Das Vermaechtnis des Inka. Karl May

Das Vermaechtnis des Inka - Karl May


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ich Ihnen sagen, daß es Wasser nicht überall gibt. Jenseits des Rio Salado kommen Sie in Montes impenetrabiles sin agua, in die undurchdringlichen und wasserlosen Waldungen. Da können Sie wochenlang dürsten, ohne einen Schluck Wasser zu finden. Und Fleisch? Wenn Sie kein guter Jäger sind, müssen Sie verhungern.«

      »Schwerlich! Ich habe gelesen, daß Hunderte von Trappern und Fallenstellern in Nordamerika von dem Fleische wilder Tiere leben. Hunger, was der Lateiner Fames nennt, werden wir nicht leiden.«

      »Südamerika ist nicht Nordamerika. Dann die Indianer!«

      »Die werden mir nichts thun, weil ich ihnen nichts thue.«

      »Sie irren. Wir müssen ihnen zu bestimmten Zeiten einen Tribut – wir nennen es freilich Geschenk – an Pferden, Rindern und Schafen geben, damit sie unsre Herden nicht lichten und uns unsre Tiere nicht stehlen. Dennoch kommen sie häufig über die Grenze, und treiben uns das Vieh zu Hunderten von Stücken weg. Dabei nehmen sie auch

      Menschen gefangen und schaffen sie nach dem Chaco, um sie nur gegen Geld freizugeben. Sie kommen dann ganz offen in unsre Städte und zu unsern Behörden, um das Lösegeld zu fordern.«

      »So gebt es ihnen nicht, sondern bestraft sie!«

      »Das geht nicht, Señor. Würden wir einen solchen Boten von ihnen züchtigen, so wären die weißen Gefangenen, um welche es sich handelt, verloren. Wie nun, wenn Sie auch von ihnen festgenommen werden?«

      »Mich bekommen sie nicht. Ich bin außerordentlich schlau und vorsichtig, was der Lateiner astutus und catus oder prudens nennt.«

      »Mag sein. Ich will das nicht untersuchen. Aber Ihre Kleidung! Wie lange wird sie bleiben, wie sie ist? In der Wildnis geht sie bald in Stücke.«

      »Ich nehme sie in acht.«

      »Und die Stiefel. Sie haben ja Gauchostiefel ohne Sohlen an. Meinen Sie, daß Ihre Füße über die Dornen und Stacheln des Gran Chaco auch kommen werden?«

      »Ich reite ja!«

      »Ihr Pferd kann krepieren!«

      »So haben wir Reservepferde. O, ich habe an alles gedacht. Uebrigens sind wir nicht ganz allein auf uns angewiesen. Wir werden Freunde finden.«

      »Wer ist das?«

      »Die Truppe des Vaters Jaguar.«

      »Ah! Kennen Sie diesen?«

      »Ja. Wir haben uns in Buenos Ayres getroffen. Er ist uns vorangeritten, und wir werden ihn einholen.«

      »Wenn das der Fall ist, so werden Sie sich allerdings in sehr guten Händen befinden. Er war hier; er wollte nach der Laguna Porongos, um dort zwei Tage zu bleiben.«

      »Dann treffen wir ihn gewiß, denn wenn wir morgen zeitig aufbrechen, kommen wir gegen Abend bei der Laguna an.«

      »Weiß er denn, daß Sie vorweltliche Tiere ausgraben wollen?«

      »Ja. Er hat mir versichert, daß im Chaco welche zu finden sind.«

      »Und hat Sie aufgefordert, dorthin ihm nachzukommen?« fragte der Offizier ungläubig.

      »Das nicht. Ich bat ihn, mich mitzunehmen; er aber verweigerte es mir.«

      »Das konnte ich mir denken. Er hat andres zu thun, als mit Ihnen nach alten Knochen zu suchen. Und so sind Sie ihm also heimlich gefolgt, ohne daß er es weiß?«

      »Ja, heimlich, was der Lateiner clanculum oder clandestinus, auch furtinus und latito nennt.«

      »Ich befürchte, Sie sind des Lateinischen sicherer, als einer freundlichen Aufnahme von seiten dieses berühmten Mannes. Kehren Sie um! Graben Sie auf der Pampa nach alten Resten! Das ist nicht so gefährlich, wie eine Reise durch den Chaco, wo hinter jedem Baume ein Jaguar oder Indianer lauern kann!«

      »Daß ich mich vor den Indianern nicht fürchte, habe ich Ihnen bereits gesagt, und sollte mir ein Jaguar begegnen, so würde ich mich nur darüber freuen.«

      »Freuen? Warum? Eine solche Begegnung kommt nicht jedermann erfreulich vor.«

      »Aber mir als Zoopsychologen würde es außerordentlich lieb sein, einmal einem solchen Tiere zu begegnen. Ich möchte nämlich gern ein schönes Experiment mit demselben probieren. Ich habe ein sehr probates Mittel entdeckt, jedes wilde Tier, also auch jeden Jaguar, sofort in die Flucht zu schlagen.«

      »Ein solches Mittel gibt es nicht.«

      »O doch, Señor.«

      »Dann möchte ich es kennen lernen!«

      »Nun, es ist zwar noch Geheimnis, aber da Sie uns so freundlich aufgenommen haben, will ich es Ihnen mitteilen. Werden Sie von einem wilden Tiere angefallen, so hängen Sie sich an den Schwanz desselben, bei den Lateinern Cauda genannt. Selbst die blutdürstigste Bestie wird auf der Stelle die Flucht ergreifen.«

      Der Lieutenant öffnete den Mund, brachte aber keine Silbe hervor, sondern sah dem Sprecher wortlos in das Gesicht.

      »Sie staunen?« fragte dieser lächelnd. »Nicht wahr, das hatten Sie nicht erwartet?«

      »Nein, wahrhaftig nicht!« antwortete der Offizier, indem er in ein lautes Gelächter ausbrach.

      »Lachen Sie nicht, es ist wahr.«

      »Einen Jaguar beim Schwanz fassen! Welch ein Gedanke!«

      »Ein sehr pfiffiger, ein sehr schlauer Gedanke! Und doch so einfach, daß man bei demselben an das Ei des Kolumbus erinnert wird. Wenn ich ein Tier hinten habe, kann es mich doch nicht vorn beißen.«

      »Aber der Jaguar wird sich blitzschnell herumdrehen und Sie zerfleischen!«

      »Fällt ihm ganz und gar nicht ein. Er wird vor Angst brüllen und schleunigst ausreißen. Ich weiß es sehr genau.«

      »Das ist ein geradezu wahnsinniger Gedanke! Unterlassen Sie es um Gottes willen, diesen Versuch zu machen! Er würde Ihnen das Leben kosten.«

      »Nein, nein! Ich bin meiner Sache sicher und weiß, daß so eine Bestie viel ungefährlicher ist, als mancher Mensch, zum Beispiel dieser Hauptmann in Santa Fé, welcher uns einsperren oder unters Militär stecken lassen wollte.«

      Der Lieutenant horchte auf und fragte:

      »Ein Kapitän in Santa Fé? Wann war das?«

      »Gestern.«

      »Zu dieser Zeit gibt es dort nur einen Kapitän, nämlich den Kapitän Pellejo. Der hat Sie einsperren lassen wollen?«

      »Allerdings.«

      »Weshalb?«

      »Eines Mißverständnisses wegen, an welchem wir nicht die mindeste Schuld gehabt haben. Soll ich es Ihnen vielleicht erzählen?«

      »Ich bitte Sie sehr darum!« antwortete der Gefragte, indem sein Gesicht den Ausdruck großer Spannung annahm.

      Der unvorsichtige Gelehrte, welcher das unangenehme Abenteuer gar nicht hätte erwähnen sollen, erzählte dasselbe. Im Laufe seines Berichtes nahm das Gesicht des Offiziers einen immer ernsteren Ausdruck an, und als derselbe zu Ende war, sagte er in einem viel weniger freundlichen Tone als bisher:

      »Das thut mir leid, Señor. Kapitän Pellejo ist mein nächster Vorgesetzter, und ich muß Ihnen sagen, daß er sich heut in Fort Uchales befindet und morgen hierher kommen wird. Glücklicherweise werden Sie uns bei seinem Eintreffen schon verlassen haben. Er hat, wie ich genau weiß, heute mit dem Frühesten eine Reise angetreten, um die Befestigungen, welche längs der Indianergrenze liegen, zu inspizieren. Hüten Sie sich, ihm zu begegnen!«

      »Haben Sie keine Sorge um mich! Ich fürchte ihn nicht.«

      »Ob Sie Veranlassung haben, ihn zu scheuen oder nicht, muß mir gleichgültig sein. Ich bin ihm als sein Untergebener für alles, was ich thue, verantwortlich, und wenn er erfährt, daß ich Sie hier aufgenommen habe, wird mich sein Zorn treffen. Es fällt mir natürlich nicht ein, Ihnen das Obdach zu verweigern, aber

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