Durchs wilde Kurdistan. Karl May

Durchs wilde Kurdistan - Karl May


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bleibe!« meinte der Nezanum einfach. »Wenn aber dein Gebieter keine Wohnung findet, so ist es deine Schuld.«

      »Was sind diese beiden Männer, welche sagen, daß sie unter dem Schutze des Großherrn stehen? Araber sind es, welche in der Wüste rauben und stehlen und hier in den Bergen die Herren spielen – — —«

      »Hadschi Halef!« rief ich laut.

      Der kleine Diener trat ein.

      »Halef, dieser Khawaß wagt es, uns zu schmähen; wenn er noch ein einziges Wort sagt, welches mir nicht gefällt, so gebe ich ihn in deine Hand!«

      Der Arnaut, der bis unter die Zähne bewaffnet war, blickte mit offenbarer Verachtung auf Halef herab.

      »Vor diesem Zwerge soll ich mich fürchten, ich, der ich —«

      Er konnte nicht weiter sprechen, denn er lag bereits am Boden, und mein kleiner Hadschi kniete über ihm, in der Rechten den Dolch zückend und die Linke um seinen Hals klammernd.

      »Soll ich, Sihdi?«

      »Es ist einstweilen genug; aber sage ihm, daß er verloren ist, wenn er noch eine feindselige Miene macht!«

      Halef ließ ihn los, und er erhob sich. Seine Augen blitzten in zorniger Tücke, aber er wagte doch nichts zu unternehmen.

      »Komm!« gebot er dem Dorfältesten.

      »Du willst dir die Wohnung anweisen lassen?« fragte dieser.

      »Ja, einstweilen. Wenn aber mein Herr angekommen ist, dann werde ich ihn herbeisenden, und es wird sich entscheiden, wer in deinem Hause schläft. Er wird auch richten zwischen mir und diesem Diener der beiden Araber!«

      Sie gingen miteinander fort. Während der Abwesenheit des Nezanum leistete uns einer seiner Söhne Gesellschaft, und bald wurde uns gesagt, daß der Ort, an dem wir schlafen sollten, für uns bereitet sei.

      Wir wurden in ein Gemach geführt, in welchem mittels Teppichen zwei weiche Lager bereitet waren; in der Mitte desselben aber hatte man das Abendessen serviert. Diese Schnelligkeit und das ganze Arrangement ließen vermuten, daß der Dorfälteste nicht zu den armen Bewohnern des Ortes zählte. Sein Sohn saß bei uns, nahm aber nicht teil am Mahle; es war dies eine Respektserweisung, auf welche wir uns etwas einbilden konnten. Die Frau und eine Tochter des Vorstehers bedienten uns.

      Zunächst wurde uns Scherbet gereicht. Wir tranken ihn aus sehr hübschen Findschani ferfuri[22], hier in Kurdistan eine sehr große Seltenheit. Dann erhielten wir Valquapamasi, Weizenbrot in Honig gebraten, wozu der dazu gebotene Findika[23] allerdings nicht recht passen wollte. Nun folgte ein junger Vizihn[24] mit Reisklößen, die in seiner Brühe schwammen, dazu Bera asch[25], die ihrem Namen vollständig entsprachen. Zwei kleine Braten, welche die Fortsetzung bildeten, kamen mir recht appetitlich vor. Sie waren recht schön »knusperig« gebräunt; ich hielt sie unbedingt für Tauben. Sie waren wirklich delikat, hatten aber doch einen Geschmack, der mir etwas fremd erschien.

      »Ist dies Kewuk[26]?« fragte ich den jungen Mann.

      »Nein. Es ist Bartschemik[27],« antwortete er.

      Hm! Eine recht hübsche gastronomische Ueberraschung! Jetzt trat der Vorsteher herein. Auf meine Einladung setzte er sich zu uns nieder und nahm teil an dem Mahle, in dessen ganzem Verlaufe auf einer blechernen Platte duftendes Mastix brannte. Jetzt, da der Hausherr zugegen war, wurde die Hauptschüssel aufgetragen. Sie enthielt Quapameh, Hammelbraten in saurer Sahne gebacken, und dazu wurde Reis gegeben, der mit Zwiebeln abgesotten war. Als wir zur Genüge davon gekostet hatten, winkte der Vorsteher. Man brachte eine zugedeckte Schüssel, die er mit sehr wichtiger Miene in Empfang nahm.

      »Rate, was das ist!« bat er mich.

      »Zeige es!«

      »Das ist ein Gericht, welches du nicht kennst. Es ist nur in Kurdistan zu haben, wo es starke und mutige Männer gibt.«

      »Du machst mich neugierig!«

      »Wer es genießt, dessen Kräfte verdoppeln sich, und er fürchtet sich vor keinem Feinde mehr. Rieche einmal!«

      Er öffnete den Deckel ein wenig und ließ mich den Duft kosten.

      »Diesen Braten gibt es nur in Kurdistan?« fragte ich.

      »Ja.«

      »Du irrst; denn ich habe dasselbe Fleisch bereits sehr viele Male gegessen.«

      »Wo?«

      »Bei den Urus und den andern Völkern, besonders aber in einem Lande, das Amerika genannt wird. Dort wächst das Tier viel größer und ist auch viel wilder und gefährlicher, als bei euch.«

      »Du bist es, der sich irrt; denn nur hier in Kurdistan lebt dieses Tier.«

      »Ich bin noch nie in Kurdistan gewesen und erkenne dieses Fleisch doch bereits am Geruche; also muß ich es auch schon in andern Ländern gegessen haben.«

      »Was ist es für ein Tier?«

      »Es ist Bär. Habe ich recht?«

      »Ja wirklich, du kennst es!« rief er erstaunt.

      »Ich kenne es noch besser als du meinst. Ich habe noch nicht in diese Schüssel geblickt und wette dennoch mit dir, daß das Fleisch die Tatze vom Bären ist!«

      »Du hast es erraten! Nimm, und iß!«

      Nun ging es an das Erzählen von Jagdgeschichten. Der Bär ist in Kurdistan allerdings sehr häufig anzutreffen, aber bei weitem nicht so gefährlich, wie der große graue Petz von Nordamerika. Zu den gedämpften Bärentatzen gab es ein dickes Mus von gedörrten Birnen und Pflaumen, dem ein gepanzertes Gericht folgte, nämlich gesottene Krebse, zu denen eine Zuspeise gereicht wurde, die mir sehr kompliziert erschien. Ich erlaubte mir, mich zu erkundigen, und die Frau des Vorstehers gab mir bereitwillig Auskunft:

      »Nimm Kürbisse und koche sie zu Brei,« meinte sie. »Tue Zucker und Butter dazu, rühre klaren Käse und geschnittenen Knoblauch hinein und füge zerdrückte Maulbeeren und weich gequollene Kerne von Sonnenblumen hinzu. Dann hast du diese Speise, welcher keine andere gleich kommt!«

      Ich kostete diese unvergleichliche Mischung von Kürbis und Sonnenblume, Käse und Zucker, Butter, Maulbeeren und Knoblauch und fand, daß der Geschmack derselben nicht so schlimm war, wie der Klang der Ingredienzien. Den Schluß des Mahles bildeten getrocknete Aepfel und Weintrauben, zu denen ein Schluck Raki getrunken wurde. Dann kamen die Tabakspfeifen zu ihrem Rechte.

      Während wir den starken, rauhen und nur wenig fermentierten Tabak von Kelekowa in Brand steckten, ließ sich unten ein lautes Gespräch vernehmen. Der Vorsteher ging hinaus, um nach der Veranlassung desselben zu sehen, und da er den Eingang offen ließ, konnten wir jedes Wort vernehmen.

      »Wer ist da?« fragte er.

      »Was will er?« hörte ich eine andere Stimme in englischer Sprache fragen.

      »Er fragt, wer da ist,« antwortete ein dritter, gleichfalls englisch.

      »Was heißt türkisch: ich?«

      »Ben.«

      »Well! Ben!!!« rief es dann zum Wirte herauf.

      »Ben?« fragte dieser. »Wie ist dein Name?«

      »Was will er?« fragte dieselbe klappernde Stimme, die mir so außerordentlich bekannt war, daß ich vor Verwunderung über die Anwesenheit dieses Mannes aufgesprungen war.

      »Er fragt, wie Sie heißen.«

      »Sir David Lindsay!« rief er herauf.

      Im nächsten Augenblicke stand ich unten neben ihm im Flur. Ja, da lehnte er vor mir, beleuchtet vom Feuer des Herdes. Das war der hohe, graue Zylinderhut, der lange, dünne Kopf, der breite Mund, die Sierra-Morena-Nase, der bloße, dürre Hals, der breite Hemdkragen, der graukarierte Schlips, die graukarierte Weste,


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<p>22</p>

Porzellanschalen.

<p>23</p>

Salat aus zarten Pistazienblättern.

<p>24</p>

Ziegenbraten.

<p>25</p>

Wörtlich: Mühlsteine. Ein hohes, festes Gebäck in der runden Form der Mühlsteine.

<p>26</p>

Taube.

<p>27</p>

Fledermaus.