Nach Amerika! Ein Volksbuch. Dritter Band. Gerstäcker Friedrich

Nach Amerika! Ein Volksbuch. Dritter Band - Gerstäcker Friedrich


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so viel steht fest, das ist Thatsache, und Sie mögen deshalb versichert sein, daß ich nicht mit extravaganten Erwartungen, unmöglich zu erfüllenden Hoffnungen etc. hinübergehe – ankomme, könnte man jetzt fast sagen. Meine früheren Schicksale können Ihnen gleichgültig sein – »weit in nebelgrauer Ferne, liegt mir das verlass'ne Glück« – es ist vorbei, und ich muß Ihnen jetzt nur vor allen Dingen sagen daß ich Kaufmann bin, und es für vortheilhaft halten würde eine kurze Zeit erst, ehe ich mich selbstständig etablirte, in irgend eine Condition zu treten, sei es auch nur auf zwei oder drei Monat, die Verhältnisse dort vor allen Dingen durch Augenschein genau kennen zu lernen.«

      »Conditionen« begann Henkel, als ihm der Weinreisende wieder in die Rede fiel:

      »Sind vielleicht nicht so ganz leicht gleich zu bekommen, ja das glaub ich; auch das habe ich schon mehrfach gelesen; aber wissen Sie, ich bin auch zugleich Geschäftsmann, und Ihnen, Herr Henkel, brauche ich nicht zu sagen daß Amerika gerade das Land der wirklichen Geschäftsleute ist – Sie wissen das ja am besten aus eigener Erfahrung. Übrigens stehe ich auch noch mit dem Haus für das ich in Deutschland gereist bin: Schwartz und Pelzer, eines der bedeutendsten Häuser in Frankfurt in selbst intimer Verbindung. Der Mensch muß so viel Eisen als möglich im Feuer haben, wenn er in dieser Welt reussiren will, und ich habe es für zweckmäßig gehalten keine Brücke hinter mir abzubrechen, so lange ich sie mit Bequemlichkeit gangbar halten konnte. Sie werden mir darin Recht geben Herr Henkel. Auch darüber sind Sie vielleicht im Stande mir Auskunft zu ertheilen, verehrter Herr, ob und wiefern ich auf einen Absatz in diesem Geschäft, wenn alle übrigen Stricke rissen, und günstigen Erfolg wohl rechnen könnte.«

      »Um deutsche Weine in Amerika zu verkaufen?« frug Henkel.

      »Allerdings – freilich kann ich mir denken« fuhr Steinert rasch fort, ohne dem Gefragten Zeit zu einer direkten Antwort zu geben, »daß der amerikanische Markt zu Zeiten mit solchen Vorräthen überfüllt sein mag, denn es werden enorme Massen von Wein auch wohl von anderen Ländern hinübergeschickt, gute Waare hält aber doch, wie ich Ihnen nicht zu sagen brauche, ihren Werth, und wenn die Leute erst einmal merken daß sie prompt und reell bedient werden, dann sind sie gar nicht mehr wegzutreiben aus der Kundschaft; ich habe darüber unendlich viel Erfahrungen gesammelt, in meinem Leben, und Sie sind darin gewiß ganz meiner Meinung. Übrigens habe ich einige vortreffliche Empfehlungen, an sehr bedeutende Häuser in New-Orleans; glauben Sie nicht daß die mit etwas nützen können? – Ich baue nicht etwa zu viel, oder gar einzig und allein darauf,« fuhr er dabei rasch fort, als ob er fürchte daß ihm Herr Henkel die Hoffnung über den Haufen werfen könne, und ehe dieser auch nur im Stande war eine Sylbe darauf zu erwiedern – »selbst ist der Mann und die Empfehlung die man im eigenen Kopfe trägt ist immer die Beste, und man kann sich am Festesten auf sie verlassen, aber jedenfalls sind es doch immer Einführungen in gute Häuser – so zu sagen gestempelte Visitenkarten. Ein Freund von mir hat zum Beispiel eine brillante Parthie, nur durch solch einen einfachen Empfehlungsbrief gemacht, er mußte zwar seine Braut – seine jetzige Frau – entführen und die Eltern waren außer sich darüber – haben die Tochter auch enterbt, aber was wollen Eltern in einem solchen Fall machen, wenn der Priester erst einmal seinen Segen darüber gesprochen hat – dann ist die Geschichte aus, und das Klügste was sie thun können ist, daß sie ebenso thun als ob sie selber damit zufrieden wären. – O zarte Sehnsucht süßes Hoffen; der ersten Liebe goldne Zeit – «

      »Aber Sie wünschten, soviel ich verstanden habe, irgend etwas Specielles über Amerika zu erfahren« sagte Henkel, dem das Gespräch mit dem Mann anfing unbequem zu werden.

      »Allerdings, mein verehrter Herr Henkel« sagte Steinert, einen flüchtigen Blick in den Hut werfend, ob seine Frisur auch noch nicht durch den Wind gelitten habe – »ich möchte ungemein gern einen Blick in das Verhältniß thun, in dem in Amerika der Commis z. B. zu seinem Principal, und die Geschäftswelt im Allgemeinen zu der politischen Welt, von einem rein menschlichen Standpunkte aus genommen, steht. – Ich muß Ihnen dabei voraus bemerken« setzte er wieder rasch hinzu, als er sah daß Henkel etwas darauf antworten wollte, »daß ich schon von einem dort lebenden Freund einige sehr werthvolle Briefe über Amerika besitze, in denen er mir das dortige Leben flüchtig – mehr allerdings in Anekdoten die in unser Fach schlagen – schildert. Es ist aber Nichts gefährlicher als sich auf einseitige Urtheile, die doch immer hie und da durch ein gewisses Verhältniß bestimmt sein können, zu verlassen, und ich habe mir deshalb besonders die Freiheit genommen Sie aufzusuchen. Glauben Sie übrigens nicht« fuhr er ohne weiteres fort, »daß ich, wie viele meiner Landsleute, den höchsten Werth gerade in jene so oft herausgehobene Gleichheit der Amerikanischen Bürger setze – ich weiß recht gut daß ein allgemeiner Leiter des Geschäftes nicht allein unbedingt nöthig, sondern auch für die Engagirten höchst angenehm und bequem ist; der vernünftige Mann fügt sich dabei leicht in das, was ihm selber als nothwendig erscheint, aber gerade diese Gleichberechtigung des einen Standes selbst der höchsten Aristokratie gegenüber, hat doch auch wieder, wie sich nicht leugnen läßt, etwas sehr Angenehmes und Verlockendes, darf aber natürlich, wie Sie gewiß auch der Meinung sind, unter keinen Umständen gemisbraucht werden.«

      »Allerdings« sagte Henkel, der es jetzt aufgegeben hatte irgend etwas Selbständiges zu äußern, und den Mann eben ausreden ließ.

      »Das steht also auch fest« sagte Steinert, mit einer verbindlichen Verbeugung für die Anerkennung, »daß eben unser Stand, der uns die freie Bewegung nach allen Seiten läßt, einer der angenehmsten im ganzen weiten Reiche sein müßte, und man, wenn man nicht gerade mit zu großen Erwartungen hinüber geht, ja eigentlich eher auf einzelne kleine Enttäuschungen gefaßt ist, eines ziemlich sicheren Erfolges, natürlich den einzelnen Fähigkeiten entsprechend, auch gewiß sein könne, nicht wahr? – Ich versichere Sie, Herr Henkel, daß es mir eine große Beruhigung gewährt, diese Ansicht auch von Ihnen, der das Land doch durch und durch kennt, vertreten zu sehn, und ich bin Ihnen in der That ungemein verpflichtet, verehrter Herr, für Ihre gütige Bereitwilligkeit, mir darin Auskunft zu geben.«

      »Wenn Ihnen das Wenige genügt« sagte Henkel, der trotz seiner sonst ernsten Stimmung doch ein Lächeln nicht verbergen konnte, indem er sich von der Railing, an der er gelehnt, aufrichtete.

      »Oh bitte« rief aber Steinert, »guter Rath kommt oft vor guter That, und wer nur ein wenig Auffassungsgabe hat, für den ist ein Wink soviel, wie eine ganze Predigt für einen minder Begabten. Entschuldigen Sie nur daß ich Sie vielleicht indeß von einer angenehmeren Beschäftigung abgehalten habe.«

      Er war indessen ebenfalls aufgestanden und, seinen Hut in der Hand, im Begriff das Quarterdeck wieder zu verlassen.

      »Ganz und gar nicht« sagte Henkel, froh so billigen Kaufs davongekommen zu sein, setzte aber mit leiser Ironie im Ton, die jedoch an Steinert gänzlich verloren ging, hinzu – »und wenn Sie wieder eine Auskunft wünschen sollten, die ich im Stande wäre Ihnen zu geben, so stehe ich mit Vergnügen zu Diensten.«

      »Zu gütig – zu gütig in der That« sagte der Weinreisende, seinen Hut in der Hand herumdrehend, »aber – aber eine Frage möchte ich mir doch noch, und zwar mehr vom particularistischen Standpunkte aus erlauben. Sie sind in New-Orleans ansässig, mein verehrter Herr Henkel?«

      »Allerdings.«

      »Werden sich dort etabliren?«

      » – Ja.«

      »Dürfte ich mir in dem Fall erlauben« sagte Herr Steinert, indem er seinen Hut unter den linken Arm drückte und seine Brieftasche aus der linken Brusttasche nahm, »Ihnen unser Haus, in allen Arten von feinen und leichten Rheinweinen, Rheinischen Champagnern und Pfälzer Weinen zu empfehlen – hier die Adresse mit Preiscourant und der Versicherung billiger, rascher und prompter Bedienung.«

      »Aber ich weiß nicht ob ich – «

      »Bitte« unterbrach ihn Steinert rasch, »ist auch für den Augenblick gar nicht nöthig – für später vielleicht – ist auch nicht etwa des Nutzens wegen, verehrter Herr, nur wirklich der Annehmlichkeit wegen, mit Ihnen in eine angenehme Geschäftsverbindung zu treten. Ich bin auch dabei so von der Solidität unseres Hauses überzeugt, daß ich in diesem Augenblick wirklich nicht weiß Ihnen meine Dankbarkeit auf eine bessere und würdigere Weise dazuthun. 'Werde mir dann schon die Freude machen Sie in


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