer dienstbarer Geister, jeder etwas von der Luggage — dem Reisegepäck — in den Händen. Fort ging es wie im Sturm, durch die Gänge den Zimmern zu.

      »Aber mein Gott, Diana!« rief Luise. »Wo willst du denn hin? Hast du den Kopf verloren? Da sind ja unsere Zimmer!«

      Diana lachte und grinste und wies die Zähne: »Monsieur le comte de Vignerolles!«

      »Aber mein Gott! Papa Vignerolles hat seine Zimmer doch sonst über dem See!«

      Wieder grinste die Alte mit einem schlauen Lächeln: »Le baron de Lassalle!«

      »Welche Verwirrung!« schmollte Luise. »Da siehst du, George, wenn unsereins von Hause ist, so geht alles bunt über Eck!«

      Doch sofort trippelte sie bereits höchst ungeduldig der Alten nach, die endlich am äußersten Ende des ewig langen Korridors vor einem Galeriezimmer hielt und es aufschloß.

      Wunderschön, dieses Zimmerchen, recht lieblich traulich, dachte Howard. Zitronen- und Orangenzweige rankten durch die Jalousien hinein, man könnte die goldenen Früchte pflücken, ohne die Hand durch die Fenster zu strecken.

      »Aber klein, Luise! Sehr klein! Kaum zwölf Fuß lang, zwölf Fuß breit! Gar zu eng, und nur ein einschichtiges Bett!«

      »Mein Gott!« rief Luise. »Wo hat Papa nur hingedacht?«

      Die alte Diana lachte ihr ins Gesicht. Luise aber ließ alles liegen und stehen, faßte Howard an der Hand und rannte fort, fort durch den ganzen langen Zickzackgang zur Piazza, wo der Papa noch mit den Gästen stand. Als er seine Tochter sah, überflog ein schelmisches Lächeln das ein wenig vertrocknete väterliche Gesicht. Sie zog ihn ungeduldig seitwärts.

      »Viens, Papa, viens, Papa! Qu‘as tu fait?«

      Und mit mußte er, er mochte wollen oder nicht. Und vor dem Zimmerchen angekommen, zog sie ihn herein, lief einmal, zweimal auf und ab, gerade als ob sie das Zimmer abmessen wollte, und wandte sich zum Papa.

      »Mais, Papa! Que penses-tu? Comment nous arrangerons- nous? Mais c‘est trop petit!« sagte sie dann vorwurfsvoll.

      Sie ließ dazu die Unterlippe so allerliebst herabhängen, daß ihr die schneeweißen Perlenzähne durchschimmerten. Der Papa lachte und schritt zur Wand. Er griff unter die Seidendecke des Bettes. Eine Feder knarrte, und eine vergoldete Handhabe kam zum Vorschein. Er drehte daran, die Schuppenwand bewegte sich und ging auseinander, das einfache Bettchen wurde zum doppelten, das Kabinettchen zum geräumigen Schlafzimmer.

      Luise schaute, klatschte in die Hände und fiel dem lieben Papa, der wie die Mehrzahl der Kreolen ein mechanischer Tausendkünstler in derlei Dingen war, um den Hals. Der Papa rollte die Wand wieder ineinander und zeigte auf eine zweite Feder, die eine in der Wand verborgen angebrachte Tür öffnete. Dann lief er zur Tür hinaus.

      Howard und seine Frau besahen den niedlichen Einfall, die artige Überraschung, um so artiger, als wirklich eine Mauer durchbrochen werden mußte, um seinem lieben Kind den kleinen Streich zu spielen. Das hätte wieder ein amerikanischer Pa nicht getan, eine solche kurzweilige Idee wäre alle Tage seines Lebens nicht in sein trockenes Gehirn gekommen.

      Das Schlafzimmer, im besten Geschmack eingerichtet, konnte nach Beheben in zwei Ankleidezimmer umgewandelt werden. Luise trippelte aus einem Zimmerchen in das andere, prüfte die Waschtische, die verschiedenen Fläschchen mit Wässern und Parfüms, und alles fand sie allerliebst.

      »Luise, wollen wir uns


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