Der Schatz im Silbersee. Karl May

Der Schatz im Silbersee - Karl May


Скачать книгу
ihr noch mehr setzen?«

      »Wir haben kein Geld.«

      »Das thut ja gar nichts; ich schieße es euch einstweilen vor, bis ihr mich bezahlen könnt.«

      Er sagte das mit solchem Ernste, daß der Lange vor Verwunderung tief Atem holte und der Buckelige geradezu betroffen ausrief: »Uns borgen — bis wir bezahlen können? Ihr seid also sicher, zu gewinnen?«

      »Sehr!«

      »Aber, Master, um zu gewinnen, müßtet Ihr uns eher erschießen als wir Euch; als Tote aber könnten wir Euch nicht bezahlen!«

      »Bleibt sich gleich! Ich hätte doch gewonnen und habe so viel, daß ich euer Geld nicht brauche.«

      »Uncle,« meinte der Kleine kopfschüttelnd zu dem Langen, »so einen Boy habe ich weder schon gesehen, noch gehört. Wir müssen hinab zu ihm, um ihn näher zu betrachten.«

      Er kam mit schnellen Schritten herab, und der Lange folgte ihm steif und in kerzengerader Haltung, als ob er eine Bohnenstange im Körper habe.

      Unten im Wellenthale angekommen, sagte der Bucklige: »Steckt Euer Geld wieder ein; aus der Wette kann nichts werden. Und nehmt den Rat von mir an: Laßt diese Banknotentasche niemand sehen; Ihr könntet es zu bereuen haben oder gar mit dem Leben büßen. Ich weiß wirklich nicht, was ich von Euch denken und aus Euch machen soll. Es scheint nicht ganz richtig in Eurem Kopfe zu sein. Wir wollen Euch einmal auf den Zahn fühlen. Kommt also mit, nur wenige Schritte weiter.«

      Er streckte die Hand aus, um das Pferd des Engländers am Zügel zu fassen, da glänzten in den beiden Händen desselben zwei Revolver und er rief in kurzem, strengem Tone. »Hand weg, oder ich schieße!«

      Der Kleine fuhr erschrocken zurück und wollte sein Gewehr heben.

      »Unten lassen. Keine Bewegung, sonst drücke ich los.«

      Die Haltung und das Gesicht des Engländers hatte sich plötzlich außerordentlich verändert. Das waren nicht die dummen Züge von vorher, und aus den Augen blitzte eine Intelligenz, eine Energie, welche den beiden andern die Worte benahm.

      »Meint ihr wirklich, daß ich verrückt bin?« fuhr er fort. »Und haltet ihr mich wirklich für einen Menschen, vor welchem ihr euch gebärden könnt, als ob die Prairie nur euer Eigentum sei? Da irrt ihr euch. Bisher habt ihr mich gefragt, und ich antwortete euch. Nun aber will auch ich wissen, wen ich vor mir habe. Wie heißt ihr, und was seid ihr?«

      Diese Fragen waren an den Kleinen gerichtet; er sah in die scharf forschenden Augen des Fremden, die einen ganz eigenartigen Eindruck auf ihn machten, und antwortete halb ärgerlich und halb verlegen: »Ihr seid hier fremd; darum wißt Ihr es nicht; aber man kennt uns vom Mississippi an bis hinüber nach Frisco als ehrliche Jäger und Fallensteller. Wir sind jetzt unterwegs nach den Bergen, um eine Gesellschaft von Bibermännern zu suchen, der wir uns anschließen können.«

      »Well! Und eure Namen?«

      »Unsre eigentlichen Namen können Euch nichts nützen. Mich nennt man den Humply-Bill, weil ich leider buckelig bin, worüber ich aber noch lange nicht Lust habe, vor Gram zu sterben, und mein Kamerad hier ist nur als Gunstick-Uncle bekannt, weil er stets so steif in der Welt herumläuft, als ob er einen Ladstock verschluckt hätte. So, nun kennt Ihr uns und werdet uns auch über Euch die Wahrheit sagen, ohne dumme Witze zu machen.«

      Der Engländer betrachtete sie mit einem durchdringenden Blicke, als ob er ihnen bis tief in das Herz zu sehen wünsche; dann nahmen seine Züge einen freundlichen Ausdruck an; er nahm ein Papier aus der Banknotentasche, faltete es auseinander, reichte es den beiden hin und antwortete: »Ich habe nicht gescherzt. Da ich euch für brave und ehrliche Leute halte, so sollt ihr diesen Paß ansehen.«

      Die beiden sahen und lasen, blickten einander an, dann riß der Lange die Augen und den Mund möglichst weit auf, und der Kleine sagte, diesmal in einem sehr höflichen Tone: »Wirklich ein Lord, Lord Castlepool. Aber, Mylord, was wollt Ihr in der Prairie? Das Leben steht Euch — —«

      »Pshaw!« unterbrach ihn der Lord. »Was ich will? Die Prairie und das Felsengebirge kennen lernen und dann nach Frisco gehen. War schon überall in der Welt, nur in den Vereinigten Staaten noch nicht. Doch, jetzt sind wir einander vorgestellt und brauchen nicht mehr fremd zu thun. Kommt also zu euren Pferden! Ich meine nämlich, daß ihr Pferde habt, obgleich ich sie noch nicht gesehen habe.«

      »Freilich haben wir welche; sie stehen da hinter dem Hügel, wo wir anhielten, um auszuruhen.«

      »So folgt mir hin!«

      Seinem Tone nach war er jetzt derjenige, welcher ihnen, anstatt sie ihm, Vorschriften zu machen hatte. Er stieg vom Pferde und schritt ihnen voran, in dem Wellenthale weiter, bis hinter den Wellenberg, wo zwei Pferde grasten, welche zu derjenigen Sorte zu gehören schienen, welche im Vulgärdeutsch Klepper, Ziegenbock oder gar Kracke genannt zu werden pflegen. Sein Pferd war ihm dabei wie ein Hund nachgelaufen. Die beiden Pferde kamen auf dasselbe zu; es wieherte aber zornig und schlug gegen sie aus, um sie von sich zu treiben.

      »Eine giftige Kröte!« meinte Humply-Bill dazu. »Scheint ungesellig zu sein.«

      »O nein,« antwortete der Lord. »Es weiß bloß, daß ich noch nicht nahe verwandt mit euch bin und will also mit euren Pferden einstweilen auch fremd bleiben.«

      »Wäre es wirklich so klug? Man sieht es ihm nicht an. Scheint ein Ackerpferd gewesen zu sein.«

      »Oho! Es ist ein echter kurdischer Husahn, wenn ihr gütigst erlaubt.«

      »So! Wo liegt denn dieses Land?«

      »Zwischen Persien und der Türkei. Habe ihn selbst dort gekauft und mit nach Hause genommen.«

      Er sagte das in einem so gleichgültigen Tone, als ob es ebenso leicht sei, ein Pferd aus Kurdistan nach England und von da wieder hinüber nach den Vereinigten Staaten zu transportieren, wie einen Kanarienvogel von dem Harze nach dem Thüringer Walde zu bringen. Die beiden Jäger warfen einander verstohlenen Blicke zu. Er aber setzte sich ganz ungeniert in das Gras, wo sie vorher gesessen hatten. Dort lag eine angeschnittene, gestern gebratene Rehkeule. Er zog sein Messer, schnitt ein tüchtiges Stück herunter und begann zu essen, als ob das Fleisch nicht den andern, sondern ihm gehöre.

      »So ist‘s recht!« meinte der Buckelige. »Nur keine Umstände machen in der Prairie.«

      »Mache sie auch nicht,« antwortete er. »Habt gestern ihr Fleisch geschossen, so schieße heute oder morgen ich welches, natürlich auch für euch mit.«

      »So? Meint Ihr denn, Mylord, daß wir morgen noch beisammen sein werden?«

      »Morgen und noch viel länger. Wollen wir wetten? Ich setze zehn Dollar und auch mehr, wenn ihr wollt.«

      Er griff nach der Geldtasche.

      »Laßt Eure Banknoten hinten,« antwortete Humply. »Wir wetten nicht mit.«

      »So setzt euch her zu mir! Will es euch erklären.«

      Sie ließen sich ihm gegenüber nieder. Er musterte sie nochmals mit einem scharfen Blicke und sagte dann: »Bin den Arkansas heraufgekommen und in Mulvane ausgestiegen. Wollte dort einen Führer engagieren oder zwei; fand aber keinen, der mir gefiel. War lauter Schund, die Kerls. Bin also fortgeritten, weil ich mir sagte, daß echte Prairiemänner wohl nur in der Prairie zu finden sind. Treffe jetzt euch, und ihr gefallt mir. Wollt ihr mit?«

      »Wohin denn?«

      »Nach Frisco hinüber.«

      »Das sagt Ihr so ruhig, als ob es nur ein Tagesritt sei?«

      »Es ist ein Ritt. Ob er einen Tag oder ein Jahr dauert, das bleibt sich gleich.«

      »Hm, ja. Aber habt Ihr eine Ahnung von dem, was einem unterwegs begegnen kann?«

      »Habe noch nicht daran gedacht, hoffe aber, es zu erfahren.«

      »Wünscht Euch nicht zu viel. Übrigens können wir nicht mit. Wir sind nicht so reich, wie Ihr zu sein scheint; wir leben von der Jagd und können also keinen monatelangen Abstecher nach Frisco machen.«


Скачать книгу