Tausend Und Eine Nacht. Gustav Weil
Wüste, so daß der König und sein Roß an Durst litten. Da erblickte er einen Baum, an welchem eine fette Flüssigkeit wie Wasser herablief. Er sammelte sie in einen Schlauch, den er mit sich führte, und füllte die Schale damit, die der Falke am Hals trug, und stellte sie vor sich hin; da stieß der Falke mit dem Schnabel daran und stürzte sie um. Der König füllte die Schale zum zweitenmal, und stellte sie vor den Falken, weil er glaubte, er sei durstig und habe trinken wollen, aber auch diesmal stieß er mit dem Schnabel daran und stürzte sie um. Der König war aufgebracht gegen den Falken, füllte die Schale zum drittenmal und reichte sie dem Pferd hin, aber der Falke stieß sie mit seinen Flügeln um. Da sprach der König: Gott beschäme dich, du verdammter Vogel, du hast mich, dich selbst und das Pferd vom Trinken abgehalten, und hieb ihm mit dem Schwerte die Flügel ab. Der Falke hob seinen Kopf in die Höhe und deutete nach dem Baum hin, unter welchem der König saß. Dieser blickte hinauf und sah eine Schlange und überzeugte sich, daß die Flüssigkeit das von ihr ausströmende Gift war. Jetzt bereute er es, dem Falken die Flügel abgehauen zu haben, und kehrte wieder auf seinem Pferde mit der Gazelle nach der Stelle zurück, wo er sein Gefolge gelassen hatte, gab die Gazelle dem Koch, setzte sich dann auf den Thron, mit dem Falken auf der Hand, der aber alsbald, einen schmerzlichen Ton von sich gebend, tot zur Erde fiel. Der König ergoß sich in Klagen darüber, daß er den Falken getötet, der ihm das Leben gerettet. Dies ist die Geschichte des persischen Königs. Eine andere Geschichte, die des Ehemanns mit dem Papagei, dient mir auch zur Warnung vor Übereilung.« Der Vezier bat den König, ihm auch diese Geschichte zu erzählen, und jener begann:
Geschichte des Ehemanns und des Papageien
Ich habe gehört, daß es einmal einen sehr eifersüchtigen Mann gegeben, der eine schöne, liebenswürdige und tugendhafte Frau hatte. Obschon er dieser Frau wegen sich nie auf Reisen begeben, so mußte er doch einmal eine notwendige Reise unternehmen. Da ging er auf den Geflügelmarkt, kaufte dort einen Vogel und brachte ihn nach Hause, damit er in seiner Abwesenheit als Wache dienen möchte und ihm, was in seinem Hause vorgegangen, erzähle. Dieser Papagei war sehr schlau und listig. Wie nun der Mann nach vollendeten Geschäften von seiner Reise zurückgekehrt war und den Papagei holen ließ, um ihn zu fragen, was seine Frau während seiner Abwesenheit getan, erzählte ihm derselbe, was sie jeden Tag mit ihrem Geliebten getrieben. Als der Mann dies hörte, ging er zu seiner Frau, überhäufte sie mit Schlägen und geriet in den heftigsten Zorn. Die Frau glaubte, irgend eine ihrer Sklavinnen habe sie bei ihrem Mann verraten; sie ließ daher ihre Sklavinnen eine nach der anderen kommen, aber alle schworen, daß sie zugehört, wie der Papagei ihren Mann von allem benachrichtigt habe. Als dies nun die Frau hörte, befahl sie einer Sklavin, eine Mühle zu nehmen und unter dem Käfig zu mahlen, einer anderen befahl sie, über den Käfig Wasser herunter zu gießen, und einer dritten, die ganze Nacht mit einem Metallspiegel hin und her zu laufen. Ihr Gemahl war wieder abwesend in jener Nacht. Als er nun des Morgens den Papagei holen ließ und ihn fragte, was diese Nacht in seiner Abwesenheit sich ereignet, sagte dieser aus: »O mein Herr! entschuldige mich, ich konnte nichts hören und nichts sehen vor lauter Dunkelheit und Regen und Donner und Blitz die ganze Nacht durch bis zum Morgen.« Dies war aber in der Sommerjahreszeit im Monat Tamus. Der Mann erwiderte ihm hierauf: »Wehe dir! jetzt ist doch keine Regenzeit.« »So ist es«, antwortete jener, »bei Gott, ich habe gesehen, was ich dir erzählte.« Nun dachte der Mann, daß der Papagei auch damals gelogen habe, als er ihm von der Untreue seiner Frau erzählt. Hierüber geriet er in Zorn, streckte die Hand nach dem Vogel aus, zog ihn aus dem Käfig, schleuderte ihn gegen den Boden und brachte ihn um. Nachdem der Papagei tot war, erfuhr der Mann erst von seinen Nachbarn, daß der Papagei wahr gesprochen von seiner Frau, so wie auch die List, die diese gegen ihn angewandt; er bereute dann, ihn umgebracht zu haben, aber seine Reue half nichts mehr. Wie mancher ist schon unschuldig zu schwerer Strafe verurteilt worden, fuhr der König fort, wie uns auch die Geschichte des Malers Mahmud lehrt. Er erzählte dann dem Vezier folgende Geschichte:
Geschichte Mahmuds
»Ein Maler sah eines Tages bei einem seiner Freunde das Bild einer Frau, in welche er sich leidenschaftlich verliebte; er ruhte nicht eher, als bis er erfuhr, wo diejenige wohne, welche als Urbild des Bildnisses gedient hatte. Man sagte ihm, es seien die Züge einer berühmten Sängerin des Großveziers, des Beherrschers von Indien. Alsbald begann Mahmud, so hieß der Maler, seine Reise nach Indien und gönnte sich weder Rast noch Ruhe, bevor er dort angekommen war. Er nahm seine Wohnung bei einem Salbenhändler und zog von ihm Erkundigungen ein; dieser erzählte seinem Gast, daß das Reich sehr durch die Verfolgungen beunruhigt würde, welche der Sultan gegen die Zauberer anstellte. Zu gleicher Zeit entdeckte Mahmud, daß seine Geliebte eine der Sklavinnen des Veziers sei, und baute darauf seinen Plan.
Mit allen einem Räuber nötigen Werkzeuge versehen, schlich er sich in einer Nacht zum Palast des Veziers, zu welchem er vermittelst seines Seiles sehr leicht Eingang fand. Über das flache Dach fand er bald den Weg in einen Hof, von welchem aus er ein hell erleuchtetes Gemach erblickte. Er wandte sich dahin und trat in ein Zimmer; hier sah er ein Mädchen, schön wie die aufgehende Sonne, schlafend auf einem elfenbeinernen, mit Gold und Edelsteinen reich verzierten Ruhebett. Um das Bett her standen Lampen, welche nach allen Seiten hin das glänzendste Licht verbreiteten. Indem er sich ihr näherte, erkannte er sogleich, daß es seine Geliebte sei.
Darauf zog er einen Dolch aus seinem Gürtel und machte ihr an der Hand eine leichte Wunde, so daß sie erwachte. Das Mädchen war ganz außer sich vor Furcht, als sie einen Fremden mit gezücktem Dolch erblickte. Sie hielt ihn für einen Räuber, bat ihn dringend, ihr das Leben zu lassen, und bot ihm ihr Schmuckkästchen, das neben ihr stand, mit allem was darin war, an. Mahmud nahm das Kästchen und verließ eiligst den Palast des Veziers. Am folgenden Morgen verkleidete er sich als Sofi, verbarg das geraubte Kästchen unter seinem Gewande und trat vor den Kaiser von Indien. »Mächtigster Herrscher der Erde«, redete er zu ihm, »ich bin ein Geistlicher aus Chorasan; der Ruf deiner hohen Tugenden ist bis zu mir gedrungen, und ich habe mich aufgemacht nach deiner herrlichen Hauptstadt, um unter dem Zepter eines so gerechten Fürsten zu leben. Als ich ans Tor kam, fand ich es verschlossen, und war so gezwungen, die Nacht vor der Stadt zuzubringen. Ich legte mich auf den Boden zum Schlafen nieder, aber bald sah ich vier Weiber, die eine von ihnen ritt auf einer Hyäne, die zweite auf einem Widder, die dritte auf einer schwarzen Hündin und die vierte auf einem Leoparden. Ich sah gar bald, daß es Zauberinnen seien; eine von ihnen nahte sich mir und trat mich mit Füßen und schlug mich mit einem Fuchsschwanz, dessen Streiche furchtbar schmerzten. Ich rief laut mehrere Male den Namen des höchsten Gottes und mit einem Messer verwundete ich sie an der Hand, worauf sie mich losließ; doch fliehend ließ sie diese kostbare Schatulle in meinen Händen, für mich hat sie freilich keinen Wert, weil ich auf alle Freuden der Welt verzichtet habe.« Nach diesen Worten übergab Mahmud dem Kaiser von Indien das Kästchen und ging hinweg. Der Kaiser erkannte es alsbald, denn er hatte erst vor wenigen Tagen seinem Großvezier ein Geschenk damit gemacht, dieser es aber wiederum seiner Lieblingssklavin gegeben.
Sie wurde nach dem Palast geholt, und als man an ihrer Hand die Wunde entdeckte, von der der Sofi gesprochen hatte, zweifelte man nicht an der Wahrheit seiner Aussage. Hierauf ward sie als Zauberin verurteilt, in einer Grube, deren steile Wände ihre Flucht unmöglich machten, zu verhungern. Kaum hatte Mahmud den glücklichen Erfolg seiner List vernommen, so eilte er nach der Grube, in welcher seine Geliebte gefangen saß, und durch Bestechung und Überredung der Wächter, welchen er sein merkwürdiges Abenteuer erzählte, gelang es ihm, sie zu befreien; doch nahmen sie ihm vorher das Versprechen ab, auf der Stelle mit ihr aus dem Lande zu fliehen. Das tat er und erfreute sich so des Besitzes seiner Geliebten.
Als der Vezier diese Geschichten angehört hatte, sprach er: »O König, was hat mir denn der Arzt Böses getan, daß ich ihn zu töten Lust haben sollte? Ich gebe dir den Rat nur aus Liebe zu dir, aus Besorgnis für dich; wenn ich nicht die Wahrheit sage, so möge es mir gehen, wie jenem Vezier, der gegen einen König einmal eine arge List gebrauchen wollte.« »Wie war dies?« fragte der König der Griechen. Da begann der Vezier zu erzählen:
»O glückseliger König, es war einst ein König, der einen Sohn hatte, welcher ein leidenschaftlicher Jäger war, deswegen der König einem Vezier befohlen hatte, seinen Sohn überall zu begleiten, wohin er auch gehen möge. Eines Tages war der Vezier