Norwegische Volksmährchen vol. 2. Asbjørnsen Peter Christen

Norwegische Volksmährchen vol. 2 - Asbjørnsen Peter Christen


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der Pfarrer war in seinem Sack mehr todt, als lebendig. »Au! au! wo bin ich jetzt?« rief er. »Jetzt bist Du im Fegefeuer, um gereinigt und geläutert zu werden für das ewige Leben,« sagte der Meisterdieb, ging fort und holte sich all das Gold und das Silber und die kostbaren Sachen, die der Pfarrer in seiner großen Stube zusammengehäuft hatte.

      Am Morgen, als das Gänsemädchen kam und die Gänse aus dem Stall lassen wollte, hörte sie den Pfarrer drinnen im Sack jammern. »Sagt mir um Gotteswillen, Wer seid Ihr und Was fehlt Euch?« sagte das Mädchen: »Ach,« rief der Pfarrer: »bist Du ein Engel vom Himmel, so laß mich hinaus und schicke mich wieder zurück auf die Erde, denn hier ist's noch viel schlimmer, als in der Hölle; tausend Teufel zwicken mich überall mit ihren Zangen.« – »Ich bin, Gott bessre es! kein Engel,« sagte das Mädchen und half dem Pfarrer aus dem Sack: »ich hüte bloß die Gänse des Amtmanns, und das sind auch wohl die Teufel, die Euch gezwickt haben, Gevatter,« sagte sie. »Ach, das hat der Meisterdieb gethan! Ach, mein Gold und mein Silber und meine schönen Kleider!« schrie der Pfarrer und jammerte und lamentirte und lief fort nach Hause, so daß das Mädchen glaubte, er habe rein den Verstand verloren.

      Als der Amtmann die Geschichte erfuhr und hörte, wie der Pfarrer sowohl auf dem engen Wege, als im Fegefeuer gewesen war, wollte er sich beinahe todtlachen. Als aber der Meisterdieb kam und seine Tochter haben wollte, schwatzte er ihm wieder süß vor und sagte: »Du musst erst eine Probe ablegen, die noch besser ist, damit ich recht erfahre, wozu Du taugst. Ich habe zwölf Pferde in meinem Stall stehen, auf die will ich zwölf Knechte setzen, einen auf jedes. Bist Du nun im Stande, ihnen die Pferde unter dem Hosenleder wegzustehlen, so will ich sehen, Was ich für Dich thun kann.« – »Das ließe sich schon machen,« sagte der Meisterdieb: »Bekomme ich dann aber auch ganz gewiß Deine Tochter?« – »Ja, kannst Du das, so will ich mein Bestes thun,« sagte der Amtmann.

      Der Meisterdieb begab sich jetzt zu einem Krämer und kaufte sich zwei Flaschen Branntwein, aber in die eine goß er einen Schlaftrunk; dann bestellte er sich elf Knechte, die mußten sich in der Nacht hinter die Scheune des Amtmanns verstecken. Für Geld und gute Worte bekam er auch von einer alten Frau einen lumpigen Weiberrock und eine Jacke, womit er sich wie ein altes Weib verkleidete; darauf nahm er einen Stock in die Hand und einen Beutel auf den Nacken, und als es Abend wurde, hinkte er fort nach dem Stall des Amtmanns. Als er dort ankam, tränkten die Leute eben die Pferde zur Nacht und hatten dabei alle Hände voll zu thun. »Was Teufel willst Du denn hier?« sagte einer von den Stallknechten zu dem vermeintlichen Weibe. »Hutetu! es ist so kalt draußen!« sagte das Weib und klapperte mit den Zähnen: »lasst mich ein wenig bei Euch in den Stall kriechen.« – »Wo Dich der Teufel nicht plagt! Pack Dich fort!« sagte der eine von den Knechten: »denn kriegt der Amtmann Dich hier zu sehen, so lässt er uns tanzen.« – »Ach, das alte kümmerliche Weib!« sagte ein andrer, der Mitleid mit ihr zu haben schien: »lasst nur die Alte sich in den Stall hinsetzen; sie thut gewiß Keinem Was zu nah.« Die Andern aber sagten, daraus könne Nichts werden, und während sie sich hierüber zankten und die Pferde tränkten, kroch der Meisterdieb immer weiter nach dem Stall zu, und endlich schlüpfte er hinter die Thür, wo ihn nachher weiter Keiner bemerkte.

      Auf die Nacht hin kam es den Leuten ein wenig kalt an, so still und unbeweglich auf den Pferden zu sitzen. »Hutetu! es ist kalt wie der Teufel!« sagte der Eine und schlug die Arme um den Leib. »Wer nur ein Bischen Tabak hätte!« sagte ein Andrer. Ein Dritter hatte denn ein Päckchen, und das theilten sie; es war zwar nicht Viel für jeden, aber sie kau'ten und spuckten, und das half ein wenig. Bald darnach waren sie wieder gleich schlimm daran. »Hutetu!« sagte der Eine und schüttelte sich. »Hutetu!« sagte das Weib und klapperte mit den Zähnen, nahm die Flasche mit Branntwein hervor und zitterte so heftig mit der Hand, daß es schwappte in der Flasche, und trank dann, daß es ihr Kluck! im Halse sagte. »Was hast Du da in der Flasche?« sagte einer von den Stallknechten. »Ach, es ist nur ein Tröpfchen Branntwein,« sagte sie. »Was? Branntwein? Gieb mal her! gieb mal her!« schrien sie alle zugleich. »Ach, ich habe nur so wenig,« sagte sie: »Ihr werdet nicht einmal naß davon im Mund.« Aber es half nichts, sie wollten durchaus einen Schluck haben. Da nahm die Alte die Flasche mit dem Schlaftrunk, hielt sie jedem vor den Mund und ließ ihn davon trinken, so Viel er brauchte, und der Zwölfte hatte noch nicht getrunken, als der Erste schon da saß und schnarchte. Darauf warf der Meisterdieb seine Lumpen ab und nahm den einen Kerl nach dem andern und setzte sie vorquer auf die Balken, rief dann seine elf Leute – und fort jagte er mit allen zwölf Pferden.

      Als der Amtmann am Morgen herauskam und nach seinen Knechten sehen wollte, wachten diese eben auf und fingen an, mit den Spornen in die Balken zu hauen, daß die Splitter davon flogen, und einige von den Knechten fielen herunter, andre blieben hangen, und die andern saßen da wie Narren. »Ja, ich kann's mir schon denken, Wer hier gewesen ist,« sagte der Amtmann: »Ihr seid aber doch ganz elende Kerls, daß Ihr hier sitzt und Euch den Meisterdieb die Pferde unterm Hosenleder wegstehlen lasst!« und damit bekamen sie ihre gehörige Schmiere.

      Später am Tage kam der Meisterdieb selbst und erzählte alle Umstände und wollte jetzt die Tochter des Amtmanns haben, so wie dieser ihm versprochen hatte. Der Amtmann aber gab ihm hundert Thaler und sagte, er müsse erst einen Streich ausführen, der noch besser wäre. »Meinst Du, daß Du wohl das Pferd unter mir selbst stehlen könntest, wenn ich darauf reite?« sagte der Amtmann. »Das ließe sich schon machen,« sagte der Meisterdieb: »bekäme ich dann nur eben so gewiß Deine Tochter.« Ja, er wollte sehn, Was er thun könnte, sagte der Amtmann und bestimmte einen Tag, an welchem er zu einem großen Exercirplatz hinausreiten wollte.

      Der Meisterdieb erhandelte sich eine alte abgelebte Schindmähre, flocht sich einen Sielen aus Weiden und Besenreisern, kaufte einen alten Karren und ein großes Faß und sagte dann zu einem alten zahnlosen Weib, er wolle ihr zehn Thaler geben, wenn sie in das Faß kriechen und über dem Zapfenloch gaffen wolle, er würde dann den Finger hineinstecken, – Leides sollte ihr nicht geschehen – sie sollte bloß ein wenig fahren – und wenn er den Finger öfter, als einmal herauszöge, so sollte sie noch zehn Thaler dazu haben. Darauf zog er einige alte Lumpen an, machte sich im Gesicht unkenntlich mit Ruß, setzte sich eine Perrücke auf und heftete sich einen Bart von Ziegenhaaren an, so daß Keiner ihn wiedererkennen konnte, und damit karjuckelte er nach dem Exercirplatz, wo der Amtmann schon eine Weile geritten hatte.

      Es ging aber so langsam und so traurig, daß er fast nicht vom Fleck kam; er dusselte und dusselte; dann stand das Fuhrwerk ganz still; dann ging es wieder ein wenig, aber so traurig, daß der Amtmann nimmer darauf verfallen konnte, daß das der Meisterdieb sein könne; er ritt daher grade auf ihn zu und fragte ihn, ob er nicht Jemanden dort im Walde hätte herumschleichen sehen. Nein, sagte der Mann, er hätte Keinen gesehen. »Höre,« sagte der Amtmann: »reite doch einmal in den Wald und sieh zu, ob nicht Einer da herumschleicht; ich will Dir so lange mein Pferd leihen und Dir auch ein gutes Trinkgeld geben.« – »Nein,« sagte der Mann: »das kann ich nicht; denn ich soll dieses Methfaß zu einer Hochzeit fahren; nun ist mir aber unterweges der Zapfen herausgefallen, und darum muß ich beständig den Finger ins Loch halten.« – »Reite Du nur hin!« sagte der Amtmann: »Ich werde schon derweile auf Dein Pferd und auf das Faß Acht haben.« Ja, dann sollte aber der Amtmann geschwind den Finger ins Loch stecken, wenn er seinen herauszöge. Das that denn der Amtmann auch, und der Meisterdieb setzte sich aufs Pferd. Die Zeit aber verstrich, und es kam Niemand zurück. Zuletzt ward's der Amtmann überdrüssig, immer den Finger ins Loch zu halten, und er zog ihn heraus. »Nun krieg ich noch zehn Thaler dazu!« schrie das Weib drinnen im Faß. Da erschrak der Amtmann, denn er merkte nun wohl, wie die Sache sich verhielt, und begab sich schnell auf den Heimweg. Unterweges brachten sie ihm schon sein Pferd entgegen, das der Meisterdieb bereits zu Hause bei ihm abgeliefert hatte.

      Tages darauf kam der Bursch zum Amtmann und wollte seine Tochter haben, so wie dieser ihm versprochen hatte. Der Amtmann schwatzte ihm wieder Allerlei vor, gab ihm zweihundert Thaler und sagte, er müßte noch ein Probestück machen, könnte er das, dann sollte er auch ganz gewiß seine Tochter haben. »Laß mich hören, Was es ist,« sagte der Meisterdieb. »Kannst Du mir denn wohl das Laken aus meinem Bett stehlen und meiner Frau das Hemd vom Leibe?« sagte der Amtmann. »Das sollte sich schon machen lassen,« sagte der Meisterdieb: »hätte ich nur eben so gewiß Deine Tochter.«

      Als es nun Nacht geworden war, ging der Meisterdieb zum Galgen und schnitt einen armen


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