Die Räuber. Friedrich von Schiller
o ja, freilich! ein tüchtiger Lumpenmann, Sperlinge von Kirschbäumen wegzuschröcken! – auch das ein gut geschriebener Wechselbrief, mit dem auch der Bankerotirer zur Noth noch hinauslangt.
In der That sehr lobenswürdige Anstalten, die Narren im Respekt und den Pöbel unter dem Pantoffel zu halten, damit die Gescheiden es desto bequemer haben. Ohne Anstand, recht schnackische Anstalten! Kommen mir für, wie die Hecken, die meine Bauren gar schlau um ihre Felder herumführen, daß ja kein Haase drüber setzt, ja beileibe kein Haase! – Aber der gnädige Herr gibt seinem Rappen den Sporn, und galoppirt weich über der weiland Aerndte.
Armer Haase! Es ist doch eine jämmerliche Rolle, der Haase seyn müssen auf dieser Welt – Aber der gnädige Herr braucht Haasen!
Also frisch drüber hinweg! Wer nichts fürchtet, ist nicht weniger mächtig, als der, den alles fürchtet. Es ist itzo die Mode, Schnallen an den Beinkleidern zu tragen, womit man sie nach Belieben weiter und enger schnürt. Wir wollen uns ein Gewissen nach der neuesten Façon anmessen lassen, um es hübsch weiter aufzuschnallen, wie wir zulegen. Was können wir dafür? Geht zum Schneider! Ich habe Langes und Breites von einer sogenannten Blutliebe schwatzen gehört, das einem ordentlichen Hausmann den Kopf heiß machen könnte – Das ist dein Bruder! – das ist verdollmetscht: Er ist aus eben dem Ofen geschossen worden, aus dem du geschossen bist – also sey er dir heilig! – Merkt doch einmal diese verzwickte Consequenz, diesen possierlichen Schluß von der Nachbarschaft der Leiber auf die Harmonie der Geister; von eben derselben Heimath zu eben derselben Empfindung; von einerley Kost zu einerley Neigung. Aber weiter – es ist dein Vater! Er hat dir das Leben gegeben, du bist sein Fleisch, sein Blut – also sey er dir heilig. Wiederum eine schlaue Consequenz! Ich möchte doch fragen, warum hat er mich gemacht? doch wohl nicht gar aus Liebe zu mir, der erst ein Ich werden sollte? Hat er mich gekannt, ehe er mich machte? Oder hat er an mich gedacht, wie er mich machte? Oder hat er mich gewünscht, da er mich machte? Wußte er, was ich werden würde? das wollt' ich ihm nicht rathen, sonst möcht' ich ihn dafür strafen, daß er mich doch gemacht hat? Kann ich's ihm Dank wissen, daß ich ein Mann wurde? So wenig, als ich ihn verklagen könnte, wenn er ein Weib aus mir gemacht hätte. Kann ich eine Liebe erkennen, die sich nicht auf Achtung gegen mein Selbst gründet? Konnte Achtung gegen mein Selbst vorhanden seyn, das erst dadurch entstehen sollte, davon es die Voraussetzung seyn muß? Wo stickt dann nun das Heilige? Etwa im Aktus selber, durch den ich entstund? – Als wenn dieser etwas mehr wäre, als viehischer Proceß zur Stillung viehischer Begierden? Oder stickt es vielleicht im Resultat dieses Aktus, der doch nichts ist, als eiserne Nothwendigkeit, die man so gern wegwünschte, wenn's nicht auf Unkosten von Fleisch und Blut geschehen müßte. Soll ich ihm etwa darum gute Worte geben, daß er mich liebt? das ist eine Eitelkeit von ihm, die Schoossünde aller Künstler, die sich in ihrem Werk kokettiren, wär' es auch noch so häßlich. – Sehet also, das ist die ganze Hexerey, die ihr in einen heiligen Nebel verschleyert, unsre Furchtsamkeit zu mißbrauchen. Soll auch ich mich dadurch gängeln lassen, wie einen Knaben?
Frisch also! muthig an's Werk! – Ich will alles um mich her ausrotten, was mich einschränkt, daß ich nicht Herr bin. Herr muß ich seyn, daß ich das mit Gewalt ertrotze, wozu mir die Liebenswürdigkeit gebricht. (ab)
Zweite Scene
Karl v. Moor (legt das Buch weg.) Mir eckelt vor diesem Tintenkleksenden Seculum, wenn ich in meinem Plutarch lese von großen Menschen.
Spiegelberg (stellt ihm ein Glas hin, und trinkt.) Den Josephus mußt du lesen.
Moor. Der lohe Lichtfunke Prometheus ist ausgebrannt, dafür nimmt man itzt die Flamme von Berlappenmehl – Theaterfeuer, das keine Pfeife Tabak anzündet. Da krabbeln sie nun, wie die Ratten auf der Keule des Herkules, und studiren sich das Mark aus dem Schädel, was das für ein Ding sey, das er in seinen Hoden geführt hat? Ein französischer Abbé docirt, Alexander sey ein Haasenfuß gewesen, ein schwindsüchtiger Professor hält sich bei jedem Wort ein Fläschgen Salmiakgeist vor die Nase, und liest ein Collegium über die Kraft. Kerls, die in Ohnmacht fallen, wenn sie einen Buben gemacht haben, kritteln über die Taktik des Hannibals – feuchtohrige Buben fischen Phrases aus der Schlacht bei Kannä, und greinen über die Siege des Scipio, weil sie sie exponiren müssen.
Spiegelberg. Das ist ja recht Alexandrinisch geflännt.
Moor. Schöner Preiß für euren Schweiß in der Feldschlacht, daß ihr jetzt in Gymnasien lebet, und eure Unsterblichkeit in einem Bücherriemen mühsam fortgeschleppt wird. Kostbarer Ersatz eures verpraßten Blutes, von einem Nürnberger Krämer um Lebkuchen gewickelt – oder, wenn's glücklich geht, von einem französischen Tragödienschreiber auf Stelzen geschraubt, und mit Drahtfäden gezogen zu werden. Hahaha!
Spiegelberg (trinkt.) Lies den Josephus, ich bitte dich drum.
Moor. Pfui! Pfui über das schlappe Kastraten-Jahrhundert, zu nichts nütze, als die Thaten der Vorzeit wiederzukäuen, und die Helden des Alterthums mit Kommentationen zu schinden und zu verhunzen mit Trauerspielen. Die Kraft seiner Lenden ist versiegen gegangen, und nun muß Bierhefe den Menschen fortpflanzen helfen.
Spiegelberg. Thee, Bruder, Thee!
Moor. Da verrammeln sie sich die gesunde Natur mit abgeschmakten Conventionen, haben das Herz nicht, ein Glas zu leeren, weil sie Gesundheit dazu trinken müssen – beleken den Schuhputzer, daß er sie vertrete bei Ihro Gnaden, und hudeln den armen Schelm, den sie nicht fürchten. Vergöttern sich um ein Mittagessen, und möchten einander vergiften um ein Unterbett, das ihnen beim Aufstreich überboten wird. – Verdammen den Sadduzäer, der nicht fleißig genug in die Kirche kommt, und berechnen ihren Judenzins am Altare – fallen auf die Knie, damit sie ja ihren Schlamp ausbreiten können – wenden kein Aug von dem Pfarrer, damit sie sehen, wie seine Perücke frisirt ist. – Fallen in Ohnmacht, wenn sie eine Gans bluten sehen, und klatschen in die Hände, wenn ihr Nebenbuhler bankerott von der Börse geht – So warm ich ihnen die Hand drückte – »nur noch einen Tag« – Umsonst! – Ins Loch mit dem Hund! – Bitten! Schwüre! Thränen (auf den Boden stampfend.) Hölle und Teufel!
Spiegelberg. Und um so ein paar tausend lausige Dukaten —
Moor. Nein, ich mag nicht daran denken. Ich soll meinen Leib pressen in eine Schnürbrust, und meinen Willen schnüren in Gesetze. Das Gesetz hat zum Schneckengang verdorben, was Adlerflug geworden wäre. Das Gesetz hat noch keinen großen Mann gebildet, aber die Freyheit brütet Kolosse und Extremitäten aus. Sie verpallisadiren sich ins Bauchfell eines Tyrannen, hofiren der Laune seines Magens, und lassen sich klemmen von seinen Winden. – Ah! daß der Geist Herrmanns noch in der Asche glimmte! – Stelle mich vor ein Heer Kerls, wie ich, und aus Deutschland soll eine Republik werden, gegen die Rom und Sparta Nonnenklöster seyn sollen. (Er wirft den Degen auf den Tisch, und steht auf.)
Spiegelberg (aufspringend.) Bravo! Bravissimo! du bringst mich eben recht auf das Chapitre. Ich will dir was in's Ohr sagen, Moor, das schon lang mit mir umgeht, und du bist der Mann dazu – sauf Bruder, sauf – wie wär's, wenn wir Juden würden, und das Königreich wieder auf's Tapet brächten?
Moor (lacht aus vollem Halse.) Ah! Nun merk' ich – nun merk' ich – du willst die Vorhaut aus der Mode bringen, weil der Barbier die deinige schon hat?
Spiegelberg. Daß dich, Bärenhäuter! Ich bin freylich wunderbarerweis schon voraus beschnitten. Aber sag, ist das nicht ein schlauer und herzhafter Plan? Wir lassen ein Manifest ausgehen in alle vier Enden der Welt, und citiren nach Palästina, was kein Schweinefleisch ißt. Da beweis ich nun durch triftige Dokumente, Herodes, der Vierfürst, sey mein Großahnherr gewesen, und so ferner. Das wird ein Viktoria abgeben, Kerl, wenn sie wieder in's Trockene kommen, und Jerusalem wieder aufbauen dörfen. Itzt frisch mit den Türken aus Asien, weil's Eisen noch warm ist, und Cedern gehauen aus dem Libanon, und Schiffe gebaut, und geschachert mit alten Borten und Schnallen das ganze Volk. Mittlerweile —
Moor (nimmt ihn lächelnd bei der Hand.) Kamerad! Mit den Narrenstreichen ist's