Reise über Indien und China nach Japan.. Freiherr von und zu Richard Eisenstein

Reise über Indien und China nach Japan. - Freiherr von und zu Richard Eisenstein


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dort begab ich mich mit dem Generalagenten in seiner reizenden Equipage zum Victoria-Dock, wo eben drei österreichische Lloydschiffe, und zwar: Maria Theresia, Marie Valerie und Imperatrix vor Anker lagen. Zuerst besuchte ich das Dampfschiff Maria Theresia respective dessen Commandanten, überzeugte mich davon, dass meine dort zurückgelassene Bagage auf den Dampfer Marie Valerie gebracht worden war und kam dann an Bord des letztgenannten Schiffes, um den Capitän zu ersuchen, mein Gepäck bis zu meiner Einschiffung sorgsam aufbewahren zu lassen. Endlich besichtigte ich noch das Dampfschiff Imperatrix, welches am 1. März seine Fahrt von Bombay nach Triest antreten wird. Die Besichtigung dieser drei mächtigen und wunderbar schön gehaltenen Dampfer bewies mir in erfreulicher Weise, dass wir durch unseren Lloyd in Indien gut vertreten sind.

      Nachmittags wohnte ich im Yachtclub dem Concerte einer englischen Militärcapelle bei. Von der hochgelegenen Terrasse des Clubgebäudes aus geniesst man eine herrliche Aussicht auf das unmittelbar anliegende, von unzählig vielen Schiffen bedeckte Meer und auf die dem Hafen vorgelagerten Inseln. Inmitten der Terrasse dehnt sich ein grosser Rasenplatz aus, welcher, mit englischem Gras bewachsen, trotz des tropischen Klimas einem grünen Teppiche gleicht. Längs der zum Abschlusse gegen das Meer errichteten niederen Mauer war eine grosse Anzahl von Tischen aufgestellt, an welchen viele Clubmitglieder mit ihren Familien Platz genommen hatten.

      Am 25. Februar stellte ich mir Vormittags Notizen über die jüngst vergangenen Tage in Bombay als Anhaltspunkte für dieses Tagebuch zusammen. Die mir von unserem Consulate in zuvorkommender Weise verschafften Eintrittskarten zur Besichtigung der Hindu-Verbrennungs- und Begräbnissstätte, sowie der Parsen-Todtesstätte »Thürme des Schweigens« benützte ich deshalb nicht, weil ich gegen die eine, wie die andere Vernichtungsart der Verstorbenen einen unüberwindlichen Widerwillen empfinde, und weil ich es unvorsichtig fand, zu einer Zeit zu diesen Begräbnissorten zu gehen, zu der so viele an der Pest gestorbene Leute dahin gebracht werden.

      Auch das allgemeine grosse Thierspital »Pinjra Pol« besuchte ich nicht, weil dort fast ausschliesslich nur ekelerregende Thiere zu sehen sind. Dieses Spital ist inmitten des Eingeborenenviertels errichtet, und werden dorthin alle hinfälligen und arbeitsunfähigen Thiere gebracht und bis zu ihrem Eingehen gut gehalten, weil, wie bereits erwähnt, bei den Hindus der Glaube herrscht, dass in jedem Thiere die Seele eines der Ihren weile.

      Bei dieser Gelegenheit will ich hier noch anführen, dass ich die Absicht, auf die Jagd zu gehen, definitiv aufgegeben habe. In der Nähe von Bombay ist mehr oder weniger Alles abgeschossen und könnte man im besten Falle nur auf einige Rebhühner zum Schusse kommen, und die Jagd auf aussereuropäische Thiere kann nur mit der Bewilligung eines weiter entfernten Madharadschas und mit der Zustimmung des dort angestellten englischen Commissärs veranstaltet werden – ein Unternehmen somit, das weit mehr Zeit erfordert hätte, als mir zur Verfügung stand.

      Nach dem Tiffin, welches ich in Gesellschaft des Consularsecretärs und Attaché's in meinem Hôtel eingenommen hatte, fuhr ich durch den von den Einheimischen bewohnten Theil der Stadt zu dem Victoria garden. Die Strassen in diesem Nativesviertel sind ziemlich rein gehalten, aber die Häuser und die gegen die Strassenseite offenen Werkstätten und Verkaufsbuden aller Art sind schmutzig und von Menschen überfüllt. Auf den Strassen selbst eilen tausende braune und schwarze Leute in bunter, jedoch meist sehr mangelhafter Bekleidung hin und her. Längs des sehr langen Weges bis zum Victoria garden sind indess auch viele schöne Gebäude für gemeinnützige Zwecke eingestreut. So z. B. stehen dort mehrere Hindutempel, das Gefängnisshaus, das grosse medicinische Collegium mit seinem Laboratorium zur Ausbildung von Einheimischen, das Spital für arme Indier, das Gebärhaus, sowie das Weiber- und Kinderspital für Einheimische, die jüdische Synagoge, das Polizeihaus, die von katholischen Geistlichen geleitete grosse Schule, um in derselben die Kinder zum Christenthume zu erziehen, ein Pensionat für europäische Kinder, das St. Elisabethhaus für europäische Witwen und Frauen, welche sonst kein Unterkommen finden, und die schottische Erziehungsschule.

      Der Victoria garden ist ein sehr grosser, der Bevölkerung stets offen stehender Garten, welcher sehr gut gehalten ist, und der alle Bäume, Pflanzen und Blumen des Landes in sehr schönen Exemplaren, sowie in zerstreut stehenden, vielen grossen eisernen Käfigen alle in Indien vorkommenden wilden Thiere enthält. Anschliessend an diesen Garten steht das Victoria- und Albert-Museum, in welchem die Rohproducte, Mineralien, Manufacturen und die naturhistorischen Muster von Indien ausgestellt sind.

      Nach meiner Rückkehr in das Hôtel entsprach ich der liebenswürdigen Einladung des deutschen Generalconsuls und fuhr in Gesellschaft des österreichisch-ungarischen Vertreters in die elegante Villa unseres Gastherrn auf dem Malabar Hill, wo uns ein ausgezeichnetes Diner erwartete. Wir sassen dort vor, wie nach der Tafel in einem des Luftzuges halber nach allen Seiten hin weit geöffneten Salon. Die in den Tropengegenden allgemein eingeführte Sitte, sich in den Häusern der Zugluft auszusetzen, hatte in diesem besonderen Falle für mich ein recht verdriessliches Nachspiel. Kaum zu Hause angelangt, wurde ich von choleraartigen Krämpfen befallen, und ich verdanke es nur meiner mitgebrachten Hausapotheke und der eigenen kräftigen Massage, dass ich des nächsten Morgens ohne ärztliche Beihilfe wieder auf den Beinen war.

      Als am 26. Februar, um 9 Uhr Früh, der deutsche Generalconsul bei meinem Hôtel vorfuhr, um mich Tags vorher verabredeter Weise abzuholen, befand ich mich wieder so weit wohl, dass ich denselben begleiten konnte. Wir begaben uns zusammen zu einem Thierarzte, bei welchem das eine seiner Wagenpferde, welches er vor kurzer Zeit um 700 Rupien gekauft hatte, nun seit sechs Wochen in Behandlung stand. Ich war in Rücksicht auf das geringe Vertrauen, welches ich den Einheimischen bei Behandlung von Pferden entgegengebracht hatte, sehr erstaunt über ihre Erfahrung und Geschicklichkeit. Der englische Einfluss war dabei nicht zu verkennen.

      Während unserer Rückfahrt sahen wir eben einen Mann, welcher auf der Strasse von der Pest befallen worden und zusammengestürzt war. Diese böse Krankheit hat jetzt in Bombay schon einen hohen Grad erreicht und ist noch stets im Zunehmen begriffen. Täglich werden beinahe 300 Menschen von dieser Epidemie befallen, und davon sterben die Meisten binnen längstens 24 Stunden. Langsam breitet sich die Krankheit über das ganze Land aus, und auch die beiden nächstgrossen indischen Städte Calcutta und Madras wurden hiervon bereits ergriffen.

      Die englische Regierung ist in Folge des fanatischen Aberglaubens im Volke, dass die bösen Götter die Krankheit gesendet haben, und dass man diesen nicht entgegenarbeiten dürfe, ausser Stand gesetzt, energische Massregeln gegen das stetige Umsichgreifen der Pest einzuführen. Ja, vor drei Jahren, als die Pest zuerst auftrat und die englischen Behörden mit aller Strenge dagegen einschreiten wollten, kam es zu einem bösen Aufstande der einheimischen Bevölkerung, wobei der Pöbel jeden ihm entgegenkommenden Europäer tödtete. Erst durch Waffengewalt konnte die Ruhe wieder hergestellt und durch das Zurücknehmen aller angeordneten hygienischen Massnahmen weiter erhalten werden.

      Bewunderungswürdig ist es, dass die in Bombay weilenden Europäer von der furchtbaren Epidemie keine Notiz nehmen, ruhig und ganz furchtlos auf ihren Posten verbleiben und hierdurch auch den Einheimischen, welche sonst haufenweise fliehen würden, den Muth einflössen, auszuharren.

      Bombay und vielleicht so ziemlich ganz Indien haben kein gesundes Klima. Dies beweist ebenso das immerwährende Fortbestehen der Cholera neben der Pest, als auch, dass alle Krankheiten einen raschen und bösen Verlauf nehmen und so viele Menschen an heftigen Husten leiden, wie ich dies in meinem Hôtel Tag und Nacht bei den nebenwohnenden Passagieren wahrnehmen konnte.

      Nach der Heimfahrt fühlte ich mich zwar nicht mehr leidend, aber doch nicht so wohl wie gewöhnlich, und so entschloss ich mich, die geplante Reise nach Poona ganz aufzugeben.

      Nachmittags unternahm ich noch eine schöne Spazierfahrt längs den Ufern des Back Bays. Links ging mein Weg an den Spielplätzen (Gymkhana) für die Parsen, die Muhamedaner und die Hindus, rechts an der Verbrennungsstätte der Hindus, an dem muhamedanischen Begräbnissorte und an dem christlichen Friedhofe vorbei, dann gelangte ich zu dem »Albless Bagh«, dem Hauptorte für die feierlichen Vermählungen unter den Parsen, dann zu einer grossen Kunstschule und schliesslich hinauf auf den Malabar Hill mit seinen schönen Bungallows der Europäer. Dort sah ich auch den Complex der Bungallows des englischen Gouverneurs und auf der obersten Kuppe des Hügels das riesige Wasserreservoir für ganz Bombay mit den darauf angelegten sogenannten »hängenden Gärten«. Dort angekommen,


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