Im Winter. Georg Trakl
Platz vor der Kirche ist finster und schweigsam, wie in den Tagen der Kindheit.
Auf silbernen Sohlen gleiten frühere Leben vorbei
Und die Schatten der Verdammten steigen zu den seufzenden Wassern nieder.
In seinem Grab spielt der weiße Magier mit seinen Schlangen.
Schweigsam über der Schädelstätte öffnen sich Gottes goldene Augen.
Die Ratten
Im Hof scheint weiß der herbstliche Mond.
Vom Dachrand fallen phantastische Schatten.
Ein Schweigen in leeren Fenstern wohnt;
Da tauchen leise herauf die Ratten.
Und huschen pfeifend hier und dort
Und ein gräulicher Dunsthauch wittert
Ihnen nach aus dem Abort,
Den geisterhaft der Mondschein durchzittert.
Und sie keifen vor Gier wie toll
Und erfüllen Haus und Scheunen,
Die von Korn und Früchten voll.
Eisige Winde im Dunkel greinen.
Ballade
Ein Narre schrieb drei Zeichen in Sand,
Eine bleiche Magd da vor ihm stand.
Laut sang, o sang das Meer.
Sie hielt einen Becher in der Hand,
Der schimmerte bis auf zum Rand,
Wie Blut so rot und schwer.
Kein Wort ward gesprochen – die Sonne schwand,
Da nahm der Narre aus ihrer Hand
Den Becher und trank ihn leer.
Da löschte sein Licht in ihrer Hand,
Der Wind verwehte drei Zeichen im Sand —
Laut sang, o sang das Meer.
Im Osten
Den wilden Orgeln des Wintersturms
Gleicht des Volkes finstrer Zorn,
Die purpurne Woge der Schlacht,
Entlaubter Sterne.
Mit zerbrochnen Brauen, silbernen Armen
Winkt sterbenden Soldaten die Nacht.
Im Schatten der herbstlichen Esche
Seufzen die Geister der Erschlagenen.
Dornige Wildnis umgürtet die Stadt.
Von blutenden Stufen jagt der Mond
Die erschrockenen Frauen.
Wilde Wölfe brachen durchs Tor.
Herbstseele
Jägerruf und Blutgebell;
Hinter Kreuz und braunem Hügel
Blendet sacht der Weiherspiegel,
Schreit der Habicht hart und hell.
Über Stoppelfeld und Pfad
Banget schon ein schwarzes Schweigen;
Reiner Himmel in den Zweigen;
Nur der Bach rinnt still und stad.
Bald entgleitet Fisch und Wild.
Blaue Seele‘ dunkles Wandern
Schied uns bald von Lieben, Andern.
Abend wechselt Sinn und Bild.
Rechten Lebens Brot und Wein,
Gott in deine milden Hande
Legt der Mensch das dunkle Ende,
Alle Schuld und rote Pein.
Elis
Vollkommen ist die Stille dieses goldenen Tags.
Unter alten Eichen
Erscheinst du, Elis, ein Ruhender mit runden Augen.
Ihre Bläue spiegelt den Schlummer der Liebenden.
An deinem Mund
Verstummten ihre rosigen Seufzer.
Am Abend zog der Fischer die schweren Netze ein.
Ein guter Hirt
Führt seine Herde am Waldsaum hin.
O! wie gerecht sind, Elis, alle deine Tage.
Leise sinkt
An kahlen Mauern des Ölbaums blaue Stille,
Erstirbt eines Greisen dunkler Gesang.
Ein goldener Kahn
Schaukelt, Elis, dein Herz am einsamen Himmel.
Ein sanftes Glockenspiel tönt in Elis‘ Brust —.
Am Abend,
Da sein Haupt ins schwarze Kissen sinkt.
Ein blaues Wild
Blutet leise im Dornengestrüpp.
Ein brauner Baum steht abgeschieden da;
Seine blauen Früchte fielen von ihm.
Zeichen und Sterne
Versinken leise im Abendweiher.
Hinter dem Hügel ist es Winter geworden.
Blaue Tauben Trinken nachts den eisigen Schweiß,
Der von Elis‘ kristallener Stirne rinnt.
Immer tönt
An schwarzen Mauern Gottes einsamer Wind.
Menschliche Trauer
Die Uhr, die vor der Sonne fünfe schlägt —
Einsame Menschen packt ein dunkles Grausen.
Im Abendgarten morsche Bäume sausen;
Des Toten Antlitz sich am Fenster regt.
Vielleicht daß diese Stunde stillesteht.
Vor trüben Augen nächtige Bilder gaukeln
Im Takt der Schiffe, die am Flusse schaukeln;
Am Kai ein Schwesternzug vorüberweht.
Es scheint, man hört der Fledermäuse Schrei,
Im Garten einen Sarg zusammenzimmern.
Gebeine durch verfallne Mauern schimmern
Und schwärzlich schwankt ein Irrer dort vorbei.
Ein blauer Strahl im Herbstgewölk erfriert.
Die Liebenden im Schlafe sich umschlingen,
Gelehnet an der Engel Sternenschwingen,
Des Edlen bleiche Schläfe Lorbeer ziert.
Rondel
Verflossen ist das Gold der Tage,
Des Abends braun und blaue Farben:
Des Hirten sanfte Flöten starben
Des Abends blau und braune Farben
Verflossen ist das Gold der Tage.
Klage
Schlaf und Tod, die düstern Adler
Umrauschen nachtlang