Alice's Abenteuer im Wunderland. Lewis Carroll

Alice's Abenteuer im Wunderland - Lewis Carroll


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denn der Pfuhl begann von allerlei Vögeln und Gethier zu wimmeln, die hinein gefallen waren: da war eine Ente und ein Dodo, ein rother Papagei und ein junger Adler, und mehre andere merkwürdige Geschöpfe. Alice führte sie an, und die ganze Gesellschaft schwamm an's Ufer.

      Drittes Kapitel.

      Caucus-Rennen und was daraus wird

      Es war in der That eine wunderliche Gesellschaft, die sich am Strande versammelte – die Vögel mit triefenden Federn, die übrigen Thiere mit fest anliegendem Fell, Alle durch und durch naß, verstimmt und unbehaglich. —

      Die erste Frage war, wie sie sich trocknen könnten: es wurde eine Berathung darüber gehalten, und nach wenigen Minuten kam es Alice ganz natürlich vor, vertraulich mit ihnen zu schwatzen, als ob sie sie ihr ganzes Leben gekannt hätte. Sie hatte sogar eine lange Auseinandersetzung mit dem Papagei, der zuletzt brummig wurde und nur noch sagte: »ich bin älter als du und muß es besser wissen;« dies wollte Alice nicht zugeben und fragte nach seinem Alter, und da der Papagei es durchaus nicht sagen wollte, so blieb die Sache unentschieden.

      Endlich rief die Maus, welche eine Person von Gewicht unter ihnen zu sein schien: »Setzt euch, ihr Alle, und hört mir zu! ich will euch bald genug trocken machen!« Alle setzten sich sogleich in einen großen Kreis nieder, die Maus in der Mitte. Alice hatte die Augen erwartungsvoll auf sie gerichtet, denn sie war überzeugt, sie werde sich entsetzlich erkälten, wenn sie nicht sehr bald trocken würde.

      »Hm!« sagte die Maus mit wichtiger Miene, »seid ihr Alle so weit? Es ist das Trockenste, worauf ich mich besinnen kann. Alle still, wenn ich bitten darf! – Wilhelm der Eroberer, dessen Ansprüche vom Papste begünstigt wurden, fand bald Anhang unter den Engländern, die einen Anführer brauchten, und die in jener Zeit sehr an Usurpation und Eroberungen gewöhnt waren. Edwin und Morcar, Grafen von Mercia und Northumbria – «

      »Oooh!« gähnte der Papagei und schüttelte sich.

      »Bitte um Verzeihung!« sprach die Maus mit gerunzelter Stirne, aber sehr höflich; »bemerkten Sie etwas?«

      »Ich nicht!« erwiederte schnell der Papagei.

      »Es kam mir so vor,« sagte die Maus. – »Ich fahre fort: Edwin und Morcar, Grafen von Mercia und Northumbria, erklärten sich für ihn; und selbst Stigand, der patriotische Erzbischof von Canterbury fand es rathsam – «

      »Fand was?« unterbrach die Ente.

      »Fand es,« antwortete die Maus ziemlich aufgebracht: »du wirst doch wohl wissen, was es bedeutet.«

      »Ich weiß sehr wohl, was es bedeutet, wenn ich etwas finde«, sagte die Ente: »es ist gewöhnlich ein Frosch oder ein Wurm. Die Frage ist, was fand der Erzbischof?«

      Die Maus beachtete die Frage nicht, sondern fuhr hastig fort: – »fand es rathsam, von Edgar Atheling begleitet, Wilhelm entgegen zu gehen und ihm die Krone anzubieten. Wilhelms Benehmen war zuerst gemäßigt, aber die Unverschämtheit der Normannen – wie steht's jetzt, Liebe?« fuhr sie fort, sich an Alice wendend.

      »Noch ganz eben so naß,« sagte Alice schwermüthig; »es scheint mich gar nicht trocken zu machen.«

      »In dem Fall,« sagte der Dodo feierlich, indem er sich erhob, »stelle ich den Antrag, daß die Versammlung sich vertage und zur unmittelbaren Anwendung von wirksameren Mitteln schreite.«

      »Sprich deutlich!« sagte der Adler. »Ich verstehe den Sinn von deinen langen Wörtern nicht, und ich wette, du auch nicht!« Und der Adler bückte sich, um ein Lächeln zu verbergen; einige der andern Vögel kicherten hörbar.

      »Was sich sagen wollte,« sprach der Dodo in gereiztem Tone, »war, daß das beste Mittel uns zu trocknen ein Caucus-Rennen wäre.«

      »Was ist ein Caucus-Rennen?« sagte Alice, nicht daß ihr viel daran lag es zu wissen; aber der Dodo hatte angehalten, als ob er eine Frage erwarte, und Niemand anders schien aufgelegt zu reden.

      »Nun,« meinte der Dodo, »die beste Art, es zu erklären, ist, es zu spielen.« (Und da ihr vielleicht das Spiel selbst einen Winter-Nachmittag versuchen möchtet, so will ich erzählen, wie der Dodo es anfing.)

      Erst bezeichnete er die Bahn, eine Art Kreis (»es kommt nicht genau auf die Form an,« sagte er), und dann wurde die ganze Gesellschaft hier und da auf der Bahn aufgestellt. Es wurde kein »eins, zwei drei, fort!« gezählt, sondern sie fingen an zu laufen wenn es ihnen einfiel, hörten auf wie es ihnen einfiel, so daß es nicht leicht zu entscheiden war, wann das Rennen zu Ende war. Als sie jedoch ungefähr eine halbe Stunde gerannt und vollständig getrocknet waren, rief der Dodo plötzlich: »Das Rennen ist aus!« und sie drängten sich um ihn, außer Athem, mit der Frage: »Aber wer hat gewonnen?«

      Diese Frage konnte der Dodo nicht ohne tiefes Nachdenken beantworten, und er saß lange mit einem Finger an die Stirn gelegt (die Stellung, in der ihr meistens Shakespeare in seinen Bildern seht), während die Uebrigen schweigend auf ihn warteten. Endlich sprach der Dodo: »Jeder hat gewonnen, und Alle sollen Preise haben.«

      »Aber wer soll die Preise geben?« fragte ein ganzer Chor von Stimmen.

      »Versteht sich, sie!« sagte der Dodo, mit dem Finger auf Alice zeigend, und sogleich umgab sie die ganze Gesellschaft, Alle durch einander rufend: »Preise Preise!«

      Alice wußte nicht im Geringsten, was da zu thun sei; in ihrer Verzweiflung fuhr sie mit der Hand in die Tasche und zog eine Schachtel Zuckerplätzchen hervor (glücklicherweise war das Salzwasser nicht hinein gedrungen); die vertheilte sie als Preise. Sie reichten gerade herum, eins für Jeden.

      »Aber sie selbst muß auch einen Preis bekommen, wißt ihr,« sagte die Maus.

      »Versteht sich,« entgegnete der Dodo ernst. »Was hast du noch in der Tasche?« fuhr er zu Alice gewandt fort.

      »Nur einen Fingerhut,« sagte Alice traurig.

      »Reiche ihn mir herüber,« versetzte der Dodo. Darauf versammelten sich wieder Alle um sie, während der Dodo ihr den Fingerhut feierlich überreichte, mit den Worten: »Wir bitten, Sie wollen uns gütigst mit der Annahme dieses eleganten Fingerhutes beehren;« und als er diese kurze Rede beendigt hatte, folgte allgemeines Beifallklatschen.

      Alice fand dies Alles höchst albern; aber die ganze Gesellschaft sah so ernst aus, daß sie sich nicht zu lachen getraute, und da ihr keine passende Antwort einfiel, verbeugte sie sich einfach und nahm den Fingerhut ganz ehrbar in Empfang.

      Nun mußten zunächst die Zuckerplätzchen verzehrt werden, was nicht wenig Lärm und Verwirrung hervorrief; die großen Vögel nämlich beklagten sich, daß sie nichts schmecken konnten, die kleinen aber verschluckten sich und mußten auf den Rücken geklopft werden. Endlich war auch dies vollbracht, und Alle setzten sich im Kreis herum und drangen in das Mäuslein, noch etwas zu erzählen.

      »Du hast mir deine Geschichte versprochen,« sagte Alice – »und woher es kommt, daß du K. und H. nicht leiden kannst,« fügte sie leise hinzu, um nur das niedliche Thierchen nicht wieder böse zu machen.

      »Ach,« seufzte das Mäuslein, »ihr macht euch ja aus meinem Erzählen doch nichts; ich bin euch mit meiner Geschichte zu langschwänzig und zu tragisch.« Dabei sah sie Alice fragend an.

      »Langschwänzig! das muß wahr sein!« rief Alice und sah nun erst mit rechter Verwunderung auf den geringelten Schwanz der Maus hinab; »aber wie so tragisch? was trägst du denn?« Während sie noch darüber nachsann, fing die langschwänzige Erzählung schon an, folgendergestalt:

      Filax sprach zu

      der Maus, die

      er traf

      in dem

      Haus:

      »Geh' mit

      mir vor

      Gericht,

      daß ich

      dich

      verklage.

      Komm und

      wehr' dich

      nicht mehr;

      ich muß

      haben


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