Der Neffe als Onkel. Friedrich von Schiller

Der Neffe als Onkel - Friedrich von Schiller


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wenn du alsdann noch da bist, so kannst du zur Hochzeit mit tanzen.

      Dorsigny. Ach, liebe Schwester! – Redlicher Champagne! Rathet, helft mir! Wenn ihr mir nicht beisteht, so ist es aus mit mir, so bin ich verloren.

      Fr. v. Mirville. Was hast du denn, Bruder? Was ist dir?

      Champagne. Mein Herr ist verliebt in seine Cousine.

      Fr. v. Mirville. Ah, ist es das?

      Dorsigny. Diese unglückselige Heirath darf nun und nimmermehr zu

      Stand kommen.

      Fr. v. Mirville. Es wird schwer halten, sie rückgängig zu machen. Beide Väter sind einig. das Wort ist gegeben, die Artikel sind aufgesetzt, und man erwartet bloß noch den Bräutigam, sie zu unterzeichnen und abzuschließen.

      Champagne. Geduld! – Hören Sie! – (Tritt zwischen Beide). Ich habe einen sublimen Einfall!

      Dorsigny. Rede!

      Champagne. Sie haben einmal den Anfang gemacht, Ihren Onkel vorzustellen! Bleiben Sie dabei! Führen Sie die Rolle durch.

      Fr. v. Mirville. Ein schönes Mittel, um die Nichte zu heirathen.

      Champagne. Nur gemach! Lassen Sie mich meinen Plan entwickeln, – Sie spielen also Ihren Onkel! Sie sind nun Herr hier im Hause, und Ihr erstes Geschäft ist, die bewußte Heirath wieder aufzuheben – Sie haben den jungen Lormeuil nicht mitbringen können, weil er – weil er gestorben ist – Unterdessen erhält Frau von Dorsigny einen Brief von Ihnen, als dem Neffen, worin Sie um die Cousine anhalten – Das ist mein Amt! Ich bin der Courier, der den Brief von Straßburg bringt – Frau von Dorsigny ist verliebt in ihren Neffen; sie nimmt diesen Vorschlag mit der besten Art von der Welt auf; sie theilt ihn Ihnen als ihrem Eheherrn mit, und Sie lassen sich's, wie billig, gefallen. Nun stellen Sie sich, als wenn Sie aufs eiligste verreisen müßten; Sie geben der Tante unbedingte Vollmacht, diese Sache zu Ende zu bringen. Sie reisen ab, und den andern Tag erscheinen Sie in Ihren natürlichen Haaren und in der Uniform Ihres Regiments wieder, als wenn Sie eben spornstreichs von Ihrer Garnison herkämen. Die Heirath geht vor sich; der Onkel kommt stattlich angezogen mit seinem Bräutigam, der den Platz glücklich besetzt findet und nichts Besseres zu thun hat, als umzukehren und sich entweder zu Toulon oder in Ostindien eine Frau zu holen.

      Dorsigny. Glaubst du, mein Onkel werde das so geduldig-Champagne. O er wird aufbrausen, das versteht sich! Es wird heiß werden am Anfang – Aber er liebt Sie! er liebt seine Tochter! Sie geben ihm die besten Worte, versprechen ihm eine Stube voll artiger Enkelchen, die ihm alle so ähnlich sehen sollen, wie Sie selbst. Er lacht, besänftigt sich, und alles ist vergessen.

      Fr. v. Mirville. Ich weiß nicht, ist es das Tolle dieses Einfalls, aber er fängt an, mich zu reizen-Champagne. O er ist himmlisch, der Einfall!

      Dorsigny. Lustig genug ist er, aber nur nicht ausführbar – Meine Tante wird mich wohl für den Onkel ansehen! – Fr. v. Mirville. Habe ich's doch!

      Dorsigny. Ja, im ersten Augenblicke.

      Fr. v. Mirville. Wir müssen ihr keine Zeit lassen, aus der Täuschung zu kommen. Wenn wir die Zeit benutzen, so brauchen wir auch nur einen Augenblick – Es ist jetzt Abend, die Dunkelheit kommt uns zu Statten; diese Lichter leuchten nicht hell genug, um den Unterschied bemerklich zu machen. Den Tag brauchst du gar nicht zu erwarten – du erklärst zugleich, daß du noch in der Nacht wieder fortreisen müssest, und morgen erscheinst du in deiner wahren Person. Geschwind ans Werk! Wir haben keine Zeit zu verlieren – Schreibe den Brief an unsre Tante, den dein Champagne als Courier überbringen soll, und worin du um Sophien anhältst.

      Dorsigny (an den Schreibtisch gehend.) Schwester! Schwester! du machst mit mir, was du willst.

      Champagne (sich die Hände reibend). Wie freue ich mich über meinen klugen Einfall! Schade, daß ich schon eine Frau habe; ich könnte hier eine Hauptrolle spielen, anstatt jetzt bloß den Vertrauten zu machen.

      Fr. v. Mirville. Wie das, Champagne?

      Champagne. Ei nun, das ist ganz natürlich. Mein Herr gilt für seinen Onkel, ich würde den Herrn von Lormeuil vorstellen, und wer weiß, was mir am Ende nicht noch blühen könnte, wenn meine verdammte Heirath-Fr. v. Mirville. Wahrhaftig, meine Cousine hat Ursache, sich darüber zu betrüben!

      Dorsigny (siegelt den Brief und gibt ihn an Champagne). Hier ist der

      Brief. Richt' es nun ein, wie du willst! Dir überlass' ich mich.

      Champagne. Sie sollen mit mir zufrieden sein – In wenig Augenblicken werde ich damit als Courier von Straßburg ankommen, gespornt und gestiefelt, triefend von Schweiß. – Sie, gnädiger Herr, halten sich wacker. – Muth, Dreistigkeit, Unverschämtheit, wenn' s nöthig ist. – Den Onkel gespielt, die Tante angeführt, die Nichte geheirathet und, wenn alles vorbei ist, den Beutel gezogen und den redlichen Diener gut bezahlt, der Ihnen zu allen diesen Herrlichkeiten verholfen hat. (Ab.)

      Fr. v. Mirville. Da kommt die Tante. Sie wird dich für den Onkel ansehen. Thu', als wenn du nothwendig mit ihr zu reden hättest, und schick' mich weg.

      Dorsigny. Aber was werd' ich ihr denn sagen?

      Fr. v. Mirville. Alles, was ein galanter Mann seiner Frau nur

      Artiges sagen kann.

      Fünfter Auftritt.

      Frau von Mirville. Frau von Dorsigny. Franz von Dorsigny.

      Fr. v. Mirville. kommen Sie doch, liebe Tante! Geschwind! der Onkel ist angekommen.

      Fr. v. Dorsigny. Wie? Was? Mein Mann? – Ja wahrhaftig, da ist er! – Herzlich willkommen, lieber Dorsigny – So bald erwartete ich Sie nicht – Nun! Sie haben doch eine glückliche Reise gehabt? – Aber wie so allein? Wo sind Ihre Leute? Ich hörte doch Ihre Kutsche nicht – Nun wahrhaftig – ich besinne mich kaum – ich zittre vor Ueberraschung und Freude-Fr. v. Mirville (heimlich zu ihrem Bruder). Nun, so rede doch! Antworte frisch weg!

      Dorsigny. Weil ich nur auf einen kurzen Besuch hier bin, so komm' ich allein und in einer Miethkutsche – Was aber die Reise betrifft, liebe Frau – die Reise – ach! die ist nicht die glücklichste gewesen.

      Fr. v. Dorsigny. Sie erschrecken mich! – Es ist Ihnen doch kein

      Unglück zugestoßen?

      Dorsigny. Nicht eben mir! mir nicht! – Aber diese Heirath – (Zu Frau von Mirville.) Liebe Nichte, ich habe mit der Tante-Fr. v. Mirville. Ich will nicht stören, mein Onkel. (Ab.)

      Sechster Auftritt.

      Frau von Dorsigny. Franz von Dorsigny.

      Fr. v. Dorsigny. Nun, lieber Mann! diese Heirath-Dorsigny. Aus dieser Heirath wird – nichts.

      Fr. v. Dorsigny. Wie? Haben wir nicht das Wort des Vaters?

      Dorsigny. Freilich wohl! Aber der Sohn kann unsere Tochter nicht heirathen.

      Fr. v. Dorsigny. So? Und warum denn nicht?

      Dorsigny (mit starkem Ton). Weil – weil er – todt ist.

      Fr. v. Dorsigny. Mein Gott, welcher Zufall!

      Dorsigny. Es ist ein rechter Jammer. Dieser junge Mann war, was die meisten jungen Leute sind, so ein kleiner Wüstling. Einen Abend bei einem Balle fiel's ihm ein, einem artigen hübschen Mädchen – den Hof zu machen; ein Nebenbuhler mischte sich drein und erlaubte sich beleidigende Scherze. Der junge Lormeuil, lebhaft, aufbrausend, wie man es mit zwanzig Jahren ist, nahm das übel; zum Unglück war er an einen Raufer von Profession gerathen, der sich nie schlägt, ohne seinen Mann – zu tödten. Und diese böse Gewohnheit behielt auch jetzt die Oberhand über die Geschicklichkeit seines Gegners; der Sohn meines armen Freundes blieb auf dem Platz, mit drei tödtlichen – Stichen im Leibe.

      Fr. v. Dorsigny. Barmherziger Himmel! Was muß der Vater dabei gelitten haben!

      Dorsigny. Das können Sie denken! Und die Mutter!

      Fr. v. Dorsigny. Wie? Die Mutter! Die ist ja im letzten Winter gestorben, so viel ich weiß.

      Dorsigny. Diesen Winter – ganz recht! Mein armer Freund Lormeuil! Den Winter stirbt ihm seine Frau, und jetzt im Sommer


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