Die Colonie: Brasilianisches Lebensbild. Zweiter Band.. Gerstäcker Friedrich

Die Colonie: Brasilianisches Lebensbild. Zweiter Band. - Gerstäcker Friedrich


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heute nicht besonderer Laune, das schöne Geschlecht.«

      »Hausdrache,« meinte Justus lakonisch, »aber – was ich Dich fragen wollte, kennst Du den Lump, der da vorüber ging?«

      »Den ich so hübsch auf den Trab brachte?« fragte Bux, indem er seine kurze Pfeife zwischen die Zähne nahm, und aus dem roth und grünen Beutel stopfte.

      Der Schneider nickte und fuhr dann leise fort:

      »Das ist der nichtswürdigste Halunke, der im ganzen Ort herumläuft, und hat dabei« – er warf einen Blick zurück, ob die Frau nicht im Zimmer sei – »ganze Säcke voll Silber im Walde vergraben.«

      »Der?« sagte Bux, und hielt erstaunt mit Feuerschlagen inne – »sieht aber wahrhaftig nicht danach aus.«

      »Und doch ist's wahr,« betätigte Justus; »der Lump ist mit allen Hunden gehetzt, verdient Geld Hand über Hand und giebt nicht einen Pfennig davon aus. Was er aber zusammenscharrt, steckt er in einen alten Sack und gräbt's irgendwo draußen ein, wo es der Teufel selber nicht finden kann.«

      »Hm,« sagte Bux, indem er den dicken Qualm aus seiner Pfeife blies und Justus dabei gerade in's Gesicht starrte – »das wäre ein Fund für einen ehrlichen Kerl, wenn man einmal über ein solches Nest stolperte!«

      »Ja, hat sich was!« brummte der Schneider – »an unser Einen kommt so 'was nicht – hol's der Böse, ich hab' einmal kein Glück!«

      »Zu viel Glück in der Liebe!« lachte Bux, und Justus murmelte einen gotteslästerlichen Fluch vor sich in den Bart, während der mit der Tresse weiter dampfte. Beide blieben auch jetzt eine Weile mit ihren eigenen Gedanken beschäftigt. Endlich nahm Bux das Gespräch wieder auf.

      »Sollte er wirklich so dumm sein, es draußen im Walde verscharrt zu haben?«

      »Und warum dumm? Sollt' er's lieber Jemandem borgen?«

      »Uns Beiden etwa?« lachte Bux.

      »Draußen liegt's, das ist sicher,« fuhr Justus fort, ohne auf den harmlosen Scherz einzugehen, »und ich – habe auch eine entfernte Ahnung, wo, aber allein ist mit dem Schuft Nichts zu machen. Er hat Kräfte wie ein Bär, und ich möchte ihm nicht einzeln in der Gegend in den Weg laufen.«

      »Und muß er dabei sein? Wenn nun einmal irgend Jemand wo nach Trüffeln gräbt?« fragte der Andere jetzt lauernd, denn sein neuer Kamerad schien mehr zu wissen, als er anfangs selber gedacht. Justus war aber noch nicht recht mit sich im Klaren, denn die Bekanntschaft mochte ihm doch wohl noch zu neu erscheinen, um gleich eine so große Vertraulichkeit zu rechtfertigen. Der mit der Tresse hatte ihn dabei viel zu rasch beim Wort genommen, und Justus, ob er nun wirklich Nichts weiter wußte, oder sich noch erst einmal ein derartiges Compagnongeschäft reiflicher überlegen wollte, hielt zurück und gab ausweichende Antworten.

      Bux dachte ebenfalls nicht daran, ihn zu drängen, und nur erst auf die Spur gebracht, brauchte er vielleicht nicht einmal den Schneider zu seiner weiteren Hülfe – er hatte schon andere Dinge möglich gemacht.

      »Bleibst Du in Santa Clara?« fragte ihn Justus jetzt.

      »Vor der Hand, ja – muß erst wieder frisches Reisegeld haben, um ein Wenig im Lande herumzufahren; nachher lass' ich mich nieder, kaufe mir ein paar Dutzend Mohren und werde Pflanzer.«

      »Du giebst wohl Vorstellungen?« fragte der Schneider.

      »Wollen sehn was zu machen ist, und ob die Leute Geld haben. Sie werden's doch nicht Alle im Wald verscharren?«

      »Ne, schwerlich,« lachte Justus – »ich wenigstens nicht.«

      »Na, denn adjes, Kamerad, für jetzt – bin gerade dabei, ein Bißchen im Orte umher zu horchen, wie die Sache am Besten anzufangen ist. Wer könnte Einem denn da wohl die bequemste Auskunft geben?«

      »Hm,« sagte Justus nachdenkend – »der Pfarrer.«

      »Hahahaha,« lachte Bux, »da käm' ich gerade an die rechte Schmiede – »ne, Kamerad, mit dem Pfarrer hat mein Geschäft oder meine Kunst, wenn Du willst, Nichts zu thun.«

      »Gut, da geh nicht hin,« brummte Justus beleidigt – »wenn Du mir aber folgen willst, gehst Du gerade zum Pfarrer, und um Gotteswillen nicht zum Director, denn mit dem wär's Nichts. Der Pfarrer ist aber ein kreuzfideles Haus, ein Pastor, wie er im Buche steht, der seinen Spaß mitmacht, und auch bei Gelegenheit einmal über die Schnur haut.«

      »Und bist Du wirklich im Ernst?« fragte der mit der Tresse, noch immer zweifelhaft.

      »Gewiß bin ich,« sagte Justus ernsthaft; »versuch's nur einmal – er beißt nicht.«

      »Gott straf' mich, dann geh' ich zum Pfarrer!« lachte Bux laut auf – »und wenn's nur des Spaßes wegen wäre, daß der und ich einmal in einem Joche ziehen. Also auf Wiedersehen, Kamerad!« Damit drückte er seinem neu gefundenen Freunde die Hand, rückte seine Mütze wieder auf ein Ohr und schlenderte langsam in die Stadt zurück.

      2

      Die Maniok-Mühle

      Etwa zwölf Legoas die Küste abwärts und eine volle Legoa in den Wald hinein lag eine große, trefflich gehaltene und bestellte Chagra oder Plantage, mit weiten Mais-, Bohnen- und besonders Maniokfeldern1, in welchen letzteren eine Anzahl Neger beschäftigt war, die großen, schweren Wurzeln auszugraben oder, wo das ging, aus dem Boden zu ziehen und auf Haufen zu werfen, während sie die holzigen Büsche ebenfalls zusammen schleppten, um sie zu verbrennen.

      Dicht an den Feldern und in einem wirklichen Walde von Orangenbäumen lagen die Häuser des Eigenthümers mit den Negerwohnungen, ohne Anspruch auf Symmetrie nach allen Richtungen und Winkeln angebaut.

      Jedenfalls war es eine sehr bedeutende und umfangreiche Plantage, aber die Wohnungen verriethen das trotzdem nicht, denn etwas Einfacheres als ihre Bauart und Einrichtung ließ sich nicht wohl denken oder herstellen. Die Gebäude selber waren aus Holz und Lehm ausgeführt, mit Schindeln und Schilf gedeckt, und wohl mit Fensterlöchern versehen, aber natürlich ohne Rahmen und Glas. Selbst der Boden war nicht gedielt, sogar nicht einmal in der Wohnstube des Besitzers; die Luft konnte überall frei aus und ein, und wenn sich einmal der Morgen oder Abend außergewöhnlich frisch zeigen sollte, so wurde nur ein großer Brazero, ein Messingkohlenbecken mit Holzkohlen, mitten in's Zimmer gesetzt, und wer gerade darin war, kauerte darum her.

      Eben so einfach wie das ganze Haus waren die Möbel, welche allein aus schlicht gehobeltem Holze bestanden, und statt der Betten dienten auf ein Gestell scharf angespannte Kuhhäute, auf denen ein paar wollene Decken und ein mit wilder Baumwolle ausgestopftes Kopfkissen lagen. Unter jedem Bett aber standen ein Paar Pantoffeln für etwa eintreffende Fremde, denn es scheint fast, als ob sich ein Brasilianer keine Existenz außer in Pantoffeln denken könnte. Er trägt dieselben nicht allein im Hause, sondern auch auf seinen Spaziergängen, ja selbst auf Reisen, und Brasilianer in Schlapppantoffeln zu Pferde sind gar nicht etwas so Seltenes. So viel ist gewiß, so wie er ein Dampfboot betritt, zieht er augenblicklich die ihm lästigen Schuhe aus und seine ihm weit bequemeren Pantoffeln an, selbst wenn die übrigens rein gewaschenen Socken oft an den Hacken sehr bedenkliche Löcher zeigen.

      Für Bequemlichkeit hat deshalb der brasilianische Pflanzer wohl einen Sinn, für Wohnlichkeit oder Häuslichkeit aber gewiß nicht, und er verwendet sein Geld viel lieber auf ein mit schwerem Silber überladenes Reitzeug oder Pferdegeschirr, als auf den Platz, der ihm und seiner Familie zur Wohnung dient, der also seine Heimath sein sollte – hat er doch nicht einmal ein Wort für Heimath.

      Dicht an die kleinen Häuser angebaut stand ein großer, auf Pfählen errichteter Schuppen, ebenfalls mit Lehmwänden, einer mächtigen Thür, durch die ein beladener Karren recht gut einfahren konnte, und im Innern mit einer vollständigen Mahleinrichtung, die aber trotzdem kaum den dritten Theil des Raumes ausfüllte.

      Die Mühle selber war nicht ganz in der Mitte angebracht und bestand in einem sehr einfachen Räderwerke, das weiter Nichts als ein mit durchlöchertem Eisenblech beschlagenes Rad trieb. Das Eisenblech war in der Art wie unsere gewöhnlichen Reibeisen, welche sich in jeder Küche finden, nur etwas gröber ausgeschlagen, und


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Die Maniok-Wurzel ist eine der Kartoffel nicht unähnliche Knolle, welche mit Bohnen und Schweinefleisch das Haupt-Nahrungsmittel der Brasilianer bildet. Sie wächst, als Wurzel eines Strauches, aber nicht rund, sondern lang, nur unter der Erde und oft bis zu Armesdicke, mit einer dünnen, braunen Schale, wie die Kartoffel. Sonderbarer Weise ist sie giftig, wenigstens der Saft derselben, und sie muß deshalb zerrieben und ausgepreßt werden, wonach man das dadurch erhaltene grobe Mehl dörrt und zu den Speisen verwendet. Eine ganz ähnliche Wurzel wie die Maniok, und in Strauch und Knolle kaum von ihr zu unterscheiden, ist die besonders in Peru und Ecuador angepflanzte Yuka, welche aber kein Gift enthält und häufig geröstet gegessen wird.