Pfarre und Schule. Dritter Band.. Gerstäcker Friedrich

Pfarre und Schule. Dritter Band. - Gerstäcker Friedrich


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des Himmels« stöhnte da Fritz in Todesangst, – »Sie sagen das, Sie, der Sie mir hier an dieser Stelle, wo wir jetzt bei einander stehn, zuriefen – ›Schieße die Wildfrevler nieder – und auf meine Verantwortung?‹ An mich gehalten hab' ich und Alles ertragen, um nicht ein Mörder zu werden, die Feindschaft aller Bauern dabei durch den Eifer auf mich gelenkt, den ich in Ihrem Dienst bewiesen, und jetzt – jetzt, wo ich in Selbstvertheidigung vielleicht mein Leben, oder was noch mehr ist, meine Ehre retten mußte – jetzt, wo ich den ärgsten Wilddieb, der je auf Hornecker Revier mit der Flinte herumgezogen, auf Hornecker Revier, niedergeschossen habe, jetzt bin ich ein ruchloser Mörder und soll allein, elend in die Welt hinausgestoßen werden. Gut, ich will gehen, den Bauern will ich entgegengehn und sagen hier – hier Ihr Schurken – hier nehmt Rache an dem vergossenen Blut – Auge um Auge, Zahn um Zahn – aber mein Blut kommt über den Gutsherrn drinn und Gott möge ihm einst in seiner letzten Stunde –«

      »Poller – Poller!« rief der Oberpostdirector, in voller Aufregung zu der schmalen steilen Treppe gehend, die in die Bedientenstube hinunterführte – »Poller!«

      »Zu Befehl Euer Gnaden!« antwortete die bereite Stimme des Dieners, der unten an der Treppe gehorcht, sich aber wohl gehütet hatte, seinen Kopf oben blicken zu lassen.

      »Ruf mir den Christoph und Dietrich – schnell – sie sollen mir den Burschen da aus dem Hause prügeln.«

      »Prügeln!« rief der arme mishandelte und in den Staub getretene Jägerbursche, und wie unwillkürlich fuhr er mit der gewohnten Waffe empor.

      Der Oberpostdirector wandte sich in diesem Augenblick nach ihm um, sah die drohende Bewegung des so schon zur Verzweiflung getriebenen Jägers, der mit flatternden Haaren und blutbedecktem Antlitz, wie ein zum Sprung bereiter Panther vor ihm stand, und trat, mit einem nur halblaut ausgestoßenen Schrei einen Schritt zurück. Dicht hinter ihm aber waren die Stiegen, er verfehlte die oberste Stufe, glitt aus, griff nach dem Geländer – der schwere Körper gewann aber das Uebergewicht und polternd, und Hülfe rufend, stürzte er die wohl zwanzig Fuß tiefe, sehr steile Treppe, mit dem Kopf voran, unaufhaltsam hinunter.

      »Gebe Gott, daß er den Hals gebrochen hat!« sagte Wahlert ruhig, während Fritz in stummem Entsetzen zur Treppe sprang, um nach zu sehn, ob sich der Gutsherr wirklich Schaden gethan. Wahlert aber ergriff seinen Arm, zog ihn mit sich nach der Thür und sagte hier rasch und leise:

      »Jetzt fort mit Ihnen – überlassen sie den Cadaver seinem Schicksal – ob er todt oder lebendig ist, braucht uns wenig zu kümmern – es wäre ein Gottesgericht gewesen – aber auch zu milde, denn wenn es überhaupt Gerechtigkeit in der Welt giebt, hatte ich immer noch gehofft den Schurken einmal hängen zu sehn. Für Sie ist aber kein Bleibens mehr im Ort – auch drüben bei Ihrem Vater können Sie sich nicht aufhalten, Sie würden jedenfalls, dem souverainen Volk jetzt gegenüber, eingezogen – vielleicht gestraft, und doch sagt mir Ihr ganzes Aeußere, daß Sie recht gehandelt.«

      »Aber wo soll ich hin?« rief Fritz verstört und unschlüssig – »in diesem Aufzug –«

      »Dazu kann Rath werden« erwiederte Wahlert – »hier« – und er zog seinen Burnus aus, hing ihn dem Jägerburschen über und drückte ihm dann den eignen Hut in die Stirn. – »So, hier drinn steht eine Flasche mit Wasser, da – nehmen Sie dieß Taschentuch, so – über dem Auge ist noch etwas – oh das ist eine Wunde, nun die wird schon heilen; ziehen Sie den Hut ein wenig in's Gesicht und gehn Sie jetzt geraden Wegs nach Bachstetten hinüber zum Schullehrer – halt – der ist heute Abend hier in Horneck – desto besser – so kann er Sie selbst mitnehmen – jetzt nur fort. Oben wo der Graben in den Wald läuft, in welchem ich damals von gewissen Leuten verfolgt, heraus und nach der Pfarre zu kroch, treffen wir uns – fort – die Leute kommen mit dem Gestürzten herauf.«

      »Aber meine Flinte? –«

      »Nehme ich unterdessen und werde dafür sorgen, daß sie wieder in Ihre Hände kommt.«

      »Und mein Vater?«

      »Soll durch mich erfahren, daß Sie in Sicherheit sind.« –

      »Und –«

      »Und wer?« – Fritz antwortete nicht – »Fort denn,« sagte Wahlert, »Sie haben keine Secunde mehr zu verlieren!«

      Er zog den Jäger mit sich aus der Thür, die er hinter sich wieder schloß, brachte ihn vor das Gut hinaus und sah dort noch eine Weile hinter ihm drein, als er nach flüchtigem aber herzlichen Dank in der mehr und mehr einbrechenden Dämmerung auf schmalen dunkeln, ihm aber wohlbekannten Gartenpfaden durch das Dorf hinauf und wahrscheinlich direkt der ihm von Wahlert bezeichneten Stelle zufloh, wo er später einen sicheren Versteck sollte angewiesen bekommen.

      Drittes Kapitel

      Fritz Holke's Flucht

      Die Aufregung, die durch den Tod Müller Friedens in all' die umliegenden Ortschaften kam, war entsetzlich. – Das Gerücht ging, der Horneck'sche Jäger habe den Mann blos deshalb erschossen, weil er einen kranken Hasen hätte fangen wollen. Krautsch, der den Schnitt durch's Gesicht davon getragen, that ebenfalls sein Möglichstes, die Wuth gegen den ihm ohnedies verhaßten Jäger noch zu schüren und zu erhöhen, und die Gerichte, von allen Seiten bestürmt, mußten wohl auf den flüchtigen, seit jenem Abend aber verschwundenen Mörder fahnden, wollten sie nicht besorgliche Auftritte heraufbeschwören, die doch am Ende die Ruhe der hochweisen Polizei vielleicht gestört hätten.

      Und der Postdirector von Gaulitz?

      Der lag drei Tage besinnungslos auf seinem Bett – und phantasierte, als er endlich wieder zu sich kam, von entsetzlichen Sachen, die den Umstehenden das Haar zu Berge sträubten. Die Frau von Gaulitz ließ auch endlich gar Niemanden weiter in's Krankenzimmer, als den Arzt, dem überhaupt gleich ein kleines Gemach im Gute eingeräumt worden war, damit er, wenn sein Aufenthalt nicht ganz unumgänglich nothwendig in der Residenz war, hier bleiben und schlafen konnte, denn das Leben des Postdirectors schwebte lange in höchster Gefahr.

      Im Anfang hieß es dabei sogar, der Jägerbursche, dessen drohende Stimme Poller unten in seiner Stube gehört haben wollte, hätte den alten Mann, der dem Mörder seinen Schutz verweigert, die Treppe hinabgeschleudert, Wahlert trat dagegen aber augenblicklich und auf das nachdrücklichste als Zeuge auf, und sagte aus, wie er dabei gestanden habe, als der Postdirector, die Stufe verfehlend, hinabgestürzt sei, ohne daß ihm der Jäger auch nur auf sechs Schritte zu nahe gekommen wäre. Das rechtfertigte diesen allerdings von der Anklage, half aber dem Postdirector nur wenig, der sich auch noch, wie eine spätere, allerdings zu späte Untersuchung, darthat, die Hüften ausgerenkt und zwei Rippen gebrochen hatte.

      Der Jäger war indessen glücklich in seinen Versteck entkommen, durfte aber gar nicht daran denken, selbst in späterer Zeit nach Horneck zurückzukehren, und mußte sich nun einen Ort in der weiten Welt suchen, wo er sich einen Heerd, eine neue Heimath gründen könne. Ohne Abschied von Lieschen zu nehmen, war er aber, selbst an dem Abende nicht, von Horneck geschieden; trotz der Gefahr, in der er sich befand, schlich er von hier zur Schulwohnung hinüber, das bekannte Zeichen rief sein darüber zum Tod erschrockenes Mädchen, der das entsetzliche Gerücht schon zu Ohren gekommen, vor die Thür hinaus, und dort gelobten sich die beiden armen Kinder noch einmal – unter dem freien hellbestirnten Himmelszelt, ewige Liebe und Treue, wie das Schicksal auch ihre Bahnen werfen, ihr Leben gestalten möge. Fritz war dabei schon fest entschlossen, was seinen künftigen Plan betraf – er wollte nach Amerika, dort sich mit Fleiß und Sparsamkeit so viel verdienen, um eine kleine Farm kaufen zu können, und dann sein Lieschen, sein liebes gutes Lieschen, nachholen. Dazu schüttelte aber diese gar traurig den Kopf, den armen Vater hier in all seinem Elend, in seiner Krankheit allein zurück lassen – nein, das ging unmöglich an. – Aber der Vater bekam bald Zulage – eine Unterstützung vom Ministerium – und der Pastor hatte ihm ja ebenfalls Hülfe zugesagt – Das waren Alles fremde Menschen, wie das arme Mädchen mit recht traurigem Ausdruck in den Zügen sagte, die versprachen Alle, aber sie hielten Nichts, und dann blieb der arme Vater doch nur immer wieder allein und ganz allein auf sie angewiesen, und hätte sie den Greis in dem Zustande verlassen können, Fritz selbst würde ihr das, bei kaltem Blute und ruhiger Ueberlegung, nicht zugemuthet, ja


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