Die Macht der Drei. Dominik Hans
Atma hielt im Kraftwagen vor der Tür. Das war alles.«
Silvester ergriff die Hand Erik Truwors und drückte sie innig.
»Für mich wirklich alles, Erik. Kamt ihr nicht, so war ich verloren. Durch Jane … durch meine Jane habt ihr mich gefunden.«
»Durch deine Jane? Was ist dir Jane Harte?«
»Meine Verlobte, mein alles!«
Erik Truwor hörte schweigend zu, was Silvester erzählte. Wie er Jane kennen und lieben gelernt. Doch er vermochte es nicht, sich am Glück des Freundes mitzufreuen. Unbewußt empfand er, daß Silvester sich nicht voll der großen Aufgabe, dem weiteren Ausbau der Erfindung, widmen könne, wenn er durch Gedanken und Sorgen um seine Verlobte abgelenkt wurde.
Sein Blick suchte Atma. Ein stummes Zwiegespräch der Augen. Atma nickte und wandte sich Silvester zu. Erik Truwor sah, wie hinter der gefurchten Stirn des Inders die Gedanken arbeiteten, das Hindernis aus dem Wege zu räumen. Er sah, wie Silvester die Hand an die Stirn preßte, als wollte er eine fliehende Erinnerung festhalten …
Die hypnotische Kraft Atmas siegte über die Kraft der Liebe.
Erik Truwor brach das Schweigen.
»Zurück zu unserer Arbeit! Ich habe deine Pläne gesehen und deine Berechnungen untersucht. Gib mir deine Erläuterungen dazu.«
Silvester Bursfeld blickte mit der versonnenen Miene des Gelehrten auf die vor ihm liegenden Papiere.
»Es ist das Problem der telenergetischen Konzentration, dessen Lösung mir gelungen ist. Nimm an, ich hätte hier in unserem Hause eine Maschine, die tausend Pferdestärken leistet. Es ist klar, daß ich die Energie hier an Ort und Stelle zu allem möglichen verwenden kann. Aber es war bisher kein Mittel bekannt, diese Energie an einem Punkte in beliebiger Entfernung konzentriert wirken zu lassen. Bei jedem Versuche, die Energie auszustrahlen, erfuhr sie eine der Ausbreitung entsprechende Schwächung. Ein zwingender Grund liegt natürlich nicht vor. Es muß den tausend Pferdestärken ganz gleich sein, ob sie hier oder an irgendeinem anderen Punkte der Erde zur Wirkung kommen.«
Erik Truwor unterbrach ihn:
»Wenn wir hier eine Million, wenn wir hundert Millionen Pferdestärken hätten, so könntest du sie auf jedem Punkt der Erde in Erscheinung treten lassen?«
»So ist es. Auf jedem Punkte. Ich könnte die Energie an irgendeiner Stelle der australischen Wüste oder des Broadway in Neuyork auf den Raum einer Haselnuß zusammendrängen. Ich könnte sie auch in der Form ausgedehnter elektromagnetischer Felder auftreten lassen. Jede Wirkung ist möglich.«
Erik Truwor wiegte den Kopf nachdenklich hin und her.
»Hundert Millionen Pferdestärken auf den Raum einer Haselnuß … in den Pulverkammern kriegführender Mächte … das genügt für den ewigen Frieden.«
Silvester Bursfeld fuhr in seinen Erklärungen fort:
»Die Energiekonzentration bildete den Ausgangspunkt meiner Arbeit. Ich überlegte mir weiter … Warum soll ich die Energie erst an einem Orte erzeugen und an einem anderen wirken lassen, da doch der ganze Raum mit einem Überschwang von Energie erfüllt ist … Ich folgerte, es muß genügen, nur die Steuerwirkung durch den Raum zu schicken. Nur die winzigen Mengen einer besonderen Formenenergie, die an der entfernten Stelle die Raumenergie zur Explosion bringen.
Meine Überlegung war folgerichtig. Die Schlußkette zeigte nirgend ein fehlerhaftes Glied. Aber die praktische Durchführung wollte nicht gelingen.
Soweit war ich, als ich nach Trenton kam. Jede freie Stunde widmete ich dem Problem. Dr. Glossin hatte dort ein gutes Laboratorium und erlaubte mir, darin zu arbeiten. Damals wußte ich nicht, daß er ein Verräter war …«
»Der auch deinen Vater verraten hat.« Soma Atma sprach die Worte.
Silvester blickte auf wie ein Träumer, der plötzlich erwacht.
»Ich hörte immer, mein Vater wäre von einem aufsässigen Kurdenstamm überfallen worden. In Pankong Tzo erzählten sie es mir … Kuansar … unser alter Lehrer, sprach davon …«
Atma sprach in seiner ruhigen sonoren Art weiter: »Warum den klaren Spiegel einer jungen Seele trüben. Glossin, der Freund deines Vaters, war der Verräter. Die Nawutschi, die Engländer, steckten dahinter. Sie veranlaßten den Überfall, weil dein Vater das Geheimnis einer großen Erfindung besaß … Bis hierher ist alles klar. Dann wird die Erkenntnis unsicher.«
»Was hatte mein Vater erfunden? Wo ist er geblieben?« Erregt stieß Silvester die Fragen hervor.
»Ich sehe nichts Klares. Sicher ist, daß er nicht mehr unter den Lebenden weilt. Seit langer Zeit nicht mehr. Sonst hätte meine Seele die seine finden müssen. Seine Erfindung gab Macht. Gab große Macht. Darum ließen die Nawutschi ihn rauben.«
Erik Truwor unterbrach den Inder: »Laßt die Toten ruhen. Silvester, berichte uns weiter.«
»… Ich sprach von Glossin. In seinem Laboratorium nahm ich meine Arbeiten wieder auf … Mit Vorsicht, denn seine Neugier war verdächtig. Ich vermied es, unnötige Notizen zu machen. Was ich notieren mußte, schrieb ich Tibetanisch.
Plötzlich kam der Erfolg. Über Nacht eine Eingebung. Im Traum sah ich den Strahler für die Formenergie mit greifbarer Deutlichkeit …«
Erik Truwor schüttelte mißbilligend den Kopf.
»Traumlösungen … man kennt sie. Es ist alles in Ordnung. Wacht man auf, so ist der Traum vergessen oder die Lösung unsinnig … Träume sind Schäume …«
»Nicht immer. Es kommt vor, daß die Seele im Schlaf den Körper verläßt und klar sieht.« Atma machte den Einwurf. Silvester fuhr fort: »Ich sah die Form und die Schaltung des Strahlers noch mit voller Deutlichkeit, als ich erwachte. Meinen ganzen Apparat hatte ich in einen kleinen Kasten eingebaut …«
»Den Mahagonikasten?«
»Eben den. Der Traum ließ mir keine Ruhe. Es war noch früh. Die Dämmerung des Sommertages begann eben erst. Um acht mußte ich in das Werk. Erst am Nachmittag konnte ich in das Laboratorium gehen. Das dauerte mir zu lange. Mit den einfachen Mitteln, die ich in der Wohnung hatte, formte ich den Strahler. Ich machte einen Versuch, und er gelang. Ein Stück Eisen auf meinem Schreibtisch stieg langsam in die Höhe. Ein Trinkglas schmolz zu einem Klumpen. Das Geheimnis war gefunden.
Am Nachmittag kam ich in das Laboratorium … Ich wollte einen einfachen Versuch machen. Eine elektromotorische Kraft sollte durch den Apparat zurückgeworfen werden. Ich brachte den Apparat in die richtige Stellung zu den Schaltklemmen des Experimentiertisches. Im selben Augenblick stieg dichter Qualm hinter der Schalttafel und an der Wand auf. Die schwere 10 000-Volt-Leitung des Laboratoriums glühte hellrot auf. Die Isolation verbrannte. Ich riß meinen Apparat zurück. Es war nicht mehr nötig. Die Sicherungen der Hochspannungsleitung waren bereits durchgeschlagen und hatten den Strom abgeschaltet.
Zweierlei wußte ich damals. Mein Apparat arbeitete. Und ein Schurkenstreich war versucht worden. Irgend jemand, der im Laboratorium Bescheid wußte, hatte die lebensgefährliche Hochspannung auf den Experimentiertisch geschaltet.
Drei Tage später fuhr mir auf einem Spaziergang durch den Wald ein Auto nach. Plötzlich hielt es neben mir. Im selben Augenblick war ich in den Wagen hineingezogen, gefesselt und betäubt. Erst im Gefängnis erlangte ich das Bewußtsein wieder. Als ich unter den Richtern Glossin sah, wußte ich, wer im Laboratorium geschaltet hatte …«
Erik Truwor sprang auf.
»Weg mit dem Hund! Wir haben die Macht, ihn zu vernichten. Sollen wir uns mit einem einzelnen aufhalten? Weg mit ihm!« Er griff nach dem Apparat.
»Mord und Brand über den Ozean! Befreien wir uns von dem Geschmeiß!«
Silvester wollte antworten, wollte als Forscher und Erfinder auseinandersetzen, daß ein genaues Zielen auf diese Entfernung noch nicht möglich sei, daß Feuer und Sturm neben einem Schuldigen tausend Unschuldige vernichten würden. Er kam nicht über die ersten Worte hinaus. Die ruhige Stimme Atmas unterbrach ihn:
»Sein Schicksal ist mit dem unseren verknüpft. Es wird sich zu