Kabale und Liebe. Friedrich von Schiller

Kabale und Liebe - Friedrich von Schiller


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im Sessel, kratzt hinter den Ohren und zupft an Manschetten und Jabot). Merken? Nicht doch – O ja – Wie meinen Sie denn?

      Frau. Nu – nu – ich dächte nur – ich meine, (hustet) weil eben halt der liebe Gott meine Tochter barrdu zur gnädigen Madam will haben-Wurm (fährt vom Stuhl). Was sagen Sie da? Was?

      Miller. Bleiben sitzen! Bleiben sitzen, Herr Secretarius! Das Weib ist eine alberne Gans. Wo soll eine gnädige Madam herkommen? Was für ein Esel streckt sein Langohr aus diesem Geschwätze?

      Frau. Schmähl du, so lang du willst. Was ich weiß, weiß ich – und was der Herr Major gesagt hat, das hat er gesagt.

      Miller (aufgebracht, springt nach der Geige). Willst du dein Maul halten? Willst du das Violoncell am Hirnkasten wissen? – Was kannst du wissen? Was kann er gesagt haben? – Kehren sich an das Geklatsch nicht, Herr Vetter – Marsch du, in deine Küche! – Werden mich doch nicht für des Dummkopfs leiblichen Schwager halten, daß ich oben aus woll' mit dem Mädel? Werden doch das nicht von mir denken, Herr Secretarius?

      Wurm. Auch hab' ich es nicht um Sie verdient, Herr Musikmeister. Sie haben mich jederzeit den Mann von Wort sehen lassen und meine Ansprüche auf Ihre Tochter waren so gut als unterschrieben. Ich habe ein Amt, das seinen guten Haushälter nähren kann; der Präsident ist mir gewogen; an Empfehlungen kann's nicht fehlen, wenn ich mich höher poussieren will. Sie sehen, daß meine Absichten auf Mamsell Luisen ernsthaft sind, wenn Sie vielleicht von einem adeligen Windbeutel herumgeholt-Frau. Herr Sekertare Wurm! Mehr Respect, wenn man bitten darf-Miller. Halt du dein Maul, sag' ich – Lassen Sie es gut sein, Herr Vetter! Es bleibt beim Alten. Was ich Ihnen verwichenen Herbst zum Bescheid gab, bring' ich heut wieder. Ich zwinge meine Tochter nicht. Stehen Sie ihr an – wohl und gut, so mag sie zusehen, wie sie glücklich mit Ihnen wird. Schüttelt sie den Kopf – noch besser – in Gottes Namen wollt' ich sagen – so stecken Sie den Korb ein und trinken eine Bouteille mit dem Vater – Das Mädel muß mit Ihnen leben – ich nicht. – Warum soll ich ihr einen Mann, den sie nicht schmecken kann, aus purem klarem Eigensinn an den Hals werfen? – Daß mich der böse Feind in meinen eisgrauen Tagen noch wie sein Wildpret herumhetzt – daß ich's in jedem Glas Wein zu saufen – in jeder Suppe zu fressen kriege: Du bist der Spitzbube, der sein Kind ruiniert hat.

      Frau. Und kurz und gut – ich geb meinen Consenz absolut nicht; meine Tochter ist zu was Hohem gemünzt, und ich lauf' in die Gerichte, wenn mein Mann sich beschwatzen läßt.

      Miller. Willst du Arm und Bein entzwei haben, Wettermaul?

      Wurm (zu Millern). Ein väterlicher Rath vermag bei der Tochter viel, und hoffentlich werden Sie mich kennen, Herr Miller?

      Miller. Daß dich alle Hagel! 's Mädel muß Sie kennen. Was ich alter Knasterbart an Ihnen abgucke, ist just kein Fressen fürs junge naschhafte Mädel. Ich will Ihnen aufs Haar hin sagen, ob Sie ein Mann fürs Orchester sind – aber eine Weiberseel' ist auch für einen Kapellmeister zu spitzig. – Und dann von der Brust weg, Herr Vetter – ich bin halt ein plumper gerader deutscher Kerl – für meinen Rath würden Sie sich zuletzt wenig bedanken. Ich rathe meiner Tochter zu Keinem – aber Sie mißrath ich meiner Tochter, Herr Secretarius! Lassen mich ausreden. Einem Liebhaber, der den Vater zu Hilfe ruft, trau' ich – erlauben Sie – keine hohle Haselnuß zu. Ist er was, so wird er sich schämen, seine Talente durch diesen altmodischen Kanal vor seine Liebste zu bringen – Hat er's Courage nicht, so ist er ein Hasenfuß, und für den sind keine Luisen gewachsen – Da! hinter dem Rücken des Vaters muß er sein Gewerb an die Tochter bestellen. Machen muß er, daß das Mädel lieber Vater und Mutter zum Teufel wünscht, als ihn fahren läßt, – oder selber kommt, dem Vater zu Füßen sich wirft und sich um Gotteswillen den schwarzen gelben Tod oder den Herzeinigen ausbittet – Das nenn' ich einen Kerl! das heißt lieben! – und wer's bei dem Weibsvolk nicht so weit bringt, der soll – auf seinem Gänsekiel reiten.

      Wurm (greift nach Hut und Stock und zum Zimmer hinaus). Obligation, Herr Miller!

      Miller (geht ihm langsam nach). Für was? für was? Haben Sie ja doch nichts genossen, Herr Secretarius! (Zurückkommend.) Nichts hört er, und hin zieht er – Ist mir's doch wie Gift und Operment, wenn ich den Federfuchser zu Gesichte krieg'. Ein confiscierter widriger Kerl, als hätt' ihn irgend ein Schleichhändler in die Welt meines Herrgotts hineingeschachert – Die kleinen tückischen Mausaugen – die Haare brandroth – das Kinn herausgequollen, gerade als wenn die Natur für purem Gift über das verhunzte Stück Arbeit meinen Schlingel da angefaßt und in irgend eine Ecke geworfen hätte – Nein! eh ich meine Tochter an so einen Schuft wegwerfe, lieber soll sie mir – Gott verzeih mir's-Frau (spuckt aus, giftig). Der Hund! – aber man wird dir's Maul sauber halten!

      Miller. Du aber auch mit deinem pestilenzialischen Junker – Hast mich vorhin auch so in Harnisch gebracht – Bist doch nie dummer, als wenn du um Gotteswillen gescheidt sein solltest. Was hat das Geträtsch von einer gnädigen Madam und deiner Tochter da vorstellen sollen? Das ist mir der Alte! Dem muß man so was an die Nase heften, wenn's morgen am Marktbrunnen ausgeschellt sein soll. Das ist just so ein Musje, wie sie in der Leute Häusern herumriechen, über Keller und Koch räsonnieren, und springt einem ein nasenweises Wort übers Maul – Bumbs! haben's Fürst und Mätreß und Präsident, und du hast das siedende Donnerwetter am Halse.

      Dritte Scene

      Luise Millerin kommt, ein Buch in der Hand. Vorige.

      Luise (legt das Buch nieder, geht zu Millern und drückt ihm die Hand).

      Guten Morgen, lieber Vater.

      Miller (warm). Brav, meine Luise – Freut mich, daß du so fleißig an deinen Schöpfer denkst. Bleib immer so, und sein Arm wird dich halten.

      Luise. O! ich bin eine schwere Sünderin, Vater – War er da, Mutter?

      Frau. Wer, mein Kind?

      Luise. Ah! ich vergaß, daß es noch außer ihm Menschen gibt – Mein Kopf ist so wüste – Er war nicht da? Walter?

      Miller (traurig und ernsthaft). Ich dachte, meine Luise hätte den Namen in der Kirche gelassen?

      Luise (nachdem sie ihn eine Zeitlang starr angesehen). Ich versteh' ihn, Vater – fühle das Messer, das Er in mein Gewissen stößt; aber es kommt zu spät. – Ich hab' keine Andacht mehr, Vater – der Himmel und Ferdinand reißen an meiner blutenden Seele, und ich fürchte – ich fürchte – (Nach einer Pause.) Doch nein, guter Vater. Wenn wir ihn über dem Gemälde vernachlässigen, findet sich ja der Künstler am feinsten gelobt. – Wenn meine Freude über sein Meisterstück mich ihn selbst übersehen macht, Vater, muß das Gott nicht ergötzen?

      Miller (wirft sich unmuthig in den Stuhl). Da haben wir's! Das ist die Frucht von dem gottlosen Lesen.

      Luise (tritt unruhig an ein Fenster). Wo er wohl jetzt ist? – Die vornehmen Fräulein, die ihn sehen – ihn hören – ich bin ein schlechtes, vergessenes Mädchen. (Erschrickt an dem Wort und stürzt ihrem Vater zu.) Doch nein, nein! verzeih' Er mir. Ich beweine mein Schicksal nicht. Ich will ja nur wenig – an ihn denken – das kostet ja nichts. Dies Bischen Leben – dürft' ich es hinhauchen in ein leises, schmeichelndes Lüftchen, sein Gesicht abzukühlen; – dies Blümchen Jugend – wär' es ein Veilchen, und er träte drauf, und es dürfte bescheiden unter ihm sterben! – Damit genügte mir, Vater! Wenn die Mücke in ihren Strahlen sich sonnt – kann sie das strafen, die stolze majestätische Sonne?

      Miller (beugt sich gerührt an die Lehne des Stuhls und bedeckt das Gesicht). Höre, Luise – das Bissel Bodensatz meiner Jahre, ich gäb' es hin, hättest du den Major nie gesehen.

      Luise (erschrocken). Was sagt Er da? was? – Nein, er meint es anders, der gute Vater. Er wird nicht wissen, daß Ferdinand mein ist, mir geschaffen, mir zur Freude vom Vater der Liebenden. (Sie steht nachdenkend.) Als ich ihn das Erstemal sah – (rascher) und mir das Blut in die Wangen stieg, froher jagten alle Pulse, jede Wallung sprach, jeder Athem lispelte: er ist's! – und mein Herz den Immermangelnden erkannte, bekräftigte: er ist's! und wie das wiederklang durch die ganze mitfreuende Welt! Damals – o damals ging in meiner Seele der erste Morgen auf. Tausend junge Gefühle schossen aus meinem Herzen, wie die Blumen aus dem Erdreich, wenn's Frühling wird. Ich sah keine Welt


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