In den Schluchten des Balkan. Karl May

In den Schluchten des Balkan - Karl May


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aber jetzt bin ich überzeugt, daß es gelingen wird. Und dann – dann, dann werde ich mit diesem Boschak reden!«

      Er hatte die letzten Worte in beinahe drohendem Tone ausgesprochen. Der genannte Name frappierte mich. So hieß ja der Bäcker, zu dem ich wollte!

      »Boschak? Wer ist das?« fragte ich.

      »Ihr Vater.«

      »Warum sprechen Sie nicht eher mit ihm?«

      »Er wirft mich hinaus, wenn ich jetzt komme. Ich bin ihm zu arm, viel zu arm.«

      »Ist er denn reich?«

      »Nein. Aber sie ist das schönste Mädchen von Rumili.«

      Ich machte eine Armbewegung gegen die Sonne und sagte:

      »Heut ist es heiß!«

      »Hier ist es heiß!« antwortete er, mit der geballten Faust nach der Gegend drohend, in welcher ich das Dorf Dschnibaschlü vermutete. »Ich war bei ihrem Vater, aber er zeigte mir die Türe!«

      »Würde diese Schönste in Rumili Ihnen die Türe ebenso zeigen?«

      »Nein. Wir sehen uns ja des Abends und sprechen miteinander.«

      »Heimlich?«

      »Ja, denn anders geht es nicht.«

      »Was ist ihr Vater?«

      »Bäcker und Färber. Sie heißt Ikbala[33]

      »Welch ein schöner Name! Ich wünsche, daß er an Ihnen in Erfüllung gehen möge.«

      »Das wird geschehen, denn es ist Allahs Wille und auch der meinige. Die Mutter ist unsere Verbündete.«

      »Gott sei Dank!«

      »Ja. Sie wacht über uns, wenn wir zusammenkommen, während der Bäcker schläft. Allah möge ihr dafür ein langes Leben geben und Enkel die Hülle und die Fülle! Der Alte aber möge Knoblauch kauen und Tinte schlucken müssen, bis er sich entschlossen hat, mein Schwiegervater zu werden!«

      »Dann können Sie ihn als Tintenfaß benützen, wenn Ihr jetziger Vorrat ausgegangen ist und Sie also gezwungen sind, einen neuen Vorrat von Amuletts zu schreiben. Wo wohnt denn dieser wütende Vater einer so gepriesenen Tochter?«

      »In Dschnibaschlü.«

      »Das weiß ich. Aber in welchem Hause?«

      »Wenn Sie von dieser Richtung in das Dorf kommen, ist es das fünfte Haus zur rechten Hand. Vor der Türe hängt ein hölzerner Apfelkuchen, ein gelber Handschuh und ein roter Strumpf, zum Zeichen, daß Boschak Bäcker und auch Färber ist. Warum fragen Sie nach seiner Wohnung?«

      »Ich möchte diesen Tyrannen kennen lernen.«

      »Das ist sehr leicht.«

      »Wie so?«

      »Lassen Sie etwas bei ihm färben.«

      »Ich wüßte nicht, was. Ich müßte mir meinen Rappen blau färben lassen. Doch hätte ich auch keine Zeit, zu warten, bis er vollständig trocken wäre.«

      »So kaufen Sie sich Zuckerwerk bei ihm!«

      »Ist er denn auch Zuckerbäcker?«

      »Ja. Er bäckt alles.«

      »Doch nicht auch Strümpfe und Handschuhe! Eine Verwechslung der beiden Gewerbe kann ja vorkommen. Halt! Haben Sie etwas gehört?«

      Ich hielt mein Pferd an und lauschte.

      »Nein,« antwortete er.

      »Es war mir, als hätte ich einen fernen Ruf vernommen.«

      Auch er hielt still und horchte. Der eigentümliche Laut, den ich vernommen hatte, wiederholte sich.

      »Das klingt gerade, wie die Stimme eines eingemauerten Menschen!«

      »Nein,« erwiderte er. »Es ist ein Frosch, welcher schreit.«

      »Ich habe noch nie einen Frosch mit solcher Stimme gehört.«

      »So ist es eine Kröte. Ich habe oft Unken in dieser Weise schreien hören. Der Ruf kömmt dort links aus dem Dorngestrüppe, welches so niedrig ist, daß wir den Menschen sehen müßten, wenn einer darinnen stäke. Es ist ein Tier, nichts anderes. Und nun, hier geht mein Weg nach rechts. Ich muß scheiden.«

      »Darf ich nicht vorher Ihren Namen erfahren?«

      »Man nennt mich überall Ali den Buchhändler.«

      »Ich danke! Und wie weit ist es von Dschnibaschlü bis in Ihr Kabatsch?«

      »Ich reite es in drei Viertelstunden. Wollen Sie etwa dann nach Kabatsch?«

      »Möglich.«

      »So bitte ich Sie, zu mir zu kommen und sich mein Uhrwerk anzusehen. Vielleicht darf ich dann auch die Fragen aussprechen, welche ich jetzt unterlassen habe.«

      »Warum fragten Sie nicht?«

      »Darf man unhöflich sein?«

      »Ich habe mich doch auch nach Ihren Verhältnissen erkundigt!«

      »Sie dürfen das, denn Sie sind ein Anderer als ich. Sie sind ein Inkognito; das ist sicher!«

      Er lachte mich dabei so zuversichtlich an, daß auch ich laut lachen mußte.

      »Sie irren sich!«

      »O nein! Sie können zwar nicht reiten, aber das tut nichts. Sie sind vielleicht ein großer Gelehrter oder sonst ein Effendi aus dem kaiserlichen Hof, obgleich Sie ein Christ sind. Wären Sie ein Moslem, so hätten Sie meine Zettel mit der Fathha, mit dem Gruße beehrt. Aber ich weiß, daß der Großherr auch Christen bei sich hat, und da Sie kein Reiter sind, so ist der Rappe aus dem Stalle des Padischah geborgt. Habe ich recht?«

      »Nein.«

      »Gut; ich will schweigen.«

      »Daran handeln Sie klug. Können Sie mir Ihre Wohnung beschreiben?«

      »Sehr leicht. Es ist eigentümlicherweise grad so wie hier. Wenn Sie von Dschnibaschlü nach Kabatsch kommen, so ist es das fünfte Haus zur rechten Hand, in welchem ich wohne. Es ist nur eine kleine Hütte. Mein Vater war ein blutarmer Hirt. Die Mutter lebte noch, als ich nach Mekka pilgerte. Sie starb, und kurze Zeit später traf den Vater der Schlag. Jetzt kann er kein Glied bewegen und auch nicht sprechen, sondern nur lallen; dennoch betet er ohne Unterlaß, daß Allah ihn erlösen möge, damit er mir nicht länger zur Last falle. Ich aber bete heimlich zu der großen göttlichen Liebe, ihn mir noch lange, lange zu erhalten. Vater und Mutter hat man nur einmal. Sind sie gestorben, so hat der Kirchhof den besten Teil des Kindes empfangen, und keine Seele auf Erden meint es mit ihm wieder so gut und treu, wie die Hingeschiedenen. Einst, als ich noch klein war, da kam ein alter Mann in unsere Hütte und bat um Herberge. Er bekam ein Lager und Milch und Brot. Mehr hatten wir selbst nicht. Ich hatte etwas getan, was die Mutter erzürnte. Da nahm der alte Gast einen Zettel hervor und einen Bleistift. Er war ein römischer Katholik, und obgleich er die türkische Sprache nicht verstand, schrieb er mir einen Vers aus Ihrer Bibel auf, welches die heilige Schrift der Christen ist, und sagte mir, daß ich diese Worte auswendig lernen und stets befolgen und nie wieder vergessen solle. Ich habe diesen Zettel als Amulett bei mir getragen, bis er in Fetzen ging. Er ist zerrissen und verschwunden; aber die Worte sind mir im Gedächtnisse und im Herzen geblieben bis auf den heutigen Tag und werden auch da bleiben, bis der Engel des Todes zum großen Abschied ruft.«

      Ich war tief gerührt und fragte den Sahaf, dessen Augen feucht geworden waren:

      »Wie lauten diese Worte?«

      »Sie lauten: Bir göz zewklen-ar babaji, bir göz itaatetmez, kargalar onu kazar-lar yrmak jakinda, gendsch kartalar onu jutar-lar.«

      Das waren die Bibelworte: »Ein Auge, welches den Vater verspottet und sich weigert, der Mutter zu gehorchen, das werden die Raben am Bache aushacken und die jungen Adler fressen.«

      Wieder ein Beispiel von der unwiderstehlichen Macht des göttlichen Wortes, welches wirkt, wie »ein Hammer, der Felsen zerschmettert«. Wo hat der Kuran, wo haben die Vedas und wo hat (man verzeihe!) die Offenbarung


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<p>33</p>

Die Glückgebende.