Winnetou 1. Karl May

Winnetou 1 - Karl May


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Breite angekommen sind.«

      Ich lauschte nicht weiter, sondern ging wieder zurück und durch ein Buschwerk, um mich den drei Jägern von einer andern Seite zu nähern. Sie durften nicht erfahren, daß ich gehört hatte, was ich doch nicht hören sollte.

      Es wurde ein Feuer angebrannt, neben welchem zwei Gabeläste in die Erde gesteckt wurden. Sie gaben die Unterlage für den Bratspieß, der aus einem starken, geraden Aste bestand. Die drei befestigten an ihm die ganze Lende, und dann begann Sam Hawkens den Spieß langsam und mit künstlerischem Verständnisse zu drehen. Das wonnevolle Gesicht, welches er dabei machte, machte mir heimlich Spaß.

      Als die Andern mit dem Fleische zurückkehrten, folgten sie unserm Beispiele, indem sie sich auch einige Feuer anbrannten. Freilich ging es da bei ihnen nicht so ruhig und friedlich her wie bei uns. Da jeder für sich braten wollte, so mangelte es an Platz, und die Folge war, daß sie ihre Portionen halb roh verzehrten.

      Ich bekam wirklich das beste Stück; es mochte drei Pfund wiegen, und ich aß es auf. Man halte mich ja nicht infolgedessen für einen Vielesser; ich habe im Gegenteile immer weniger gegessen als Andere, die sich in meinen Verhältnissen befanden; aber es ist für Einen, der es nicht weiß oder nicht selbst erlebt und mitgemacht hat, kaum zu glauben, was für Fleischmengen ein Westmann zu sich nehmen kann und auch zu sich nehmen muß, wenn er bestehen will.

      Der Mensch braucht zu seiner Ernährung außer den anorganischen Stoffen eine gewisse Menge von Eiweiß und von Kohlenstoff und vermag sich beides gar wohl in der richtigen Mischung zu verschaffen, wenn er in einer zivilisierten Gegend lebt. Der Westmann, welcher viele Monate lang in keine bewohnte Gegend kommt oder kam, lebte nur vom Fleische, welches wenig Kohlenstoff enthält; er mußte also große Portionen essen, um seinem Körper die notwendige Menge Kohlenstoff zuzuführen. Daß er dabei unnötig viel Eiweiß genoß, welches seiner Ernährung nicht zugute kam, mußte ihm gleichgültig sein. Ich habe einen alten Trapper acht Pfund Fleisch auf einmal essen sehen, und als ich ihn dann fragte, ob er satt sei, antwortete er schmunzelnd:

      »Muß es wohl sein, denn ich habe nicht mehr; wenn Ihr mir aber ein Stück von dem Euren geben wollt, so sollt Ihr nicht ewig zu warten brauchen, bis Ihr es nicht mehr seht.«

      Während des Essens unterhielten sich unsere »Westmänner« von unserer Büffeljagd. Sie hatten, wie ich hörte, als sie die beiden Bullen sahen, denn doch einen andern Begriff von der »Dummheit« erhalten, die ich begangen haben sollte.

      Am andern Morgen tat ich, als ob ich an die Arbeit gehen wolle; da kam Sam zu mir und sagte:

      »Laßt Eure Instrumente nur immer liegen, Sir; es gibt etwas zu tun, was interessanter ist.«

      »Was?«

      »Werdet es erfahren. Macht Euer Pferd fertig; wir reiten aus.«

      »Spazieren? Da geht die Arbeit vor!«

      »Pshaw! Habt Euch genug geplagt. Ich denke übrigens, daß wir schon zu Mittag zurück sein werden. Dann könnt Ihr meinetwegen messen und rechnen, so viel Ihr wollt.«

      Ich machte Bancroft die nötige Mitteilung, und dann ritten wir fort. Sam tat unterwegs sehr geheimnisvoll, und ich sagte ihm nicht, daß ich seine Absicht bereits kannte. Der Ritt ging auf der von uns vermessenen Strecke zurück, bis wir die Prairie erreichten, welche Sam gestern bezeichnet hatte.

      Sie war wohl zwei englische Meilen breit und doppelt so lang und wurde von bewaldeten Höhen umrandet. Da sie von einem ziemlich breiten Bach durchflossen wurde, gab es Feuchtigkeit genug und infolgedessen einen saftigen Graswuchs. Im Norden konnte man zwischen zwei Bergen hervor auf diese Prairie gelangen, und im Süden endete sie in einem Tale, welches nach dieser Richtung weiterführte. Als wir hier angelangt waren, blieb Hawkens halten und überflog die Ebene mit einem forschenden Blicke; dann ritten wir weiter, nordwärts und am Bache hin. Plötzlich stieß er einen Ruf aus, parierte sein Pferd, welches freilich nicht das seinige, sondern ein geborgtes war, stieg ab, sprang über den Bach und ging auf eine Stelle zu, wo das Gras niedergetreten war. Er untersuchte den Ort, kam zurück, stieg wieder in den Sattel und ritt weiter, doch nicht wie bisher in nördlicher Richtung, sondern er bog von dieser in einem rechten Winkel ab, so daß wir nach kurzer Zeit den westlichen Rand der Prairie erreichten. Hier stieg er wieder ab und ließ sein Pferd grasen, band es aber sorgfältig an. Seit er die Spur untersucht hatte, war kein Wort aus seinem Munde gekommen, aber über sein bärtiges Gesicht war der Ausdruck der Zufriedenheit ausgebreitet wie Sonnenschein über eine waldige Gegend. Jetzt forderte er mich auf:

      »Steigt auch ab, Sir, und bindet Euer Pferd fest an! Wir werden hier warten.«

      »Warum fest anbinden?« fragte ich, obgleich ich es recht gut wußte.

      »Weil Ihr es sonst leicht verlieren könntet. Habe wiederholt gesehen, daß die Pferde bei solchen Gelegenheiten durchgegangen sind.«

      »Was für Gelegenheiten?«

      »Ahnt Ihr das nicht?«

      »Hm!«

      »Ratet einmal!«

      »Mustangs?«

      »Wie kommt Ihr darauf?« fragte er, indem er mich rasch und verwundert anblickte.

      »Weil ich es gelesen habe.«

      »Was?«

      »Daß die zahmen Pferde, wenn sie nicht fest angebunden werden, gern mit den wilden Mustangs durchgehen.«

      »Hol Euch der Teufel! Alles habt Ihr gelesen, und da ist es nicht gut möglich, Euch zu überraschen. Da lobe ich mir die Leute, welche gar nicht lesen können!«

      »Wollt Ihr mich überraschen?«

      »Natürlich.«

      »Mit einer Mustangjagd?«

      »Ja.«

      »Das würde nicht gut möglich sein. Eine Ueberraschung setzt doch voraus, daß man nicht vorher unterrichtet ist; Ihr aber hättet es mir, ehe die Pferde kommen, sagen müssen.«

      »Das ist richtig, hm! Also hört, die Mustangs sind schon dagewesen.«

      »War das vorhin ihre Spur?«

      »Ja; sie sind gestern hier durch. Es war ein Vortrab, wißt Ihr, so die Kundschafter. Ich muß Euch nämlich sagen, daß diese Tiere ungeheuer klug sind. Sie senden immer kleine Trupps voraus und nach den Seiten. Sie haben ihre Offiziere, grad wie das Militär, und der Hauptanführer ist stets ein erfahrener, starker und mutiger Hengst. Mögen sie weiden oder sich in Bewegung befinden, stets wird die Peripherie der Herde von den Hengsten gebildet; dann folgen nach innen die Stuten, und ganz in der Mitte befinden sich die Jungen. Dies geschieht darum, daß die Hengste die Stuten und Füllen verteidigen können. Ich habe Euch schon wiederholt beschrieben, wie man einen Mustang mit dem Lasso fängt. Habt Ihr es Euch gemerkt?«

      »Selbstverständlich.«

      »Habt Ihr Lust, einen zu fangen?«

      »Ja.«

      »Dann werdet Ihr heute vormittag Gelegenheit dazu finden, Sir.«

      »Danke! Ich werde sie nicht benutzen.«

      »Nicht? All devils! Warum nicht?«

      »Weil ich kein Pferd brauche.«

      »Aber, ein Westmann fragt doch nicht danach, ob er ein Pferd braucht oder nicht!«

      »Dann ist er keineswegs so, wie ich mir einen braven Westmann vorstelle.«

      »Wie soll er denn sein?«

      »Ihr habt gestern von Aasjägern gesprochen, von Weißen, welche die Büffel in Masse töten, ohne daß sie ihr Fleisch brauchen. Ich halte das für eine Versündigung an den Tieren und an den roten Menschen, denen dadurch Ihre Nahrung geraubt wird. Ihr doch auch?«

      »Freilich!«

      »Grad so ist‘s auch mit den Pferden. Ich mag keinem dieser herrlichen Mustangs die Freiheit rauben, ohne mich damit entschuldigen zu können, daß ich ein Pferd brauche.«

      »Das ist brav gedacht, Sir, sehr brav. Grad so, wie Ihr denkt und redet, muß jeder Mensch und Christ denken, reden und handeln. Aber wer hat denn gesagt, daß Ihr einem Mustang die


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