Waldröschen IV. Matavese, der Fürst des Felsens. Teil 2. Karl May
mich nicht, vielleicht bin ich schöner als sie.« – »Möglich, aber nicht wahrscheinlich.« – »Und reicher.« – »Ist gleichgültig.« – »Von edlerer Geburt und besserem Charakter.« – »Das ist unmöglich.« – »Ihr würdet mich sicher lieben.« – »Ich würde Euch hassen und mich verachten, daß ich meinen Schwur gebrochen habe.«
Sie schien eine ganze Weile nachzusinnen, dann bat sie mit sanfter Stimme:
»Gebt mir einmal Eure Hand.« – »Hier.«
Sie ergriff seine Hand und schob sie unter den Mantel.
»Greift an mein Herz, Señor«, bat sie, »Und fühlt, wie es für Euch schlägt!« – »Caramba, was fällt Euch ein!« rief er da. »Euren Mantel will ich wohl angreifen, aber nichts weiter. Sprecht um Gottes willen nicht davon, daß Ihr ein braves, ehrliches Mädchen seid.«
Nun zuckte sie zusammen und antwortete in halb zornigem Ton:
»Ich bin es! Was ich tue, das tue ich nur, weil ich Euch glühend liebe.« – »So tut Ihr mir leid, denn ich kann Euch wahrlich nicht helfen.« – »So werde auch ich Euch nicht helfen.«
Sie sprach das in einem Ton, der seine Aufmerksamkeit erregte.
»Ich wüßte auch nicht, in welcher Angelegenheit Ihr mir helfen wolltet«, sagte er. – »Oh, in einer höchst wichtigen«, versetzte sie. – »Ah! Darf ich es wissen?« – »Ja. Ihr nennt Euch Alfred de Lautreville, aber Ihr seid es nicht.«
Er stutzte und fragte:
»Wer bin ich denn?« – »Euer richtiger Name würde Alfonzo de Rodriganda sein.«
Da faßte er sie schnell beim Arm, bog sich zu ihr herab und sagte:
»Weib, was sprichst du da? Woher weißt du das? Wer bist du?«
Sie ließ sich den scharfen Druck seiner Hand gefallen, ohne ein Wort des Schmerzes auszustoßen, denn dieser Schmerz war ihr eine Wonne, aber sie antwortete:
»Das fragt Ihr mich vergebens.« – »Du mußt es sagen.« – »Ich muß? Wer will mich zwingen?« – »Ich.« – »Womit?« – »Ich werde erfahren, wer du bist.« – »Ihr habt geschworen, mir die Maske zu lassen, und wie Ihr der Geliebten den Schwur haltet, werdet Ihr Euer Wort auch mir halten.«
Jetzt ließ er ihren Arm los und sagte:
»Ihr habt recht, ich halte mein Wort. Also Ihr wißt, wer ich eigentlich sein sollte?« – »Ja, und niemand weiß es besser als ich. Ich weiß es besser als Euer Kapitän, als Euer Sternau, als Euer Kapitän Landola, ich weiß es besser als alle, alle, alle.« – »Und du willst es mir nicht sagen?« – »Nein. Nur dem Geliebten würde ich es sagen. Verlasse dein Mädchen.« – »Nie!« – »Ist dir diese Amy wirklich lieber als eine Grafschaft?« fragte sie zornig. – »Tausendmal lieber. Aber woher kennst du den Namen Amy?« – »Das geht dich nichts an. Überlege dir, was du tust! Ich gebe dir eine Bedenkzeit von zehn Minuten. Es handelt sich nicht nur um dich, sondern auch noch um andere. Vielleicht lebt dein Vater noch und ebenso dein Oheim Ferdinando.«
Mariano fuhr empor.
»Weib, bist du allwissend?« rief er erschreckt. – »In deiner Angelegenheit bin ich es. Ich habe alle Macht in meiner Hand. Es kostet mich nur ein einziges Wort, dich zu erhöhen oder zu verderben. Ich liebe dich, ich will dich besitzen, und darum biete ich dir alles für deine Liebe.« – »Du bietest mir dies alles umsonst mein Herz ist nicht mein Eigentum, ich kann es nicht verschenken.« – »So verkaufe es.« – »Was ich nicht verschenken darf, darf ich auch nicht verkaufen.«
Sie hatte bis jetzt verhältnismäßig ruhig gesprochen, jetzt aber, als sie sah, daß all ihr Bitten und Drohen erfolglos sei, erhob sie sich und sagte mit vor Aufregung zitternder Stimme:
»Ich habe dir die Wahl gelassen zwischen Liebe und Haß, Glück und Unglück, Himmel und Hölle. Wenn du mich annimmst, bist du innerhalb einer Woche hier als Graf Alfonzo anerkannt. Verstößt du mich, so soll deine Seele schreien und brüllen vor Schmerz. Die Bedenkzeit ist abgelaufen, jetzt wähle!«
Auch er erhob sich.
»Ich bleibe meinem Wort treu«, sagte er ruhig und bestimmt. – »Ist dies dein letztes Wort?« – »Mein letztes.«
Jetzt zitterte sie vor Eifersucht, Grimm und Rachgier und sagte: »So bist du verloren, du und deine Amy.« Und dennoch fügte sie hinzu. »Entscheide dich noch einmal, entscheide dich anders.« – »Ich kann nicht anders.« – »So sei verflucht, verliebter Tor! Du sollst und wirst mich kennenlernen.« – »Ich kenne dich bereits, ich brauche dir die Larve nicht vom Gesicht zu reißen. Was du weißt, kann nur eine wissen, und was du sprichst das kann nur eine sprechen. Du bist Josefa Cortejo, die Tochter des Mörders und Betrügers.«
Die Maske hatte bereits im Begriff gestanden zu gehen, jetzt aber drehte sie sich schnell um und sagte:
»Ihr irrt, Señor. Ich habe mit dieser Josefa Cortejo nichts gemein.« – »O doch! Du hast alles mit ihr gemein, alles, selbst die Schönheit, mit der du mich anführen wolltest. Packe dich fort von hier!«
Das war der schlimmste Schlag für sie. Sie blieb einen Augenblick stehen.
»Wurm!« knirschte sie. »Zittre! Wenn du nur wüßtest, wer ich bin, so würdest zu erkennen, daß du in meine Hand gegeben bist.« – »Pah!« lachte er. »Sei froh, daß ich dir mein Wort gegeben habe, sonst würde ich dir die Larve vom Gesicht reißen!«
Da ertönte neben ihm eine Stimme:
»Ich werde es tun, denn ich habe ihr mein Wort nicht gegeben.«
Im nächsten Augenblick kam eine Maskengestalt hinter der Mauer hervor und schoß auf das Mädchen zu. Josefa erkannte, in welcher Gefahr sie sich befand. Sie griff unter den Mantel und zog einen Dolch hervor. Die Klinge desselben fuhr in die Hand, die nach ihr greifen wollte, und während der Lord einen Laut des Schmerzes ausstieß und die Hand schnell an sich zog, huschte das Mädchen fort und verschwand einige Augenblicke später unter der Menge der anderen Masken.
»Alle Teufel, sie hatte einen Dolch«, sagte Lindsay, sein Taschentuch ziehend, um damit das Blut zu stillen. – »Wer seid Ihr, Señor?« fragte Mariano ihn. —»Ein Freund von Euch.«
Die Stimme klang hinter der Larve so dumpf, daß Mariano sie nicht erkannte.
»Und Ihr habt unser Gespräch belauscht?« – »Von Anfang bis zu Ende.« – »Ohne Euch zu entfernen?« – »Ohne davonzulaufen. Ich kam ja zu dem Zweck her, Euch zu belauschen.« – »So seid Ihr ein Schuft.« – »Meinetwegen.« – »Und verdient eine derbe Züchtigung.« – »Ganz richtig.« – »Ich verlange, daß Ihr die Larve abnehmt.« – »Warum?« – »Weil ich sehen will, wer der Schurke ist, der sich herumschleicht, um die Geheimnisse anderer zu belauschen.« – »Das könnt Ihr leicht haben.«
Der Lord nahm die Larve ab und hielt Mariano sein Gesicht entgegen. Mariano erkannte ihn trotz der Dunkelheit, er erschrak auf das heftigste.
»Mylord«, rief er, »Sie sind es! Verzeihung.« – »Pah, ich bin es, dem verziehen werden muß«, entgegnete Lindsay. »Verzeihen Sie mir, daß ich Sie belauscht habe?« – »Gern, Mylord. Jeden anderen aber hätte ich gezüchtigt.« – »Das glaube ich Ihnen, Sie sind ein verteufelter Kerl! Sie steckten da in einer gewaltigen Klemme, dieses Frauenzimmer hat Ihnen die Hölle heiß gemacht. Glauben Sie wirklich, daß es die Tochter des Cortejo ist?« – »Sie war es ganz sicher.« – »Auch ich bin überzeugt davon. Leider habe ich sie nicht gefangen, und nun können wir ihr nichts nachweisen, trotz des Geständnisses, das sie Ihnen gemacht hat. Binden Sie mir doch einmal das Tuch um die Hand, ich habe eine Schmarre davongetragen.«
Mariano verband die Wunde, dann nahm der Lord die Larve wieder vor, steckte seinen Arm in den des jungen Mannes und zog diesen mit sich fort.
Mariano folgte ihm mit einem Gefühl des Glücks. Lindsay hatte alles gehört; er wußte nun genau, wie lieb er Amy hatte, und dieser Gedanke gab Mariano die Hoffnung, daß den Wünschen seines Herzens von jetzt an wenigstens keine unüberwindlichen Schwierigkeiten entgegenstehen würden.
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Sternau