Am Jenseits. Karl May

Am Jenseits - Karl May


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eine ist Ben Abadilah, mein Sohn, die übrigen drei sind Männer aus der heiligen Stadt, wo ihre Namen zu den angesehensten gerechnet werden.

      »Und der Verstorbene?«

      »Der war ein Lieblingskind Allahs und des Propheten. Er wurde El Münedschi (Der Wahrsager) genannt, woraus du die unvergleichliche Höhe seiner Vorzüge erkennen kannst. Seiner Seele war die Gabe verliehen, den Körper zu verlassen und nach entfernten Orten und in entfernte, längst verschwundene und auch zukünftige Zeiten zu gehen, um zu sehen und zu hören, was kein anderer Sterblicher erfährt. War sie dann in den Körper zurückgekehrt, so konnte Ei Münedschi alle Geheimnisse dieser Zeiten und Orte mitteilen. Er sprach mit den Dschinn und Mlajiki (Geistern und Engeln) wie mit seinesgleichen und hatte darum Macht über den Willen und die Taten aller, mit denen er verkehrte. Nun ist er hingegangen in den Himmel Allahs, zu denen, mit denen er schon während seines irdischen Lebens verkehrte. Ich war sein bester Freund. Er wohnte in meinem Hause, wo ich ihm eine Freistatt gab, weil er blind geworden war. Ich übe die Barmherzigkeit, weiche Allah seinen Bevorzugten geboten hat, und er vergilt sie wieder. Nun weißt du, wer wir alle sind, und wirst mich und meinen Sohn um Verzeihung bitten!«

      »Um Verzeihung bitten? Wenn du glaubst, daß – — – »

      Ich konnte nicht weitersprechen, denn Halef drückte mir die Hand auf den Mund und sagte nicht, sondern rief:

      »Schweig, Sihdi, ich bitte dich, schweig! Ich koche nämlich so, wie vorhin der Kaffee gekocht hat, und wenn du mir nicht erlaubst, an deiner Stelle zu sprechen, so zerplatzt der Kessel augenblicklich! Darf ich? »Ja?«

      »Gut, ja! Zerplatzen lassen darf ich dich doch nicht!«

      »Ich danke dir, Effendi, ich danke dir! Durch diese deine Erlaubnis errettest du mich vielleicht vom Tode, denn in dem jetzigen Augenblicke des gräßlichsten Zornes würde das längere Schweigen wahrscheinlich für mich ein Gift sein, an weichem ich binnen einigen Minuten sterben müßte!«

      Er war aufgesprungen; jetzt wendete er sich von mir zu El Ghani und fragte ihn in jenem scheinbar ruhigen, aber explosiven Tone, in welchem er nur im Zustande der zornigsten Aufregung zu sprechen pflegte:

      »Du denkst also, daß wir euch um Verzeihung bitten werden?«

      »Ja«, lautete die Antwort.

      »Und vorhin hast du verlangt, wir sollen in Demut unsere Häupter beugen?«

      »Ja.«

      »Hund! Was bildest du dir ein! Wir beugen unsere Häupter nur vor Allah, aber vor keinem Menschen, und wenn es der Padischah selbst oder auch der Großscherif von Mekka wäre. Vor dir aber – — – ? Ich sage dir, daß ich lieber vor der häßlichsten Kröte anbetend niederfallen würde, als daß ich meinem ehrlichen Haupte die aller, allergeringste Neigung vor dir erlaubte! Wenn du wirklich der Liebling des gegenwärtigen Großscherifs bist, so werde ich ihn schleunigst aufsuchen, um ihm zu sagen, daß er sich schnell einen anderen Liebling anschaffen möge, wenn er nicht den Gläubigen allen das unwürdige Schauspiel bereiten wolle, sich in Zeit von fünf Minuten vollständig totschämen zu müssen! Ihr Hunde und Söhne von Hunden und Urenkelskinder von Hundeahnen und Hundenachkommen waret fast verschmachtet, als wir kamen. Eure schmutzigen Seelen hingen nur noch am allerletzten und alleräußersten Barthaare mit euren verdürsteten Gliedern ‚zusammen. Da gaben wir euch Wasser, das Kostbarste, was man in der Wüste besitzt; ihr trankt es aus, einen ganzen, großen Schlauch voll, ohne ein Wort des Dankes zu sagen. Dann verlangtet ihr Kaffee, ohne zu bitten; später warft ihr uns den Befehl. euch Brot zu geben, ins Gesicht, und endlich schicktest du uns die strenge Verordnung, euch abermals mit Wasser unter die Arme zu greifen, wieder mit einem ganzen, vollen Schlauche, obgleich wir auch eure Kamele getränkt hatten! Wo soll dieses Wasser und immer wieder Wasser herkommen? Glaubst du denn, wir können regnen lassen oder Quellen aus dem Boden der Wüste stampfen? Und das alles verlangst du in einer Weise, als ob wir nicht deine Sklaven, sondern deine Hunde seien! Du bist selber Hund und Hundeenkel, ja sogar Enkelshund! In der Albernheit deines Hochmutes meintest du, wir würden vor Erstaunen über deinen Namen augenblicklich sämtliche Mäuler aufsperren und vor Bewunderung sämtliche Finger so ausspreizen, daß sie vor freudigem Schreck wie Pfeile von den Händen flögen und gar nicht wieder zurückzukommen wagten! Wie nennt man dich denn? El Ghani, den Reichen! Kannst du uns beweisen, daß du deinen Reichtum auf ehrliche Weise erworben hast, daß er nicht mit Diebes und Betrügerhänden zusammengeraubt und zusammengestohlen worden ist? Und wenn es ein rechtmäßiger Besitz wäre, so solltest du doch wissen, daß man sich auf den Reichtum gar nichts einzubilden hat, weil man ihn von Allah nur für einstweilen geliehen bekommt, um denen wohlzutun, die nichts besitzen. Wir sind auch reich, sehr reich, jedenfalls zehnmal, hundertmal reicher als du, aber wir brüsten uns nicht damit und lassen uns noch viel weniger einen Namen daraus machen, der doch weiter nichts sein würde, als, wie bei dir, ein untrügliches, sicheres Zeichen deiner dreifach aufgeblasenen Dünkelhaftigkeit! Eigentlich sollte ich dir nicht mit dem Munde, sondern hier mit dieser Nilhautpeitsche antworten; aber deine Jammergestalt ist so mitleiderweckend und erbärmlich, daß mir die Barmherzigkeit aus allen Fingerspitzen niedertropft; darum sollst du jetzt noch ohne Hiebe davonkommen. Aber solltest du nur noch ein einzigesmal und nur von weitem wagen, dir noch einmal den Anschein zu geben, als ob wir nicht neunmal himmelhoch über dir stünden, so zerhaue ich dir das Hundefell, daß im ganzen Erdkreise nicht genug Platz für die davonfliegenden Fetzen und Haare zu schaffen ist! Nun packe dich fort und komme uns nicht wieder! Und damit du weißt, wer jetzt in so liebreicher, geduldiger Freundlichkeit mit dir gesprochen hat, so mögen dich unsere Namen nach deinem Sitze begleiten. Ich bin nämlich Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarab, der oberste Scheik der Haddedihn von dem großen Stamme der Schammar!«

      Er machte das Wort von der Begleitung wahr, denn, die Peitsche drohend in der Hand, trat er bei jedem Einzelnamen den Mekkaner so auf die Zehen, daß dieser zurückwich. In dieser, für uns köstlich anzusehenden Weise folgte er ihm Schritt um Schritt, oder vielmehr Fußtritt um Fußtritt, indem er, immer die Peitsche schwingend, fortfuhr:

      »Und da sitzt der erleuchtete und in aller Weit hochberühmte Hadschi Akil Schatir el Megarribnis Ben Hadschi Alim Schadschi er Rani Ibn Hadschi Dajim Maschhur el Azami Ben Hadschi Taki Abu Fadl el Mukarram!«

      Man sieht, daß er meinen neuen Namen sehr gut auswendig gelernt hatte. Jedes Glied desselben ergab einen Tritt auf die Zehen El Ghanis, welcher, weil diese Schritte zu schnell aufeinanderfolgten, sich ihnen nicht entziehen konnte und, an seinem Platze angekommen, ganz erschöpft dort niedersank, ohne während des ganzen Leidensweges Gelegenheit gefunden zu haben, auch nur ein Wort hervorzubringen.

      »So, da sitzest du nun in deiner ganzen, unbegreiflichen Herrlichkeit!« meinte Halef jetzt im Töne der Befriedigung. »Wenn dir der Hochmut wieder in den Füßen juckt, so brauchst du es mir bloß zu sagen; ich trete ihn dir gern aus allen Zehen!«

      Er kehrte zurück und setzte sich wieder neben mich nieder.

      »Sihdi«, fragte er leise, »habe ich das gut gemacht oder nicht?

      »Ich bin mit dir zufrieden«, antwortete ich.

      »Und du, Hanneh?«

      Sie, die an seiner anderen Seite saß, erwiderte:

      »Mein Halef ist gleich tapfer in Worten wie in Taten; ihm kann nicht einmal der Liebling des Großscherifs widerstehen!«

      »Nein, der am allerwenigsten! Und du«, wendete er sich an seinen Sohn, der seinen Platz neben der Mutter hatte, »folge für dein ganzes Leben dem Beispiele deines Vaters, der keine Beleidigung seiner Ehre duldet, sondern der vielmehr selbst Muhammed, dem Propheten aller Moslemin, auf sämtliche Zehen treten würde, wenn diesem der Gedanke beikommen sollte, dem obersten Scheik der Haddedihn die schuldige Achtung zu verweigern.«

      Das energische und für uns andere so still belustigende Verhalten des Hadschi hatte die Mekkaner so eingeschüchtert, daß sie, wenigstens für jetzt, nicht laut miteinander zu sprechen wagten. Sie saßen oder lagen still beisammen, und wenn einer etwas sagte, so geschah es so leise, daß wir es nicht hören konnten.

      Das Viertel des Mondes war aufgegangen und übergoß die beiden Gruppen, die kleinere der Mekkaner und die größere der Haddedihn, mit genugsam Licht,


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