Waldröschen II. Der Schatz der Mixtekas. Karl May
wie möglich, damit wir den Strom zwischen uns und die Komantschen bringen.«
Helmers konnte jetzt die beiden befreiten Frauen deutlich sehen und also genauer betrachten. Die eine war eine Spanierin und die andere eine Indianerin, aber beide von ausgezeichneter Schönheit.
»Können Sie den Ritt noch aushalten, Señorita?« fragte er die erstere. – »So lange, als Sie wollen«, antwortete sie. – »Wie soll ich Sie nennen?« – »Mein Name ist Emma Arbellez. Und der Ihrige?« – »Ich heiße Helmers.« – »Helmers? Das klingt deutsch.« – »Ich bin auch wirklich ein Deutscher.« – »Woher?« – »Aus Mainz.« – »Ah, haben Sie Verwandte dort, die ebenso heißen?« – »Einen Bruder.« – »Ist er Steuermann?«
Helmers blickte ganz erstaunt zu ihr hinüber.
»Allerdings.« – »Den kenne ich.« – »Woher?« – »Ich bin mit ihm gefahren.« – »Das wäre ja ein wunderbares Zusammentreffen!« – »Ja. Ich ging mit dem Vater nach dem Kontinent. Wir mußten eines Sturmes wegen auf Helena landen, um ein Leck auszubessern. Dort lag auch die ›Jeffrouw Mietje‹ … – »Ja, das ist sein Schiff.« – »Und Kapitän Dangerlahn nahm uns mit nach Hull.«
Dieses abgerissene Zwiegespräch war von einem Pferd herab zum anderen hinüber während des eiligsten Ritts geführt worden. Jetzt ergriff der Deutsche den Zügel der Spanierin.
»Wollen Sie sich mir anvertrauen?« – »Gern.« – »Auch auf dem Wasser, ganz so wie meinem Bruder?« – »Ja. Werden wir denn Wasser haben?« – »Wir müssen über den Fluß.« – »Wird uns das gelingen?« – »Ich hoffe es. Leider sind nur drei von uns bewaffnet; doch liegen dort am Rio Grande noch die übrigen Waffen, die wir gestern den Komantschen abgenommen haben.« – »Sie haben schon gestern gekämpft?« – »Ja. Wir trafen den Vaquero und hörten von ihm das Nähere. Wir erlegten seine Verfolger und beschlossen, auch Sie zu befreien.« – »Zwei Männer gegen so viele?«
Es traf Helmers ein leuchtender Blick aus ihren dunklen Augen, und er bemerkte, daß diese mit Wohlgefallen an seiner stattlichen Gestalt herabglitten, damit aber war auch die Unterredung beendet.
Als die fliehende Truppe den Rio Grande erreichte, hatte sie die Verfolger so weit hinter sich gelassen, daß man sie ganz aus den Augen verloren hatte. Die Waffen der erschossenen Indianer lagen noch hier und wurden unter diejenigen verteilt, die unbewaffnet waren. Die vier männlichen Geretteten waren drei Vaqueros und ein Majordomo oder Hausmeister.
»Was tun wir?« fragte der letztere. »Erwarten wir die Indianer hier, um ihnen einen Denkzettel zu geben? Wir haben jetzt acht Gewehre.« – »Nein, wir setzen über. Drüben haben wir den Fluß als Verteidigungslinie vor uns. Die Damen nehmen im Kanu Platz.«
So geschah es. Der Majordomo ruderte die Damen hinüber, während die anderen zu Pferde in das Wasser gingen. Es ging alles ganz glücklich vonstatten. Und als man drüben anlangte, wurde das Kanu versenkt und Anstalt zur Verteidigung getroffen. Dabei hielt sich Emma Arbellez immer an der Seite des Deutschen.
»Warum reiten wir nicht sofort weiter, Señor?« fragte sie. – »Die Klugheit verbietet uns das«, antwortete er. »Wir haben einen Feind hinter uns, der uns an Zahl bedeutend überlegen ist.« – »Aber acht Gewehre«, meinte sie mutig. – »Gegen fünfzig, die der Feind hat. Bedenken Sie, daß wir Damen zu beschützen haben.« – »So meinen Sie, wir wollen uns hier belagern lassen?« – »Nein. Die Komantschen glauben sicher, daß wir nach unserem Übergang sofort weitergeritten sind. Sie werden also auch sogleich in das Wasser gehen, und wenn ihrer genug im Fluß sind, können wir ihre Zahl derart lichten, daß sie von der Verfolgung ablassen müssen.« – »Wenn sie nun aber vorsichtig sind?« – »Inwiefern?« – »Erst Kundschafter herüberzuschicken?« – »Hm, wahrhaftig, es ist möglich, daß sie das tun.« – »Welche Maßregeln werden Sie dagegen treffen?« – »Wir reiten weiter und kehren auf einem Umweg zurück. Vorwärts also, ehe sie kommen.«
Man stieg wieder zu Pferde und sprengte in vollster Karriere in die jenseitige Ebene hinein. Dort schlug man einen Bogen und kehrte zurück. Man erreichte den Fluß etwas oberhalb der Stelle, wo man übergesetzt hatte. Das war kaum geschehen, so ließ sich drüben lauter Hufschlag hören.
»Sie kommen«, sagte der Majordomo. – »Haltet den Pferden die Nüstern zu, damit sie nicht wiehern!« rief Helmers.
Das kluge Mädchen hatte doch richtig geahnt. Die Komantschen suchten drüben die Spuren ab, und dann ritten zwei von ihnen vorsichtig in den Fluß, kamen herüber, suchten auch hier und fanden die Fährte, die weiterführte.
»Ni-uake, mi ua o-o, ni esh miushyame – hier sehen wir sie, ihr könnt kommen!« riefen sie hinüber.
Auf diese Aufforderung ging der ganze Trupp, ein Mann nach dem anderen, in das Wasser. Der Fluß war so breit, daß der erste Komantsche das eine Ufer noch nicht erreicht hatte, als der letzte das andere verließ. Die Flüchtlinge lagen in dem Gebüsch versteckt. Jetzt war es Zeit für sie.
»Wohin zielen wir?« fragte der Majordomo. – »Auf die ersten im Wasser. Die beiden, die bereits drüben halten, sind uns sicher.« – »Nur nicht zwei auf einen Mann schießen!« warnte der Apache. Zählt allemal acht ab. Wir schießen so auf sie in der Reihe, wie wir hier in der Reihe stehen.« – »Gut, vortrefflich«, sagte Helmers. »Fertig?« – »Ja«, flüsterte es achtfach als Antwort. – »Dann Feuer!«
Die acht wohlgezielten Schüsse krachten in demselben Augenblick, ein einziger Kanonenschlag, und die acht vordersten Komantschen versanken im Wasser. Der Deutsche und der Apache hatten Doppelbüchsen, sie drückten ihre zweiten Läufe ab und ließen noch zwei Feinde versinken.
»Schnell wieder laden!« rief Helmers.
Es war wunderbar, ja fast lächerlich anzusehen, welche Wirkung die Salve auf die Überlebenden hervorbrachte. Die Komantschen rissen die Pferde herum und schwammen wieder dem entgegengesetzten Ufer zu. Viele von ihnen glitten vorsichtig von den Tieren herab und schwammen neben denselben, um sich durch sie decken zu lassen. Die zwei aber, die bereits am diesseitigen Ufer waren, zeigten sich als die Besorgtesten, aber auch – Unvorsichtigsten. Sie rissen nämlich ihre Büchsen herab und kamen im Galopp herbeigesprengt. Sofort zog der Deutsche den Revolver und schlich ihnen hinter dem Buschwerk entgegen. Sie sahen ihn nicht, und eben, als sie an der Stelle, wo er sich befand, vorüber wollten, drückte er ab, worauf sie tot vom Pferd stürzten.
»Holla, noch zwei geladene Gewehre!« gebot Helmers. – »Die sind für uns«, antwortete Emma Arbellez. – »Können Sie schießen?« – »Alle beide!« – »Dann schnell!«
Helmers sprang dahin zurück, wo er seine Doppelbüchse verborgen hatte, und die beiden Damen ergriffen die Gewehre der zwei Komantschen. Das alles war so schnell gegangen, daß seit der ersten Salve bis jetzt kaum eine Minute vergangen war. Man hatte nun wieder geladen, und gleich darauf ertönte der Kommandoruf:
»Feuer!«
Die Feinde, die das jenseitige Ufer noch nicht wieder erreicht hatten, erhielten jetzt eine Salve aus acht einfachen und zwei Doppelgewehren, fast alle Schüsse gut gezielt. Mehrere Verwundete wurden vom Fluß abwärts getrieben, und mehrere Unverletzte stellten sich tot, indem auch sie sich abwärts treiben ließen, um so die Verteidiger zu täuschen und den Kugeln zu entgehen.
»Laßt euch nicht betrügen!« rief Helmers. »Schnell laden und diesen Schuften längs des Ufers nach! Wer nicht untergeht, der hat noch Leben!«
Man gehorchte seinen Worten, und bald hatten die Komantschen weit über zwanzig Tote verloren. Sie steckten nun drüben im Gebüsch und getrauten sich nicht wieder hervor.
»Jetzt mag es genug sein!« sagte endlich der Deutsche. – »Sie werden uns nicht weiter verfolgen«, meinte auch der Apache. »Diese Hunde von Komantschen haben kein Hirn in ihren Schädeln.«
Dann wandte Helmers sich mit folgenden Worten an die Damen:
»Ich danke Ihnen für den Beistand, den Sie uns geleistet haben, Señoritas. Ich hatte keine Ahnung davon, daß Sie schießen wie ein Westmann.« – »Man ist in unseren einsamen Gegenden gezwungen, diese Fertigkeit sich anzueignen«, entgegnete Emma. »Denken Sie wirklich, daß wir jetzt