Der schweizerische Robinson. Johann David Wyss

Der schweizerische Robinson - Johann David Wyss


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der Kochstelle an, wo wir mit Vergnügen die Zurüstung zu einer stattlichen Mahlzeit erblickten. Auf der einen Seite des Feuers staken an einem hölzernen Bratspieß über zwei eingerammten hölzernen Gabeln allerlei Fische. Auf der andern Seite ward eine Gans gebraten, und das abtriefende Fett lief in eine unterstellte große Muschelschale. Mitten innen stand über der Flamme der eiserne Topf und duftete den Wohlgeruch einer kräftigen Fleischbrühe aus. Hinter dem Feuer endlich lag eins der aufgefischten Fässer offen vor meinen Augen und zeigte mir als Eingeweide die schönsten holländischen Käse, die sämtlich in Blei gefaßt waren. Das alles war fähig, unsre durch die Säfte, die wir genossen, mehr betäubte als befriedigte Eßlust gar mächtig anzuregen.

      Die Mutter rief auch sogleich zum Essen. Wir lagerten uns alle auf die Erde, und die Mutter fing an, die Mahlzeit aufzutragen, wobei unser Kalebassenporzellan ganz unvergleichliche Dienste tat. Die Knaben leerten indes ein paar zerschlagene Kokosnüsse, fanden sie gar trefflich und wählten sich die Bruchstücke der Schalen zu Löffeln. Dem Affen wurde sein Anteil auch gegeben. Das junge Volk tauchte der Reihe nach die Zipfel der Schnupftücher in Kokosmilch und hatte ganz unbeschreibliche Freude, als das kleine Tier sich‘s gefallen ließ, an den Zipfeln recht behaglich zu saugen und dergestalt Hoffnung gab, daß wir es würden durchbringen können.

      Gleich sollten noch ein paar Nüsse mit der Axt zerschlagen werden, als ich plötzlich ein: »Halt, halt!« kommandierte und bei dem drückenden Mangel an Schüsseln an eine gute Auskunft dachte. »Gebt her, Bürschchen«, rief ich, »wir wollen uns Geschirr machen! Hole mir einer die Säge.«

      Jack, als der behendeste, schaffte rasch eine herbei, und ich arbeitete nun so lange, bis jegliches von uns eine Schüssel für sich erhielt, und die Mutter jedem besonders von ihrer Suppe vorlegen konnte. Die gute Frau war seelenvergnügt, daß wir nicht mehr mit den Austernschalen so unreinlich in den gemeinsamen Topf fahren mußten.

      So hielten wir denn unsere Nachtmahlzeit, und obwohl wir die Fische ziemlich trocken, die Gans etwas angebrannt fanden, so ging ich doch mit gutem Beispiel voran, und die Jungen fuhren tapfer nach. Da wurde denn erzählt, daß die Fische von Jack und Fränzchen herbeigeschafft worden, und daß die Mutter im Schweiß ihres Angesichts die Kästonne aufgeschlagen und uns den köstlichen Nachtisch gewonnen. Jedes erhielt sein verdientes Lob.

      Die Mutter hatte die Aufmerksamkeit gehabt, noch mehr trockenes Gras zu sammeln und es im Zelt hinbreiten zu lassen, so daß wir auf ein weicheres Lager hoffen durften als tags zuvor. Unsere Hühner verließen uns und gingen an ihrer gestrigen Stelle, auf dem First des Zeltes, zur Ruhe; die Gänse und Enten verschwanden gleichfalls in ihr letztes Nachtquartier, und auch wir sehnten uns herzlich nach Schlaf, so daß wir gleich nach aufgehobener Mahlzeit in das Zelt hineinschlüpften. Der Affe mußte mit. Fritz und Jack teilten sich in seine Freundschaft und Verpflegung. Sie nahmen ihn zärtlich in ihre Mitte und deckten ihn mit Sorgfalt zu, daß er nicht frieren möge. Wir übrigen lagerten uns in der gewohnten Ordnung, und ich, als der letzte, schloß das Zelt hinter mir. Gleich den übrigen ergab ich mich nach der heutigen Ermüdung bald und gern einem erquickenden Schlaf.

      Nicht lange aber hatte ich seine Süßigkeit genossen, als ich durch die Unruhe der Hühner auf dem First des Zeltes und durch ein scharfes Bellen unserer wachsamen Hunde wieder aufgeweckt wurde. Ich ermannte mich sogleich zu ihrer Hilfe. Die Mutter und Fritz waren auch schon wach. Wir griffen alle drei zum Gewehr und traten vor das Zelt.

      Mit Schrecken gewahrten wir bald im Licht des Mondes einen furchtbaren Kampf. Ein Dutzend Schakale hielten unsere zwei Doggen umringt, und diese tapfern Kämpfer hatten bereits drei oder vier ihrer Feinde auf die Walstatt gelegt, so daß der Rest in scheuer Entfernung rings die mutigen Hunde anheulte und ihnen den Vorteil abzulauschen suchte. Die zwei behutsamen Tiere aber sträubten sich, wandten sich nach allen Seiten und ließen sich die Feinde nicht beikommen. Fritz und ich legten sogleich an, und Knall und Fall lagen zwei von den Nachtschwärmern bei den übrigen auf dem Sand, und ein paar andere schleppten zerschmetterte Schenkel mühsam dem Trupp ihrer flüchtigen Kameraden nach. Türk und Bill holten die Verwundeten ein und rissen sie vollends zu Boden; dann, als die Schlacht vorüber war, mästeten sie sich wie echte Tierkaraiben von dem Fleisch ihrer Brüder nach Herzenslust und bewiesen, wie wenig wir ihren Appetit noch kannten, zumal da sonst Hunde das Fleisch von Füchsen und Wölfen, als ihren nächsten Stammesgenossen, nicht so leicht verzehren.

      Die Mutter mahnte jetzt, weil alles ruhig sei, wieder ins Zelt zu gehen; aber Fritz erbat sich, erst seinen Schakal herbeischaffen zu dürfen, damit er ihn morgen den Brüdern vorweisen könne. Auf erhaltene Zustimmung brachte er die Bestie mühselig hergeschleppt, denn sie war von der Größe eines ansehnlichen Hundes, wiewohl nicht von dem ausgezeichneten Wuchs der unsrigen. Ich bemerkte dem eifrigen Fritz, daß, wenn Türk und Bill noch nicht satt von dem Schlachtfeld zurückkommen sollten, auch dieser letzte Schakal ihnen zum Lohn ihrer Wachsamkeit und Tapferkeit billig zu gönnen sei. – Wir ließen es darauf ankommen, legten die Leiche neben das Zelt an den Felsen, schlüpften wieder hinein zu den Kleinen, von denen auch nicht eines durch den Lärm geweckt worden war, und ohne Unterbrechung schlummerten wir jetzt an ihrer Seite, bis der Morgen anbrach und der Hahn mit durchdringendem Geschrei mich munter rief. Mein erstes war, auch die Mutter aufzuwecken, um einsam mit ihr den Geschäftsplan dieses Tages zu verabreden.

      »Ach, liebe Frau!« fing ich an, »ich sehe so viel Arbeit und Besorgnisse vor, daß ich mir fast nicht zu helfen weiß. Eine Reise nach dem Schiffe ist unumgänglich nötig, wenn das zurückgebliebene Vieh nicht verschmachten soll; und eine Menge von nützlichen Sachen ist dort noch zu holen. Inzwischen wäre aber auch hier am Lande gar viel zu tun, und vor allem sollten wir uns eine bessere Wohnung bereiten.«

      »Mit Geduld, Ordnung und anhaltendem Fleiß«, antwortete sie, »wird sich nach und nach alles geben, mein lieber Mann! – Ich denke zwar ungern an eine Rückfahrt nach dem Schiffe, sie ist aber für unser Wohlergehen notwendig, und wir wollen sie zu unserm ersten Geschäft machen; das übrige wird allmählich von selber kommen.«

      »Nun denn, so sei‘s, wie du geraten hast! Du bleibst, denke ich, wieder zurück bei den Kleinen; und Fritz, als der Stärkste und Gewandteste, kommt mit mir.«

      Mit diesen Worten erhob ich mich und rief lauter: »Auf, Kinder, auf! Der Tag bricht an, und wir bekommen heute gewaltig zu schaffen. Morgenstunde hat Gold im Munde!«

      Die guten Leutchen ermannten sich nur langsam, gähnten und wanden sich eine geraume Zeit, bis sie den Schlaf aus ihren Augen brachten. Fritz allein war im Hui von seiner Stelle über die andern hinweg aus dem Zelt zu seinem Schakal geflogen. Diesen, der die Nacht hindurch ganz starr geworden war, stellte er vor dem Eingang in Parade hin und lauschte, was die junge Mannschaft darüber sagen würde. Sobald aber die Hunde ihren Feind wieder auf den Beinen sahen, so sträubten sie sich schrecklich, knurrten, bellten und sprangen heran, daß Fritz sie nur mit Not besänftigen konnte; doch verfuhr er dabei so ruhig, daß es mich freuen mußte.

      Im Zelte war alles neugierig, was diesen Lärm der Hunde veranlassen möge. Stück für Stück kamen die Kleinen heraus, und selbst der Affe guckte furchtsam bei dem Eingang umher. Als er aber den Schakal erblickte, floh er in die entfernteste Ecke unserer Lagerstätte und verkroch sich im Moos und Heu, daß man kaum noch sein Schnäuzchen sah. Die Knaben wunderten sich höchlich, woher der Fremdling gekommen sei, der da so Wache stand; und Ernst hielt ihn für einen Fuchs, Jack für einen Wolf, Fränzchen für einen gelben Hund.

      Fritz lachte sie deswegen aus; die Brüder wurden darüber etwas gereizt, doch machten sie bald wieder Frieden; sie fingen an, nach dem Frühstück zu fragen. Einige schafften Rat und machten sich über eine Zwiebackkiste her; aber mit aller Gewalt vermochten sie kaum, das dürre Zeug zwischen ihren Zähnen zu zerknirschen. Fritz geriet in dieser Not hinter die Käsetonne, und Ernst schlich mit prüfendem Blick an einer andern herum, die wir aufgefischt hatten. Plötzlich kam er mit heiterm Gesicht daher und rief: »O Vater! wenn wir nur Butter auf unsern Zwieback hätten; wahrhaftig, er ginge zehnmal besser hinunter.«

      »Ja, wenn! wenn! mit deinem ewigen Wenn!« sprach ich. »Ein Stück Zwieback mit Käse ist doch immer noch besser als eine ganze Schüssel voll Wenn.«

      »Könnte einer nur das Faß auftun!«

      »Welches Faß und wozu?«

      »Je nun! um Butter zu bekommen,


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