Aus zwei Welttheilen, Erster Band.. Gerstäcker Friedrich

Aus zwei Welttheilen, Erster Band. - Gerstäcker Friedrich


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Führung unbedingt vertrauten und dann zu spät einsahen, wie sie von Menschen geleitet waren, denen selbst kaum die obere Rinde der dortigen Verhältnisse bekannt geworden. Allerdings weiß ich, welche Schwierigkeiten es hat, Deutsche zu einem gemeinschaftlichen Zusammenleben zu bewegen; ja ich halte es sogar, außer unter dem strengsten religiösen Zwang, für eine positive Unmöglichkeit. Das darf aber auch gar nicht der Zweck einer Uebersiedelung von Armen sein, der Staat hat genug gethan, wenn er sie hinüber schafft und dort dafür sorgt, daß sie wenigstens im Anfang einen Wirkungskreis für ihre Thätigkeit bekommen, was nur durch Ankauf einer selbstständigen Strecke Landes geschehen kann. Für das weitere Fortbestehen ihres Zusammenlebens wäre es verlorene Mühe sorgen zu wollen – es findet dann später ein Jeder schon seine eigene Bahn, und wer nicht Lust hat, das ihm angewiesene Land zu bebauen, der mag es verlassen und irgendwo anders Beschäftigung suchen. Das Land muß ihm nur im Anfang als Aufenthaltsort gegeben werden, daß er nicht gerade in der Zeit, wo er weder Sprache noch Sitten kennt, als ein Bettler die Staaten durchstreift, und sowohl für sich selbst ein eben so elendes Leben fortsetzt, als er es hier geführt, sondern auch seinen anderen Landsleuten unendlichen Schaden zufügt, indem er sie durch sich selbst in den Augen der Amerikaner herabwürdigt.

      Das Alles ist jedoch nur durch Leute möglich zu machen, die Amerika nicht allein vom Bord eines Dampfschiffes aus, oder durch das Coupeefenster eines Bahnzuges kennen gelernt, sondern die sich selbst eine genaue Kenntniß der dortigen Verhältnisse an Ort und Stelle verschafft haben. Ebensowenig wäre es aber auch anzurathen, dortigen Ansiedlern die Wählung eines Platzes zu überlassen; diese werden nie im Interesse der Uebersiedler, sondern stets in ihrem eigenen Interesse handeln und zwar die neue Colonie so viel als möglich in ihre Nähe, wenn nicht gar auf ihr eigenes Land zu bringen suchen, um einen sicheren und bequemen Absatz für ihre Produkte zu finden. Das Alles wird durch einen dabei nicht selbst Betheiligten vermieden, dann aber bietet auch der weite Westen der Vereinigten Staaten einen ungeheueren Abzugscanal für jene Unglücklichen, die hier hungern müssen, während dort Brod wächst sie zu sättigen, die den Quell kennen, der sie vor dem Verschmachten retten würde, ihn aber nicht zu erreichen vermögen, weil ihre Kräfte erschöpft, ihre Glieder erschlafft sind. Jetzt werden sie nur durch dürftige Spenden dürftig am Leben gehalten – eine kräftige Hülfe aber, die das Uebel bei der Wurzel faßte und herausrisse, würde nicht allein Denen einen freieren Blick in die Zukunft gestatten, die jetzt durch das Unglück ihrer Mitmenschen jede Freude verbittert sehen, und immer nur gedrängt und getrieben werden, zu helfen und zu unterstützen, sondern auch für Die, die es selbst betrifft, von segensreichster Wirkung sein.

      Nur durch die Auswanderung kann eine wirkliche und nachhaltende Linderung der jetzigen Noth einzelner Klassen ermöglicht werden.

      Die Wolfsglocke

      In den Washita-Bergen Nord-Amerikas liegt der Schauplatz auf den ich den Leser führen will. Dort, in den wilden Thälern jener reizenden Hügelketten existirt noch der richtige Backwoodsman; schlicht und ehrlich, rauh und derb, aufopfernd in seiner Freundschaft, aber gefährlich in seinem Haß, und sein Leben großentheils von der Jagd, etwas vom Ackerbau, und meist von der Viehzucht abhängig machend.

      Die letztere wird ihm besonders durch das milde Klima jener Gegend, durch die grasreichen Hügel, durch die noch hie und da mit dichten Schilfbrüchen gefüllten Thäler erleichtert, und wenig Mühe ist es, die ihm die Zucht einer oft nicht unbeträchtlichen Heerde kostet. Dann und wann eine Hand voll Salz, nahe zu seiner Hütte hingeworfen, eine häufige und regelmäßige Wanderung von einem der kleinen zerstreuten Trupps zum andern, daß sie den Anblick des Menschen gewohnt blieben und nicht wild wurden – und der Sorgfalt, die er möglicher Weise darauf verwenden konnte, war vollkommen Genüge geleistet.

      Einen Feind aber hatte er, den er, so oft er ihm auch nachstellte und ihn mit Büchse und Falle unermüdlich verfolgt und zu vernichten strebte, doch nicht bewältigen konnte, einen Feind, der Nachts in heulenden Schaaren die ängstlich blökende Heerde umschlich, und manch kräftiges Kalb, ja sogar manch einzeln abschweifende Kuh – und wie viel Ferkel und junge Schweine! – überfiel, erwürgte und verzehrte – dieser listige, blutgierige und erbarmungslose Feind war der Wolf.

      Durfte man es dem Backwoodsman verargen, wenn er seine ganze List und Jagdkenntniß anwandte, solch schlauem und gefräßigem Diebe beizukommen? – aber so eifrig er auch auf der Lauer lag, so manche Nacht er, Mosquiten und Holzböcken zum Trotz, in den Aesten irgend einer knorrigen Eiche eingeklemmt hing, und beim matten Mondeslicht den scheuen Räuber durch angeschlepptes Aas herbeizulocken und zu belauern gedachte, so selten war er im Stande der höchst umsichtigen Bestie die tödtliche Kugel in den Pelz zu schicken. Die Zahl der Raubthiere mehrte sich, trotz den unermüdlichen Nachstellungen, von Jahr zu Jahr, und im Verhältniß dazu wurden die Heerden gelichtet, so daß wirklich etwas ernstlich geschehen mußte, wenn sich die Viehzüchter nicht genöthigt sehen sollten ihre Weidegründe, nur allein dieser Plage wegen, aufzugeben. – Und ein Hinterwäldler einem Wolf das Feld räumen, – ei Klapperschlangen und Poppkorn! das wäre ja wahrhaftig eine Schmach und Schande für sein ganzes Leben gewesen!

      Daß unter solchen Umständen derjenige welcher die meiste Geschicklichkeit auf der Jagd bewies, auch der geachtetste der Jäger war, versteht sich wohl von selbst, und so geschah es auch daß sich Benjamin Holik, der erst seit kurzer Zeit aus Missouri heruntergekommen war, in kaum einem halben Jahre, wo er allein mit seiner Büchse siebzehn der Bestien erlegt hatte, den Ehrennamen »Wolfs Ben« verdiente, und bald für den besten Wolfsjäger im ganzen Reviere galt.

      Wolfs Ben war auch noch außerdem ein gar stattlicher und wackerer Bursche; gut seine sechs Fuß hoch, mit wahrhaft riesigen Schultern und Armen und einer Kraft, der es keiner der doch sonst gewiß nicht schüchternen Hinterwäldler, gewagt hätte, im Einzelkampf zu begegnen, zeigte er sich sonst in seinem ganzen Wesen als der gutmüthigste, verträglichste und gefälligste Freund. – Mit einem guten Wort ließ sich von ihm Alles erlangen, die vorletzte Ladung Pulver gab er her und den letzten Bissen den er in seine Decke gewickelt bei sich trug; dabei war er der trefflichste Gesellschafter, wußte Unmassen der abenteuerlichsten Geschichten zu erzählen, half, wo er einmal irgendwo übernachtete, mit unermüdlichem Fleiße Feuerholz schlagen und zum Haus schaffen, den Mais in der Stahlmühle mahlen, die Thiere versorgen etc., und hatte sich dadurch sowohl wie durch sein männlich schönes Aeußere die Herzen sämmtlicher Frauen der Ansiedlung dermaßen gewonnen, daß er die übrigen jungen Burschen wahrhaft zur Verzweiflung brachte und schon anfing, trotzdem daß er noch Keinem auch nur eines Strohhalms Hinderniß in den Weg gelegt, recht tüchtige Feinde unter ihnen zu zählen.

      So still und ruhig aber Wolfs Ben dabei seinen Weg ging und anscheinend harmlos in den Tag hinein lebte, so hatte er doch auch die Augen weit genug offen und wußte selber am besten unter welchem Dach er am liebsten schlief, in welche Augen er am unermüdlichsten schauen konnte, und wo ihn – nicht das freundlichste Gesicht, denn die Mädchengesichter bewillkommten ihn alle freundlich – wohl aber das süßeste Erröthen begrüßte, das ihm bis jetzt noch stets das Blut in rasender Schnelle durch die Adern gejagt.

      Doch ich will dem Leser keine langen Räthsel aufgeben, die er jedenfalls schon eine Weile vorher errathen hätte. – Benjamin Holik liebte – wie nur seine treue einfache Seele lieben konnte – so recht aus Herzensgrunde Robert Suttons liebliches und einziges Töchterlein, und die einzige und alleinige Sorge die ihn dabei quälte war, daß Sutton, der die größte Farm- und Baumwollenplantage unten am Washita und Red River besaß, und im Sommer hier nur eigentlich seiner Heerden und seiner Gesundheit wegen in die Berge zog, für einen sehr reichen, und – was noch schlimmer, geizigen Mann galt, und er – armer Teufel! – weiter Nichts auf der weiten Welt besaß als seine Büchse, sein Messer und seinen gesunden Körper. – Sein braves ehrliches und treues Herz schlug er dabei gar nicht an, und doch war das die kostbarste Perle, die in ihrer Umhüllung nur wie in einer weit minder werthvollen Schaale saß.

      Ben hatte aber schon oft und lange, und nicht selten mit recht trüben Sinnen darüber nachgedacht, wie er es eigentlich anfangen sollte etwas Geld zu verdienen und einen kleinen »start« wenigstens zu haben, mit dem er beginnen könne – denn sich um Arbeit auszudingen und langsam und mühsam Dollar nach Dollar in schwerer Tages- und Monatsarbeit zu verdienen, das schien ihm ein viel zu langer und weitläufiger Weg und hätte ihn seinem Ziele auch wohl nun und nimmermehr


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