Ein fröhlicher Bursch: Eine Erzählung. Bjørnstjerne Bjørnson
den Tieren, und die Tiere mit den Kindern, die Kinder mit den Erwachsenen; und so ging es weiter, bis es rundherum ging, und niemand wußte, wer begonnen hatte. Öyvind sah den Berg an und die Bäume und die See und den Himmel und hatte das alles eigentlich bisher noch niemals gesehen. In diesem Augenblick kam die Katze heraus und legte sich auf die steinerne Schwelle in die Sonne. – „Was sagt die Katze?“ fragte Öyvind und zeigte auf sie. Die Mutter sang:
„Die Katze liegt im Sonnenschein,
Der abends sieht zur Tür herein:
Ein Mäusepärlein kam
Und naschte von dem Rahm,
Vier Stück Fisch,
Die stahl ich mir vom Tisch,
Und bin so rund und satt,
Und bin so faul und matt!
Sagte die Katze.“
Aber der Hahn und alle Hühner kamen. – „Was sagt der Hahn?“ fragte Öyvind und klatschte in die Hände. Die Mutter sang:
„Gluckhenne ihre Flügel senkt,
Hahn steht auf einem Bein und denkt:
Die graue Gans seht bloß,
Dünkt sich wer weiß wie groß,
Doch ob sie haben kann
Verstand so wie ein Hahn?
Nun flink, ihr Hennen, soll ich euch jagen?
Unters Dach! Gute Nacht mag die Sonne jetzt sagen.
Sagte der Hahn.“
Aber oben auf dem Dachfirst saßen zwei kleine Vögel und sangen. – „Was sagen die Vögel?“ fragte Öyvind und lachte.
„Herr Gott, wie ist es gut zu leben
Für den, der nicht braucht zu schaffen und streben!
Sagten die Vöglein.“
Und er erfuhr, was sie alle miteinander sprachen bis hinab zur Ameise, die durch das Moor kroch, und dem Wurm, der in der Borke pickte.
In demselben Sommer begann die Mutter, ihn lesen zu lehren. Bücher hatte er schon lange gehabt, und er hatte viel darüber nachgedacht, wie es wohl zugehn würde, wenn auch sie zu sprechen anfingen. Nun wurden die Buchstaben zu Tieren, Vögeln und zu allem, was da kreucht und fleugt. Bald aber fingen sie an, zusammen zu gehen, immer zu zweien; A blieb stehn und ruhte unter einem Baume aus, der B hieß, dann kam C und tat dasselbe; als sie aber zu dreien und vieren zusammenkamen, da war es, als wenn sie böse aufeinander würden; es wollte nicht recht gehn. Und je weiter er kam, desto mehr vergaß er, was sie waren; am längsten dachte er an das A, das er am liebsten hatte; es war ein kleines, schwarzes Lämmchen und war gut Freund mit allen. Bald aber vergaß er auch das A, das Buch enthielt kein Märchen, nur Aufgaben.
Da geschah es eines Tages, daß die Mutter zu ihm hereinkam und sagte: „Morgen fängt die Schule wieder an, du sollst mit mir nach dem Hofe gehn.“ Öyvind hatte gehört, daß die Schule ein Ort sei, wo viele Knaben spielten, und dagegen hatte er nichts einzuwenden. Er war sehr vergnügt; auf dem Hofe war er oft gewesen, allerdings nie, wenn Schule war, und so schritt er denn schneller als die Mutter die Hügel hinan, von Sehnsucht erfüllt. Sie kamen an die Altenteilerwohnung; ein entsetzliches Geräusch, wie bei der Mühle daheim, schallte ihnen entgegen, und er fragte die Mutter, was das sei. – „Das sind die Kinder, die lesen,“ antwortete sie, und darüber war er sehr erfreut, denn geradeso hatte er auch gelesen, ehe er die Buchstaben kannte. Als er hineinkam, saßen da so viele Kinder um einen Tisch herum, daß in der Kirche nicht mehr waren; andre saßen auf ihren Eßbütten an den Wänden entlang, einige umstanden in einem kleinen Haufen eine Tafel. Der Schulmeister, ein alter, grauhaariger Mann, saß auf einem Schemel am Herde und stopfte sich eine Pfeife. Als Öyvind und die Mutter eintraten, sahen alle auf, und das Mühlradgeklapper hielt inne, geradeso wie wenn der Bach gestaut wird. Alle sahen die Eintretenden an, die Mutter begrüßte den Schulmeister, der den Gruß erwiderte.
„Hier komme ich mit einem kleinen Jungen, der gern lesen lernen möchte,“ sagte die Mutter. – „Wie heißt der kleine Schelm?“ fragte der Schulmeister und wühlte nach Tabak in dem ledernen Beutel.
„Öyvind!“ sagte die Mutter, „er kennt die Buchstaben, und er kann sie zusammenfügen.“ – „Sieh nur an!“ sagte der Schulmeister; „komm einmal her, du Flachskopf!“ – Öyvind ging zu ihm hin, der Schulmeister setzte ihn auf seinen Schoß und nahm ihm die Mütze ab. – „Was für ein hübscher kleiner Junge!“ sagte er und strich ihm über das Haar. Öyvind sah ihm in die Augen und lachte. – „Lachst du über mich?“ Er runzelte die Brauen. – „Ja, das tue ich!“ antwortete Öyvind und lachte aus vollem Halse. Da lachte auch der Schulmeister, die Mutter lachte, die Kinder merkten auch, daß sie lachen dürften, und so lachten sie dann alle zusammen.
Damit war Öyvind in die Schule aufgenommen.
Als er sich hinsetzen sollte, wollten sie ihm alle Platz machen. Er sah sich auch lange um; sie flüsterten und sie zeigten, er drehte sich nach allen Seiten um, die Mütze in der Hand, das Buch unterm Arm. – „Nun, wirds bald?“ fragte der Schulmeister, der sich wieder mit seiner Pfeife beschäftigte. Als er sich nach dem Schulmeister umwenden wollte, sah er dicht neben sich am Herde auf einer kleinen rot angestrichnen Eßbütte Marit mit den vielen Namen sitzen; sie hatte das Gesicht hinter beiden Händen verborgen und saß da und guckte zu ihm hinüber. – „Hier will ich sitzen,“ sagte Öyvind schnell, nahm eine Eßbütte und setzte sich neben sie. Jetzt erhob sie den Arm, der ihm zunächst war, ein wenig und sah ihn unter dem Ellenbogen weg an; sofort bedeckte auch er sein Gesicht mit beiden Händen und sah sie unter dem Ellenbogen weg an. So saßen sie und stellten sich an, bis sie lachte, da lachte auch er. Die Kinder hatten das gesehen und lachten mit. Da aber fuhr eine fürchterlich starke Stimme, die jedoch allmählich milder wurde, dazwischen: „Still, ihr Kobolde, ihr Krabbenzeug, ihr Nichtsnutze! Still, und seid hübsch artig gegen mich, ihr Zuckerferkelchen!“ – Das war der Schulmeister, der die Gewohnheit hatte, aufzubrausen, aber wieder gut zu werden, ehe er fertig war. Sogleich wurde es ruhig in der Schule, bis sich die Pfeffermühlen von neuem in Bewegung setzten. Sie lasen jedes laut in seinem Buche, die feinsten Diskante spielten auf, die gröbern Stimmen trommelten lauter und lauter, um das Übergewicht zu haben, und zuweilen jodelte auch wohl einer dazwischen; Öyvind hatte sein ganzes Leben lang keine solche Kurzweil gehabt.
„Ist es hier immer so?“ flüsterte er Marit zu. – „Ja, so ist es hier immer,“ sagte sie.
Nach einer Weile mußten sie zum Schulmeister kommen und lesen; ein kleiner Junge wurde dann angestellt, mit ihnen zu lesen, und dann waren sie frei und durften wieder gehn und sich ruhig hinsetzen.
„Nun habe ich auch einen Bock bekommen,“ sagte sie. – „Wirklich?“ – „Ja, aber so schön wie deiner ist er nicht.“ – „Weshalb bist du nicht öfter auf den Berg gekommen?“ – „Großvater fürchtet, daß ich hinunterfallen könnte.“ – „Aber es ist ja nicht so hoch.“ – „Großvater will es aber doch nicht.“
„Mutter kann so viele Lieder,“ erzählte er. – „Du kannst mir glauben, Großvater kann auch welche!“ – „Ja, aber nicht davon, was Mutter weiß.“ – „Großvater kann eins vom Tanzen, er. Willst du es hören?“ – „Ja, gern!“ – „Aber dann mußt du näher hierherkommen, daß es der Schulmeister nicht merkt.“ – Er rückte zu ihr heran, und dann sagte sie ihm ein Bruchstück eines Liedes vier bis fünfmal vor, so daß der Knabe es lernte, und das war das erste, was er in der Schule lernte.
„Zum Tanz! rief die Fiedel.
Die Saiten erklangen,
Der Bursch voll Verlangen
Sprang auf und rief: ho!
Halt an! sagte Ola.
Den Schulzen stieß um er,
Hinflog mit Gebrumm der,
Sie lachten nur so!
Hinauf!