Der Oelprinz. Karl May

Der Oelprinz - Karl May


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und weiter, sie voran und er wie ein unhörbarer Schatten hinter ihnen her. Ja, sie hielten an, aber nicht eher, als bis sie fast in der unmittelbaren Nähe des Lagers angekommen waren. Wenn der Häuptlingssohn jetzt etwas hören wollte, so mußte er verwegen sein. Er legte sich also wieder auf die Erde nieder und kroch so nahe zu ihnen hin, daß er die Füße des Nächsten hätte mit der Hand erreichen können. Dieses kühne Experiment wurde belohnt, denn er hörte Buttler sprechen, zwar leise, aber doch so, daß er die Worte noch so leidlich verstehen konnte:

      »Da sind wir angekommen. Seht Ihr nun das Lager?«

      »Ja,« entgegnete einer, und die andern stimmten ihm bei.

      Die hohen, massig gebauten Wagen waren nämlich trotz der Dunkelheit gegen den helleren Himmel zu sehen. Der Anführer fuhr fort:

      »Das Feuer ist vollständig ausgegangen, und ich denke, daß sie schlafen werden. Dennoch werden wir noch einige Zeit warten, bevor wir über sie herfallen. Sicher ist sicher. Aber umzingeln müssen wir sie schon jetzt. Wenn jeder von uns sich dreißig Schritte von dem andern entfernt, reicht unsre Zahl aus, einen Kreis um die Wagen zu bilden. Ist das geschehen, so wartet ihr, bis ich euch das Zeichen gebe.«

      »Welches Zeichen?« wurde gefragt.

      »Ich ahme mit einem Grashalme das Zirpen eines Heimchens nach. Auf dieses Zeichen kriecht jeder von euch auf die Wagen zu, hinter denen sie schlafen werden. Wenn ich vor den Wagen angekommen bin, zirpe ich zum zweitenmal und warte ein wenig, um euch Zeit zu geben, auch dort anzulangen. Wenn ich dann zum drittenmal zirpe, ist das für euch der Befehl, unter den Wagen und Deichseln und zwischen den Rädern hindurchzukriechen und den Kerls eure Messer zu geben. Zu schießen vermeiden wir wo möglich.«

      »Was geschieht mit den Weibern und Kindern?«

      »Sie werden auch ausgelöscht. Es darf keine Seele leben bleiben, welche uns später verraten könnte. Die Beute teilen wir, und die Wagen werden dann verbrannt, die Leichen auch. Also vorwärts jetzt! Die eine Hälfte von euch geht nach rechts und die andre nach links; ich bleibe hier. Nehmt euch aber in acht und vermeidet jedes Geräusch, damit wir nicht verraten werden!«

      Da fragte einer noch:

      »Wenn wir nun auf einen Wächter treffen? Vielleicht haben sie einen ausgestellt.«

      »Das glaube ich nicht. Diese unerfahrenen Menschen sind viel zu dumm, als daß sie auf einen solchen Gedanken kämen.«

      »Aber wenn es dennoch wäre?«

      »So wird er erstochen. Geschossen darf nicht werden. Der Messerstoß muß gut sitzen und ihn auf der Stelle töten. Also ans Werk jetzt, und paßt auf mein Zirpen auf!«

      Die Finders entfernten sich nach zwei Seiten, um die Wagen zu umzingeln; Buttler aber blieb stehen. Schi-So überlegte einen Augenblick. Sollte er jetzt schnell fort, um Sam Hawkens Meldung zu machen? Nein. – Er hatte den Anführer so schön vor sich; wenn er ihn unschädlich machte, waren die übrigen dann viel leichter zu bewältigen. Er wartete also eine Minute, richtete sich dann hinter Buttler auf und versetzte ihm einen so kräftigen Kolbenhieb, daß der Getroffene laut los zusammenbrach. Er hätte ihn erstechen können, wollte aber kein Menschenleben vernichten. Der Aufenthalt in Europa und unter Christen war nicht ohne Wirkung auf ihn gewesen.

      Er hing das Gewehr über und schlich davon, den Betäubten am Kragen hinter sich herschleifend. Er wußte genau die Stelle, an welcher sich Sam Hawkens mit den Soldaten befand. Es war ein Glück, daß dieser sich mit ihnen eine Strecke von dem Lager entfernt gehabt hatte; so konnten die Finders dieses einschließen, ohne auf die Verteidiger zu treffen.

      Sam hatte Stone, Parker und dem Offizier einen Plan klar gemacht, bei dessen Ausführung alles Blutvergießen vermieden wurde und jede eigene Fährlichkeit ausgeschlossen war. In Beziehung auf die Ausführung desselben wurde nur noch auf die Rückkehr des Häuptlingssohnes gewartet. Da endlich kam dieser. Er zog einen dunklen Gegenstand hinter sich her und ließ ihn auf die Erde fallen. Als Sam dies sah, bückte er sich nieder, um den Gegenstand zu betrachten, und meinte erstaunt:

      »Ein Mensch! Wie kommst du dazu? Ist er tot?«

      »Nein, sondern nur betäubt,« antwortete Schi-So.

      »Wer ist es?«

      »Buttler.«

      »Alle Teufel! Auf welche Weise ist er denn um die Besinnung gekommen?«

      »Durch einen Kolbenhieb von mir.«

      »Von dir? Da hast du einen großen Fehler begangen und meinen ganzen schönen Plan zu schanden gemacht! Wo befinden sich seine Leute?«

      »Sie liegen rund um die Wagen.«

      »Zounds! Hast du sie kommen sehen?«

      »Ja.«

      »Und es mir nicht gemeldet!«

      »Es gab keine Zeit dazu. Ich konnte nicht hierher, sondern mußte ihnen folgen, um zu hören, was sie vorhatten.«

      »Und hast du es gehört?«

      »Ich habe es erfahren und dann Buttler niedergeschlagen.«

      »Das hättest du nicht thun sollen! Mein Plan war so gut, ganz vortrefflich, und kann nun wahrscheinlich nicht ausgeführt werden. Erzähle schnell, wie das gekommen ist!«

      Schi-So kam dieser Aufforderung in kurzen Worten nach. Als er geendet hatte, sagte Sam, und zwar in einem ganz andern Tone als bisher:

      »Alle Wetter, hast du das gut gemacht! Ja, wenn es so steht, dann kann ich dich unmöglich tadeln; ich muß dich vielmehr loben. Nun werde ich, nämlich ich und nicht ihr Buttler, diesen Finders etwas vorzirpen, was sie in unsre Hände bringen wird. Bindet den Kerl an den Armen und Beinen und gebt ihm einen Knebel in den Mund, damit er nicht etwa laut werden kann, wenn er erwacht!«

      Die Soldaten waren sofort bereit, dem Befehle Folge zu leisten. Während dies geschah, fragte der Lieutenant:

      »Also Ihr wollt an Buttlers Stelle das Zeichen geben, Sir? Könnt Ihr denn so zirpen wie ein Heimchen, wie eine Grille?«

      »Haltet Ihr das für so schwer?« gegenfragte Sam.

      »Nein; aber ich könnte es nicht. Wie wird es gemacht?«

      »Sehr einfach, mit Hilfe eines Grashalmes. Man legt die beiden Hände so zusammen, daß sie eine hohle Faust bilden, auf welche die Daumen nebeneinander zu liegen kommen. Klemmt man nun zwischen den Daumen einen Halm straff und bläst auf den letztem, so entsteht ein Ton, der ganz dem Zirpen eines Heimchens gleicht.«

      »Das muß ich doch versuchen!«

      »Habe nichts dagegen, Sir; nur bitte ich, diesen Versuch morgen oder nach zehn Jahren, nicht aber schon heut und hier zu machen, denn Ihr würdet uns die Burschen vertreiben, die wir fangen wollen.«

      »Wieso?«

      »Weil das richtige Zirpen nicht gleich beim erstenmal gelingt. Ihr würdet sehr wahrscheinlich einen Ton hervorbringen, ähnlich demjenigen, wenn man Buttermilch oder Syrup durch eine Klarinette bläst. Es will eben alles, selbst das Kleinste und Einfachste, gelernt sein.«

      »Hm, es ist möglich! Aber was meint Ihr, was wir nun thun werden, da wir ganz anders zu handeln haben, als vorhin bestimmt worden ist?«

      »Ich trete an Buttlers Stelle.«

      »Das habt Ihr bereits gesagt. Aber wir?«

      »Ihr macht euch hinter die Finders, je zwei von uns hinter einen von ihnen. Unsre Leute reichen dazu aus. Das muß aber äußerst vorsichtig geschehen, damit sie ja nichts davon merken. Wenn ich zirpe, avancieren sie, und ihr hinter ihnen her. Wenn ich dann das dritte Zeichen gebe, werden sie unter den Wagen hindurchkriechen wollen, aber dann von euch gepackt. Zwei gegen einen, das ist eigentlich gar nicht ehrenvoll; dennoch rate ich, sich nicht der Hände, sondern lieber der Gewehrkolben zu bedienen. Sie rasch niederschlagen, das ist das Einfachste und Sicherste; dabei wird keinem von uns ein Haar gekrümmt.«

      »Es gibt etwas noch viel Einfacheres.«

      »Was?«

      »Nicht jeder Kolbenhieb ist tödlich. Darum denke ich, daß wir uns lieber unsrer Messer bedienen. Ein Stich, gut getroffen,


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