Im Lande des Mahdi II. Karl May

Im Lande des Mahdi II - Karl May


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sagte dir bereits, daß der Künstler ihn im Geiste gesehen hat. Es war eine Vision, und darum ist dieses Gewehr eine Visionsflinte.«

      »Ah, Visionsflinte; das ist gut, das ist einzig!«

      »Ja, einzig ist sie! Da hast du recht, vollständig recht, und es freut Mich, daß du endlich zur Einsicht gekommen bist. Es ist die einzige Visionsflinte, welche es giebt, und darum halte ich sie heilig und bin sehr stolz auf sie.«

      »Wie bist du denn zu ihr gekommen?«

      »Durch Erbschaft. Der Künstler hat sie auf Kind und Kindeskind vererbt. Du mußt wissen, daß ich sein Nachkomme bin und sie einst meinem ältesten Sohne vererben werde. Ja, sieh mich nur verwundert an! Ich bin in Wirklichkeit der Urenkelssohn des Urenkels eines Mannes, dem Allah die Gnade erteilte, den Propheten zu schauen, noch ehe derselbe geboren war.«

      »So bist du der berühmteste Mann deines Stammes, und ich freue mich nicht bloß, sondern es ist mir auch eine unschätzbare Ehre, dich kennen gelernt zu haben.«

      »Ja,« meinte er in vollstem Ernste, »es ist für jedermann eine Ehre, einen solchen Urenkel des Urenkels zu schauen. Ich bin gekannt, bis tief in den Sudan hinein, so weit es wahre Gläubige giebt, und mein Gewehr hat einen Ruf, welcher selbst in den Ländern der Heiden erschallt.«

      »So schießt es wohl auch gut?«

      »Leider nein. Es war Allahs Wille, daß, um die Vorzüge des Himmels zu erhöhen, auf dieser Erde nichts ganz vollkommen sein solle. Das ist auch in Beziehung auf meine Visionsflinte der Fall, wie ich leider der Wahrheit gemäß bekennen muß. Sie hat einige Eigenschaften, welche mein Herz mit Wehmut erfüllen.«

      »Ich kenne alle Arten der Gewehre und bin in der Behandlung derselben wohl erfahren. Wenn du mir die Fehler nennst, kann ich dir vielleicht einen Rat erteilen.«

      »Es sind ihrer mehrere. Zunächst hat das Gewehr die Eigenschaft eines wilden Ziegenbockes; es stößt entsetzlich. Es hat mir schon manche kräftige Maulschelle gegeben.«

      »Das ist freilich nicht hübsch. Du mußt es beim Schießen so anlegen, daß es dich nicht beohrfeigen kann.«

      »So stößt es mich wo anders hin, und das ist ganz dasselbe. Ferner schlingert es gewaltig.«

      »Schlingern? Was verstehst du unter diesem Ausdrucke?«

      »Damit meine ich, daß sich die Kugel nicht in gerader Richtung, sondern in Schlangenwindungen fortbewegt.«

      »Unmöglich!«

      »Effendi, zweifle nicht! Bei einer Visionsflinte ist alles möglich. Ich habe es genau beobachtet. Ich darf nie auf das Ziel halten, sondern je nach der Entfernung mehr nach rechts oder links oder höher oder tiefer.«

      »Die Flinte »schraubt« also, und es giebt, meines Wissens, kein anderes Mittel dagegen, als daß du einen neuen, bessern Lauf machen lässest.«

      »Wie kannst du mir das zumuten! Dadurch würde das kostbare Gewehr vollständig verschimpfiert. All ah bewahre mich vor einer solchen Missethat! Die Flinte muß bleiben, wie sie ist.«

      »So ist es überflüssig, mir ihre andern Eigenschaften auch noch aufzuzählen. Meiner Ansicht nach ist dasjenige Gewehr das beste, welches seinen Zweck am vollständigsten erfüllt.«

      »Das thut es ja! Mein Visionsgewehr beweist, daß mein Urahne den Propheten gesehen hat, und das ist vollständig genug.«

      »Wie es schießt, ist also Nebensache?«

      »Ja.«

      »Der Zweck des Schießens ist aber doch das Treffen!«

      »Du bist kein Moslem und kannst dich also nicht mit der nötigen Ehrfurcht in diese Flinte hineindenken.«

      »Nein, das kann ich nicht. Aber falls du in meiner Gegenwart einmal schießen solltest, so bitte ich dich, mein Leben zu schonen. Thue mir dann den Gefallen, auf mich zu zielen, da du mich dann sicherlich nicht treffen wirst!«

      »Spottest du etwa, Effendi! Ich sage dir, daß —«

      Er unterbrach sich, sprang auf und blickte, indem er mit der Hand die Augen beschattete, gegen Osten.

      »Was ist‘s?« fragte ich ihn. »Siehst du etwas?«

      , »Ja, ich bemerke einen Punkt über dem Grase, welcher vorher nicht vorhanden war. Es muß ein Reiter sein.«

      Nun stand ich auf, öffnete mein Fernrohr und gewahrte, durch dasselbe sehend, einen Mann, welcher auf einem Kamele saß und gerade auf den Brunnen zu geritten kam. Als er sich uns so weit genähert hatte, daß er uns sah, hielt er an, um uns zu betrachten; dann kam er herbei, blieb auf dem Kamele vor mir halten und grüßte:

      »Sallam aaleikum! Wirst du mir erlauben, Herr, mein Kamel aus diesem Bir atschahn zu tränken und auch meinen eigenen Durst zu stillen?«

      »Aaleikum sallam! Der Brunnen ist für jedermann da, und ich kann dich nicht hindern, zu thun, was dir beliebt.«

      Ich gab, ohne ihn willkommen zu heißen, diese kühle Antwort, weil er keinen sympathischen Eindruck auf mich machte. Er war wie ein gewöhnlicher Beduine gekleidet und mit Flinte, Messer und Pistole bewaffnet. Sein Gesicht hatte keineswegs abstoßende Züge, aber der scharfe, forschende, ja stechende Blick, mit dem er uns musterte, gefiel mir nicht. Auch mußte es mir, der ich gewohnt war, auf alles, selbst auf die geringste Kleinigkeit zu achten, auffallen, daß er sich mit seiner Frage an mich wendete. Die Asaker trugen die Uniform des Vicekönigs; ich aber war, wie auch der Führer, in Civil gekleidet. Es wäre also den Umständen nach für ihn geboten gewesen, sich an die Soldaten zu wenden. Dieser Umstand und sein suchender Blick erfüllten mich mit einem leisen Mißtrauen, welches auch späterhin nicht weichen wollte, sondern sich vielmehr vergrößerte.

      Er stieg ab und führte sein Kamel zur Seite, damit es grasen möge, nachdem. er ihm den Sattel abgenommen hatte. Dann schöpfte er sich Wasser, trank, setzte sich mir gegenüber und zog einen Tschibuk und einen Tabaksbeutel unter dem Haïk hervor. Nachdem er den ersteren gestopft und den Tabak angezündet hatte, reichte er mir den letzteren zu und sagte:

      »Nimm, Herr, und stopfe dir auch! Es ist die Pfeife des Grußes, welche ich dir biete.«

      »Deine Güte sei bedankt, ohne daß ich ihr entspreche,« antwortete ich ablehnend.

      »So rauchst du nicht? Gehörst du zu einer der strenggläubigen Sekten, deren Anhängern der Tabak verboten ist?«

      Sein Ton war derjenige eines Mannes, welcher zwar fragt, aber schon im voraus weiß, welche Antwort man ihm geben wird. Das fiel mir auf, und darum meinte ich fast noch zurückhaltender als vorher:

      »Ich rauche auch; aber nicht an dir, sondern an mir war es, den Gruß zu bieten. Der vorher Anwesende hat den später Kommenden zu empfangen; das ist überall die Regel, und hier in der Chala[3] wohl erst recht.«

      »Ich weiß es und bitte dich um Verzeihung. Ich besitze den Fehler, das Herz auf der Zunge zu haben. Du gefielst mir gleich beim ersten Blicke, und es trieb mich, dir dies durch das Angebot des Tabakes zu zeigen. Darf ich fragen, woher du mit diesen Asakern kommst?«

      »Darf ich vorher fragen, woher du weißt, daß ich zu ihnen gehöre?«

      »Ich vermute es.«

      »Dein Scharfblick ist bewundernswert; ich an deiner Stelle würde es nicht vermutet haben.«

      »So bist du wohl fremd in der Chala, während ich sie öfters durchreite.«

      »Nicht nur ich bin hier fremd, sondern auch die Asaker sind noch niemals hier gewesen. Um so anerkennenswerter ist es, daß deine Vermutung gleich das Richtige traf. Du hast mich zwar vorher gefragt, aber da ich mich vor dir hier befand, wird es dir also recht und billig erscheinen, wenn ich, bevor ich dir antworte, gern wissen möchte, wo du deine Reise angetreten hast.«

      »Ich habe keinen Grund, es zu verschweigen. In der Chala oder gar in der Wüste muß jeder wissen, wer der andere ist und was derselbe treibt. Ich komme aus EI Feky Ibrahim am Bahr el Abiad.«

      »Wo liegt das Ziel deiner Reise?«

      »Ich


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<p>3</p>

Gelände, grünende Steppe.