Allgemeines burgerliches Gesetzbuch (ABGB). Österreich
Äußerungs- und Vertretungsrecht
§ 189.
(1) Ein nicht mit der Obsorge betrauter Elternteil
1. ist durch die mit der Obsorge betraute Person von wichtigen Angelegenheiten, insbesondere von beabsichtigten Maßnahmen nach § 167 Abs. 2 und 3, rechtzeitig zu verständigen und kann sich hiezu in angemessener Frist äußern,
2. hat den mit der Obsorge betrauten Elternteil in Angelegenheiten des täglichen Lebens zu vertreten sowie das Kind zu pflegen und zu erziehen, soweit das die Umstände erfordern und sich das Kind rechtmäßig bei ihm aufhält.
Eine Äußerung nach Z 1 ist in jedem Fall zu berücksichtigen, wenn der darin ausgedrückte Wunsch dem Wohl des Kindes besser entspricht.
(2) Wenn der nicht mit der Obsorge betraute Elternteil bei der Wahrnehmung seiner Rechte und Pflichten nach Abs. 1 das Wohl des Kindes gefährdet oder diese Rechte rechtsmissbräuchlich oder in einer für den anderen Elternteil oder das Kind nicht zumutbaren Weise in Anspruch nimmt, hat das Gericht diese Rechte auf Antrag, sofern das Wohl des Kindes gefährdet wird, auch von Amts wegen, einzuschränken oder zu entziehen. Die Rechte nach Abs. 1 entfallen, wenn der mit der Obsorge nicht betraute Elternteil grundlos das Recht des Kindes auf persönliche Kontakte ablehnt.
(3) Finden trotz Bereitschaft des nicht mit der Obsorge betrauten Elternteils persönliche Kontakte mit dem Kind nicht regelmäßig statt, so steht ihm das Verständigungs- und Äußerungsrecht (Abs. 1 Z 1) auch in minderwichtigen Angelegenheiten zu, sofern es sich dabei nicht bloß um Angelegenheiten des täglichen Lebens handelt.
(4) Wenn der mit der Obsorge betraute Elternteil die Rechte des anderen nach Abs. 1 beharrlich verletzt, hat das Gericht auf Antrag, sofern das Wohl des Kindes gefährdet wird, auch von Amts wegen, die angemessenen Verfügungen zu treffen.
(5) Diese Bestimmung gilt sinngemäß auch für einen mit der Obsorge betrauten Elternteil.
Vereinbarungen über die Obsorge, die persönlichen Kontakte und den Unterhalt
§ 190.
(1) Die Eltern haben bei Vereinbarungen über die Obsorge, die persönlichen Kontakte sowie die Betreuung des Kindes das Wohl des Kindes bestmöglich zu wahren.
(2) Die Bestimmung der Obsorge (§ 177 Abs. 2) und vor Gericht geschlossene Vereinbarungen nach Abs. 1 bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit keiner gerichtlichen Genehmigung. Das Gericht hat die Bestimmung der Obsorge und Vereinbarungen der Eltern aber für unwirksam zu erklären und zugleich eine davon abweichende Anordnung zu treffen, wenn ansonsten das Kindeswohl gefährdet wäre.
(3) Vor Gericht geschlossene Vereinbarungen über die Höhe gesetzlicher Unterhaltsleistungen bedürfen zur ihrer Rechtswirksamkeit keiner gerichtlichen Genehmigung und sind für den Unterhaltsverpflichteten verbindlich.
Sechster Abschnitt.
Annahme an Kindesstatt
§ 191.
(1) Eigenberechtigte Personen können an Kindesstatt annehmen. Durch die Annahme an Kindesstatt wird die Wahlkindschaft begründet.
(2) Die Annahme eines Wahlkindes durch mehr als eine Person, sei es gleichzeitig, sei es, solange die Wahlkindschaft besteht, nacheinander, ist nur zulässig, wenn die Annehmenden miteinander verheiratet sind. Ehegatten dürfen in der Regel nur gemeinsam annehmen. Ausnahmen sind zulässig, wenn das leibliche Kind des anderen Ehegatten angenommen werden soll, wenn ein Ehegatte nicht annehmen kann, weil er die gesetzlichen Voraussetzungen hinsichtlich der Eigenberechtigung oder des Alters nicht erfüllt, wenn sein Aufenthalt seit mindestens einem Jahr unbekannt ist, wenn die Ehegatten seit mindestens drei Jahren die eheliche Gemeinschaft aufgegeben haben oder wenn ähnliche und besonders gewichtige Gründe die Annahme durch nur einen der Ehegatten rechtfertigen.
(3) Personen, denen die Sorge für das Vermögen des anzunehmenden Wahlkindes durch gerichtliche Verfügung anvertraut ist, können dieses so lange nicht annehmen, als sie nicht von dieser Pflicht entbunden sind. Sie müssen vorher Rechnung gelegt und die Bewahrung des anvertrauten Vermögens nachgewiesen haben.
Form; Eintritt der Wirksamkeit
§ 192.
(1) Die Annahme an Kindesstatt kommt durch schriftlichen Vertrag zwischen dem Annehmenden und dem Wahlkind und durch gerichtliche Bewilligung auf Antrag eines Vertragsteiles zustande. Sie wird im Fall ihrer Bewilligung mit dem Zeitpunkt der vertraglichen Willenseinigung wirksam. Stirbt der Annehmende nach diesem Zeitpunkt, so hindert dies die Bewilligung nicht.
(2) Das nicht eigenberechtigte Wahlkind schließt den Vertrag durch seinen gesetzlichen Vertreter, dieser bedarf hiezu keiner gerichtlichen Genehmigung. Verweigert der gesetzliche Vertreter seine Einwilligung, so hat das Gericht sie auf Antrag des Annehmenden oder des Wahlkindes zu ersetzen, wenn keine gerechtfertigten Gründe für die Weigerung vorliegen.
Alter
§ 193.
(1) Die Wahleltern müssen das fünfundzwanzigste Lebensjahr vollendet haben.
(2) Wahlvater und Wahlmutter müssen mindestens sechzehn Jahre älter als das Wahlkind sein.
Bewilligung
§ 194.
(1) Die Annahme eines nicht eigenberechtigten Kindes ist zu bewilligen, wenn sie dessen Wohl dient und eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung besteht oder hergestellt werden soll. Ist das Wahlkind eigenberechtigt, so ist die Annahme nur zu bewilligen, wenn die Antragsteller nachweisen, dass bereits ein enges, der Beziehung zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechendes Verhältnis vorliegt, insbesondere wenn Wahlkind und Annehmender während fünf Jahren entweder in häuslicher Gemeinschaft gelebt oder einander in einer vergleichbar engen Gemeinschaft Beistand geleistet haben.
(2) Die Bewilligung ist, außer bei Fehlen der Voraussetzungen des Abs. 1, zu versagen, wenn ein überwiegendes Anliegen eines leiblichen Kindes des Annehmenden entgegensteht, insbesondere dessen Unterhalt oder Erziehung gefährdet wäre; im übrigen sind wirtschaftliche Belange nicht zu beachten, außer der Annehmende handelt in der ausschließlichen oder überwiegenden Absicht, ein leibliches Kind zu schädigen.
§ 195.
(1) Die Bewilligung darf nur erteilt werden, wenn folgende Personen der Annahme zustimmen:
1. die Eltern des minderjährigen Wahlkindes;
2. der Ehegatte oder der eingetragene Partner des Annehmenden;
3. der Ehegatte oder der eingetragene Partner des Wahlkindes;
4. das Wahlkind ab Vollendung des 14. Lebensjahres.
(2) Das Zustimmungsrecht nach Abs. 1 entfällt, wenn die zustimmungsberechtigte Person als gesetzlicher Vertreter des Wahlkindes den Annahmevertrag geschlossen hat, wenn sie zu einer verständigen Äußerung nicht nur vorübergehend unfähig ist oder wenn der Aufenthalt einer der in Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Personen seit mindestens sechs Monaten unbekannt ist.
(3) Das Gericht hat die verweigerte Zustimmung einer der in Abs. 1 Z 1 bis 3 genannten Personen auf Antrag eines Vertragsteiles zu ersetzen, wenn keine gerechtfertigten Gründe für die Weigerung vorliegen.
§ 196.
(1) Ein Recht auf Anhörung haben:
1. das nicht eigenberechtigte Wahlkind ab dem vollendeten fünften Lebensjahr, außer es hat bereits seit diesem Zeitpunkt beim Annehmenden gelebt;
2. die Eltern des volljährigen Wahlkindes;
3. die Pflegeeltern oder der Leiter des Heimes, in dem sich das Wahlkind befindet;
4. der