Ardistan und Dschirnistan I. Karl May

Ardistan und Dschirnistan I - Karl May


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nur Messer. Der Kerl, neben dem ich sitze, ist der Zauberer.«

      »Hast Du schon gesagt, wer wir sind?«

      »Ist mir nicht eingefallen!«

      »Von mir gesprochen?«

      »Kein Wort! Ich habe so getan, als ob ich ganz allein sei.«

      »Aber sie haben sich nach Deinem Pferd erkundigt?«

      »Nein.«

      »Du hast doch Sporen! Folglich mußten sie sich sagen, daß Du beritten bist!«

      »Hierzu sind sie zu dumm. Willst Du das Boot einholen?«

      »Ja.«

      »Das werde ich Dir erleichtern.«

      Während dieser kurzen Wechselrede wurde ihm das Sprechen von dem Zauberer wiederholt verboten. Ich konnte das zwar nicht deutlich verstehen, aber ich ersah es aus den Gestikulationen. Jetzt wendete sich Halef zu ihm hin, um Fragen, die man an ihn richtete, zu beantworten. In wie pfiffiger Weise er dies tat, war sehr bald zu ersehen. Der Zauberer erteilte den Ruderern einen Befehl, infolgedessen das Boot gewendet wurde und dann gerade Richtung auf mich nahm.

      »Sie wollen Dich ergreifen,« rief er mir zu.

      »Das ist mir lieb,« antwortete ich. »Bleib fest sitzen, daß Du nicht herausfällst! Das Boot wird sehr ins Schwanken kommen. Ich werfe den Zauberer in das Wasser.«

      »Allah, Wallah, Tallah! Nun Du da bist, gibt es doch gleich einen anderen Ton!«

      Mein >Dicker< paddelte sich mit großer Energie vorwärts, und auch die beiden Ruderer holten sehr kräftig aus. So kamen wir einander schnell näher, und der Zauberer hielt es für an der Zeit, das Wort an mich zu richten. Er war ein Hühne, hoch bei Jahren, mit weißem Haar und Bart. Auch seine nackte Brust war dicht und weiß behaart. Das gab ihm etwas Eisbärartiges, zumal seine Bewegungen zwar nicht plump, aber ziemlich ungelenk zu nennen waren.

      »Wer bist Du?« fragte er mich.

      »Das wirst Du bald erfahren,« antwortete ich aus dem Wellenkreise heraus, den mein Urgaul um mich schlug.

      »Was willst Du hier?« fuhr er fort.

      »Nach der Insel hinüber will ich.«

      »Das darfst Du nicht! Du hast hierherzukommen, in mein Boot!«

      »Fällt mir nicht ein!«

      Natürlich verstellte ich mich bloß, um ihn sicher zu machen.

      »Du hast zu gehorchen! Ich zwinge Dich!« drohte er.

      »Versuch, ob es Dir gelingt!«

      »Wenn Du Dich weigerst, schlagen wir Dich einfach mit den Rudern tot!« drohte er.

      Da tat ich, als ob ich erschrecke, und meinte in zaghaftem Tone:

      »Das werdet Ihr doch nicht! Oder seid Ihr etwa Mörder?«

      »Nein! Wir sind Ussul, und ich bin der Sahahr, der Priester. Wir morden nicht. Aber wer es wagt, uns zu widerstehen, der gefährdet allerdings sein Leben. Paß auf! Ich gebe Dir die Hand und ziehe Dich vom Pferd in das Boot hinein!«

      Der gute, alte Mann! Er tat so außerordentlich martialisch und hatte dabei doch das gutmütigste Gesicht, das man sich denken kann! So, wie er aussah, pflegt man sich den heiligen Niklaus, den >Weihnachtsmann<, den Knecht Ruprecht vorzustellen, der kurz vor dem Christfest in Dorf und Stadt herumzugehen pflegt, um böse Kinder zu strafen, gute aber mit Pfefferkuchen, Äpfeln und Nüssen zu beschenken. Er stand aufrecht in der Mitte des Einbaums und ließ ihn so steuern, daß er grad vor mir und dem >Dicken< zu halten kam.

      »Komm herein!« befahl er, indem er sich niederbeugte und mir die Hand entgegenhielt. »Greif zu; ich helfe Dir!«

      »Nimm erst diese Gewehre, und leg sie in das Boot!« forderte ich ihn auf.

      Ich gab sie ihm; der unbefangene Mann nahm sie wirklich und legte sie fürsorglich auf die trockenste Stelle des Fahrzeuges. Dann hielt er mir die Hand wieder hin und wiederholte:

      »Faß zu! Ich werde Dich ziehen!«

      Da glitt ich vom Pferde, klammerte mich mit der Linken fest an den Bord und griff mit der Rechten zu, um ihn zu fassen, aber nicht an der Hand, sondern am oberen Arme. Ein kräftiger Ruck – — ein Schwung – — und anstatt mich zu sich hineinzuziehen, flog er aus dem Boot heraus in das Wasser, in welchem er für einige Augenblicke so vollständig verschwand, daß gar nichts von ihm zu sehen war. Nur einen kurzen Moment später stand ich im Einbaume, an derselben Stelle, an der er gestanden hatte, zog mein Messer und schnitt den Riemen entzwei, mit welchem Hadschi Halef gebunden worden war. Dieser sprang sofort vergnügt in die Höhe, warf die frei gewordenen Arme in die Luft und rief jubelnd aus:

      »Allah sei Lob und Dir sei Dank gesagt, Effendi, daß ich wieder im Besitz meiner Hände bin! Du wirst gleich sehen, was ich tue.«

      Er nahm meinen schweren Bärentöter vom Boden auf, richtete ihn auf den Mann, der im Vorderteile ruderte, und rief ihm zu:

      »Leg das Ruder herein, und mach Dich von dannen, sonst schieß ich Dich augenblicklich tot!«

      Dieser Mann war ein Riese und Halef gegen ihn ein Zwerg. Aber der auf ihn gerichteten Kugelmündung widerstand er nicht. Er zog gehorsam das Ruder ein und sprang über Bord. Der Hadschi richtete den Lauf nun auch auf den Mann, der im Hinterteile saß. Dieser wartete den Befehl des Kleinen gar nicht erst ab. Er riß das Ruder herein, ließ es fallen und sprang hinaus in die Flut.

      »Sind das Helden!« lachte Halef, indem er das Gewehr wieder von sich legte.

      »Vor allen Dingen weg von ihnen!« warnte ich, indem ich das eine Ruder ergriff und Halef durch einen Wink aufforderte, das andere zu nehmen.

      Ich wollte, daß die drei Ussul das Boot nicht wieder betreten, sondern im Wasser bleiben sollten. Das Boot hatte durch den Schwung, mit dem der Zauberer herausbefördert worden war, einen Stoß erhalten, der es von der Stelle trieb. Wir bemühten uns jetzt, diese Entfernung noch zu vergrößern. Die Ussul erwiesen sich als sehr gewandte Schwimmer. Sie wollten außerdem auch noch die Kraft des Pferdes zu Hilfe nehmen. Der Zauberer bemühte sich, ihm auf den Rücken zu steigen, und die beiden Ruderer trachteten danach, die Enden des Zügelstrickes zu fassen. Aber der >Dicke< wehrte sich. Er schlug und biß nach ihnen und strampelte das Wasser derart zu Gischt und Schaum, daß man meinen konnte, ein Okeanidenbild aus der griechischen Mythologie vor sich zu haben.

      »Das ist ein großartiges Vieh, dieses Pferd!« ließ sich Halef hören. »Wo hast Du es her, Sihdi? Das möchte ich hören!«

      »Zu hören, wie Du in dieses vorweltliche Boot gekommen bist, ist noch viel wichtiger,« anwortete ich.

      »Kannst Du mir nicht erlassen, es Dir zu erzählen, Sihdi?« fragte er.

      »Nein.«

      »So erlaube, daß ich Dich dabei nicht anzusehen brauche! Denn ich schäme mich!«

      »Ah? Wirklich?«

      »Ja!«

      Da draußen auf dem Wasser plagten sich die drei Ussul noch mit dem Pferd herum. Ich saß, das Ruder in der Hand, an dem einen Ende des Kahnes, Halef am andern. Er sah vor sich nieder, warf dann mit einer energischen Bewegung den Kopf nach hinten und sprach:

      »Es hilft nichts! Ich kann nicht anders; ich muß es eingestehen! Sihdi, ich bin ein Schaf, ein Ochse, ein Kamel, kurz, ein Dummkopf, wie es gar keinen größeren geben kann!«

      Er machte eine Pause, die ich dazu benütze, ihn zu fragen:

      »Ist das wirklich Deine Ansicht?«

      »Nicht nur meine Ansicht, sondern sogar meine felsenfeste Überzeugung! Sie gefällt Dir wohl nicht?«

      »O doch! Sogar sehr! Aber vorher dachtest Du doch wohl anders?«

      »Allerdings! Sihdi, mein lieber Sihdi, ich sage Dir: Es gibt Augenblicke, in denen ich mich für den klügsten und vortrefflichsten Menschen halte, den Allah in seiner Güte erschaffen hat. Und es gibt wieder andere Augenblicke, in denen ich darauf schwören kann, daß ich der dümmste Mensch der ganzen Erde bin. Glaubst Du das?«

      »Ich


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