Eine Gemsjagd in Tyrol. Gerstäcker Friedrich

Eine Gemsjagd in Tyrol - Gerstäcker Friedrich


Скачать книгу
gefunden und gestellt.

      »Nun Rainer wie steht's? ist noch 'was da?«

      »Nu ich denk' Hocheit – s' sieht gut aus;« lautete die vergnügt lächelnde Antwort, und Rainer holt sich indeß mit den Augen seinen Dank für die gute Botschaft von sämmtlichen Gesichtern.

      »So? – hast Du Gemsen gesehn?«

      »Sehn thut man gerade nicht viel, aber spüren überall – nur noch nicht recht oben auf den Alpen. Es ist noch zu warm, und sie stehn drin in den Gräben.«

      »Aber Du hast doch auch welche gesehn?«

      »Ei ja wohl. Gestern war ich drüben an dem Leckbach, da standen drei Rudel auf den Reißen, eins von zwölf, eins von sieben und eins von funfzehn Stück. Capitalgemsen und eine Menge Kitzgeisen dazwischen.«

      »Und keine Böcke?«

      »Nachher guckt ich in die Delpz nur so von oben hinein, da standen dicht unter der Wand drei Capitalböcke – Einer schußrecht; und unten drin war ein Rudel von elf Stück – und noch zwei Böcke.«

      Des Herrn Augen leuchteten.

      »Also es giebt Gemsen?«

      »Ich sollt's meinen,« sagt Rainer mit vergnügtem Gesicht. »Und besonders viel Kitzen hab' ich gesehn. Der Weinseisen hat auch gestern zwei starke Rudel an der Luderstauden1 gespürt, und einen mordmäßig starken Bock gesehn. Er soll Krickeln aufgehabt haben so hoch, und der Bart hat ordentlich in Wind geweht.«

      »Wo war das?«

      »Gleich dort oben auf dem Roßkopf.«

      »Das ist der alte Bursch,« lacht der Jagdherr, »der uns schon drei Jahre zum Besten gehabt hat; der ist zu schlau, den bekommen wir nicht.«

      »Nu, vielleicht fallirt's ihm doch einmal,« sagt Rainer, eins seiner schwarzen-Frack Worte riskirend.

      »Nun, und drüben am Grasberg? – an der Fleischbank oben, und in den Gräben?«

      »Gemsen sind überall,« lautet die Antwort, »man sieht sie aber da herum nur selten, weil sie in den Dickichten drin stecken.«

      »Hast Du am Waldeck etwas gespürt?«

      »Leer ist's nicht,« weicht hier Rainer vorsichtig aus, denn wahrscheinlich wird dort morgen zuerst gejagt, und er möchte nicht gern zu große Erwartungen wecken, obgleich er auch dort Gemsen gesehen hat.

      »Und drüben am Heimjoch, in der Laures und am Blunzjoch drüben?«

      »Das ist ein Hauptplatz,« sagt Rainer und wird warm dabei – »der Wastel ist vorgestern mit dem großen Ragg drüben gewesen. – Am Eiskönig soll's ordentlich lebendig sein.«

      »Also auf dieser Seite sieht's gut aus, und wie steht's drüben? Ist das Pirschhaus im Laritter Thal fertig?«

      »Sie hämmern noch drüben,« meint der Gefragte etwas kleinlaut, »soll aber heute oder morgen fertig werden.«

      »Und im Leichwald; am Falken?«

      »Da wimmelt's,« versichert Rainer. – »Am Falken – das giebt ein Haupttreiben, da stehn wenigstens 200 Gemsen.«

      Der hohe Herr zieht ein bedenkliches Gesicht und schüttelt den Kopf, Rainer aber, durch den Zweifel gekränkt fährt eifrig fort »Hocheit, sollen mir den Hals abschneiden, wenn's nicht wahr ist.«

      Da von dem Anerbieten für jetzt noch kein Gebrauch gemacht wird, ergeht er sich dann in näherer Beschreibung des Terrains und der dortigen Rudel, die allerdings das Außerordentlichste verspricht. Beiläufig muß ich aber hier nur bemerken, daß dies berühmte Falkentreiben später wirklich gemacht wurde und statt der 200 Stück versprochenen Gemsen, sieben darin waren, aber nicht zum Schuß kamen. Rainer erwähnte dabei nichts weiter von seinem Hals.

      »Und wie steht's mit dem Rothwild?« geht nun die Frage auf den anderen Zweig der Jagd über, der allerdings jetzt nicht zur Ausübung kommt, da die Jahreszeit für die Hirsche schon zu weit vorgerückt ist, und diese schon fast sämmtlich abgebrunftet haben.

      »Drüben am Roßkopf haben zwei starke Hirsche noch gestern geschrien; an dem Leckbach drei – Hirsche hört man überall und Wildpret spürt sich auch überall auf den Pirschwegen.«

      »Aber viel eingegangen ist doch im letzten Winter?«

      »Acht Stück sind im Ganzen gefunden,« lautet die traurige Bestätigung, denn der Winter war gar zu streng, der Schnee zu tief und dauernd, und das arme Wild konnte nicht dagegen ankämpfen. Starke Hirsche selbst wurden, im Schnee stehend, todt entdeckt, und auch viel Rehwild war eingegangen. Rehwild hält sich überhaupt nur spärlich in den Bergen.

      »Und was machen wir morgen?« lautet jetzt die direkt auf die Gegenwart bezughabende Frage – »was hast Du Dir gedacht?«

      »Nun ich dachte so – wenn Hocheit vielleicht morgen oben die Fleischbank trieben oder den Waldeckelgraben – leer ist's nicht, und schießen thäten's gewiß; dafür bin ich beinah ganz überzeugt.«

      »Und wie wollt Ihr's treiben?«

      »Nun ich dachte so, daß der Wastel und Weinseisen mit dem großen Ragg vom unteren Pirschweg den Graben dußemang heraufstiegen und sich nur manchmal sehn ließen und ich mit dem Martin dann die Wand von drüben herein brächte.«

      »Und ich soll mich dann oben an den Graben stellen?«

      »So war meine Meinung – wenn Sr. Hocheit was Besseres wissen –«

      »Und da treibt Ihr mir die Gemsen ruhig in den Seitengräben hinauf; denn daß Ihr sie nicht bis oben hin bringt, wißt Ihr, und ich stehe zum Spaß dort zwei oder drei Stunden lang.«

      »Wenn's da nicht wenigstens vier, fünfmal schießen, sollen Sie mir den Hals abschneiden,« erbietet sich Rainer zum zweiten Mal leichtsinniger Weise – »die anderen Schützen stellen wir dann an der hervorderigen Seite oben und unten hin.«

      »Nun gut,« sagt der Herr resignirt, »dann kommen die Herren wenigstens zum Schuß, ich aber stehe zur Abwehr da oben. Du wirst sehen.«

      Rainer macht eine halb verzweifelte, halb unglückliche Geberde über das schmerzende Mistrauen, schweigt aber –

      »Sonst noch etwas?«

      »Draußen« sagt Rainer, der überhaupt dem Gespräch eine andere Richtung zu geben wünscht »steht der neue Jäger von der Au. Hocheit haben ihn hieher beordert, und er wünscht unterthänigst den Grund seines Daseins zu wissen.«

      »Er soll nur kommen.« Alle lachten.

      Rainer ist entlassen, und gleich darauf tritt ein anderer erst kürzlich einberufener Jäger aus den entfernteren Thälern, mit einer kurz abgeknickten Verbeugung, aber mit offenem, freundlichen Gesicht herein, und bleibt nicht etwa schüchtern an der Thür stehn, sondern geht gerade auf seinen Herrn zu.

      »Nun, Johann, wie steht es bei Euch da drüben?«

      »Gut,« sagte der Mann mit einem kurzen, ihm eigenthümlichen Kopfnicken, indem er seinen Hut in der Hand rasch herumdreht – »es macht sich mit den Gemsen.«

      »Sind starke Rudel drüben?«

      »Nu ja,« nickt der Jäger und lehnt sich mit dem Ellbogen zutraulich auf die hohe Lehne desselben Stuhles, auf dem der Herr sitzt. Dieser lächelt still vor sich hin, läßt aber den Mann gewähren. Es ist ein braver Bursch und wenn er die Sitte draußen im Land nicht kennt, weiß er dafür desto besser in seinen Bergen Bescheid. »Es giebt schon hübsche Rudel drüben, und besonders viel Kitzgeißen das Jahr.«

      »Und der Winter hat ihnen nichts gethan?«

      »Ih – ich denk,« lächelt der Jäger kopfschüttelnd, »wenn nicht einmal eine oder die andere von einer Lawine erwischt wird – im Uebrigen hat's keine Noth.«

      Es folgt jetzt ein ausführlicher, ziemlich befriedigender Bericht des dortigen Gems- und Wildstandes, und der Jäger wird endlich wieder freundlich entlassen.

      Die Nacht ist jetzt weiter vorgerückt, und die heutige noch ungewohnte Anstrengung, mit der feineren reineren Bergluft


Скачать книгу

<p>1</p>

Luderstauden heißen dort die Alpenerlbüsche.