Novellen. Николай Лесков
war kinderlos – oder sollte er seiner Frau zu Liebe Bekanntschaften und Freundschaften schließen, deshalb, weil sie ihm, nach Frauen Art, täglich die Frage stellte:
„Warum meiden uns die Leute? – warum ziehen sie sich von uns zurück und weichen uns aus? Warum tuen sie uns alles mißgönnen? – Glaubst Du nicht, daß es notwendig wäre, etwas zu tun, damit uns die Leute ein klein wenig entgegen und näher kommen?“
Doch ein richtiger Kasak nimmt auf derartige Äußerungen und Wünsche einer Frau gar keine Rücksicht und schenkt ihnen keine Beachtung.
Und so verlief ein Jahr nach dem anderen; Dukač lebte sorgenlos, ohne jede Unannehmlichkeit, ohne jedes Unglück oder einen jener unangenehmen Vorfälle, welche selbst die reichsten, unabhängigsten und stolzesten Menschen nicht selten zwingen, unwillkürlich die Hilfe oder Gefälligkeiten anderer Menschen in Anspruch nehmen zu müssen, sie sogar zu bitten, sich vor ihnen zu beugen, ja sogar zu demütigen.
Jetzt trat ein derartiger Zeitpunkt ein, denn Leute waren dem Dukač nötig, welche sein Kind aus der Taufe heben sollten.
Jedem anderen Menschen hätte ein derartiger Fall keine Schwierigkeiten bereitet. Dukač war aber stolz und es war ihm unbequem und unangenehm, selbst zu gehen und jemanden um die Gefälligkeit zu bitten, Pate bei seinem Sohne sein zu wollen.
Die Personen, welche Dukač nötig waren, zählten nicht zu den ersten besten im Dorfe, im Gegenteil es war dies die junge, putzsüchtige Frau des Dorfgeistlichen, welche sich Hüte stets aus Poltava verschrieb, und ein junger Gerichtsbeamte aus der Stadt, welcher gerade beim Diakon zu Gaste war.
Das waren unbestritten die ersten Personen, die Intelligenz im Dorfe, aber was zu befürchten war: daß diese Personen ablehnen, was dann?
Erst jetzt leuchtete dem Dukač ein, daß er übel daran getan habe, sich nicht nur mit dem Volke, sondern auch mit der Intelligenz zu verfeinden, und daß es noch nicht lange her ist, wo er mit Vater Jakob und dem Diakon auf dem Damm nicht gerade ein freundschaftliches Gespräch in gewählten Worten führte, als ihm diese, und er ihnen, nicht ausweichen wollten.
Und weder der Pop noch der Diakon vergaßen die Rücksichtslosigkeit und Grobheit des Dukač, namentlich jetzt, zu einer Zeit, wo sie dem stolzen Kasaken sehr nötig waren.
Dukač blieb nichts andres übrig, als in den saueren Apfel zu beißen.
Aber er stellte dies schlau an; um einer persönlichen Absage zu entgehen, ließ er die Frau des Popen und den Gerichtsbeamten durch seinen Verwandten einladen.
Und damit diese Einladung einen Erfolg hätte, versorgte er den Agap mit Geschenken, wie es im Dorfe bei solchen Gelegenheiten üblich zu sein pflegt.
Aus der alten Erbkiste holte er für die junge Frau des Popen einen breiten Kamm aus Elfenbein; für den Beamten ein Trinkglas mit eingeschliffenem Hahn und einer deutschen Inschrift.
Aber dieses alles hatte keinen Erfolg gehabt.
Sowohl die Frau des Popen als der Beamte lehnten die Ehre Paten zu stehen bei Dukačs Kind ab, und nahmen die Geschenke nicht an, ja sie lachten sogar Agap aus, indem sie meinten, warum sich Dukač gar so viel Mühe nehme sie gerade zu Paten haben zu wollen, jedenfalls deshalb, weil sich wohl niemand anderer gefunden habe das Kind eines Betrügers und Wucherers aus der Taufe heben zu wollen.
Und als Agap sich erkühnte die Frage zu stellen, ob es wohl angeht, daß ein Kind eine Woche lang ungetauft bleiben könnte, da prophezeite Vater Jakob, daß das Kind nicht bloß eine Woche, sondern sein Leben lang ungetauft bleiben wird.
Als der alte Dukač diesen Bericht zur Kenntnis nahm, da ballte er seine Rechte zu einer Faust, hielt sie dem Agap unter die Nase und beauftragte ihn dem Popen ein gleiches für seine Prophezeihung zu zeigen; und um den Agap rasch aus der Stube zu entfernen, packte er ihn beim Kragen und warf ihn einfach zur Tür hinaus.
Fünftes Kapitel
Dieses Hinauswerfen betrachtete Agap als einen ziemlich guten Ausgang seiner schwierigen Mission, und um seinem Onkel nicht unter die Augen oder einfacher gesagt, unter die Hände zu geraten, ging er ins Wirtshaus, wo er alles ausführlich erzählte, was vorgefallen ist, so daß im Verlaufe einer halben Stunde alle Bewohner des Dorfes wußten und sich auch darüber freuten, Vater Jakob hätte aus den Büchern herausgelesen, der Sohn des Dukač bleibe sein Leben lang – ungetauft.
Und wenn nun Dukač seinen Stolz überwunden hätte, und wenn er demütigst bittend von einem Nachbaren zum anderen gegangen wäre, alle würden ihm abgesagt haben.
Davon war Dukač vollständig überzeugt, es war ihm klar, daß er sich im Zustande des Wolfes befinde, welcher es mit allen verdarb, so daß er sich vor niemanden sehen lassen dürfte, und er auf keine Hilfe rechnen konnte, wo sie ihm am nötigsten gewesen wäre.
Doch er beschloß auch ohne Vater Jakob und ohne seine Nachbaren fertig zu werden.
Zum Ärger des ganzen Dorfes und möglicherweise zum allergrößten der Dorfgeistlichkeit beschloß Dukač das Kind in der Nachbargemeinde Peregudi, welche acht Werst von Paripsami entfernt lag, taufen zu lassen, und um die Sache bald zu beenden, sollte die Taufe sofort vor sich gehen, denn morgen schon sollte allen bekannt sein, der alte Dukač lasse als echter Kasak nicht über sich lachen, verstehe keinen Spaß und werde auch ohne Hilfe der Dorfbewohner fertig.
Taufpaten hatte er bereits gefunden und zwar den Agap und die Hebamme Kerasivna, Personen, auf die niemand auch in Gedanken verfiel.
Über diese Wahl konnten sich manche wundern oder auch nicht, wie man es eben nahm, denn Dukač lud „arme Leute als Paten“, begegnende, zufällige, wie sie Gott schickt – und der Aberglaube behauptet.
Agap war tatsächlich der erste, den der alte Kasak nach der Geburt seines Sohnes sprach, und Kerasivna die erste, die das Kind ansah, als es zur Welt kam, denn sie versah die Dienste einer Hebamme.
Es schien zwar etwas gewagt, die Kerasivna als Patin zu besitzen, sie besaß nicht den besten Ruf, denn sie galt für eine bekannte, ausgesprochene – Hexe – und daß sie ja eine echte wahre Hexe sei, davon waren nicht nur die Bewohner des Dorfes, sondern auch deren eigener Mann fest überzeugt, denn er widersprach dem Gerüchte nicht, noch verteidigte er seine Frau gegenüber solchen Anklagen.
Der Mann der Kerasivna, der Kasak Kerasenko, war ein energischer, sogar kühner Mann, der keine Furcht kannte, aber im höchsten Grade eifersüchtig war, und doch verschwand Energie, Kühnheit, Eifersucht unter dem Einflusse, welchen Kerasivna auf ihren Mann ausübte – er selbst wurde der ruhigste, stillste – Dummkopf, seiner Frau völlig untertan und nach ihrem Willen und Wunsche lebend, – wogegen sie sich der größten Freiheiten erfreute.
Kerasivna handelte mit Branntwein, Leinwand, mit verschiedenen Nahrungsmitteln, ja verkaufte sogar Heilmittel und Kräuter, aber das größte Einkommen zog sie aus ihrer Eigenschaft als Hebamme.
Sechstes Kapitel
Wie ich schon sagte, im ganzen Dorfe und den Nachbargemeinden war Groß und Klein davon überzeugt, daß die Kerasivna eine Hexe sei, denn das wurde deutlich sichtbar aus einem eigentümlichen, ein wenig skandalösen Falle.
Solange Kerasivna noch nicht verheiratet war, da kannte sie jedermann als ein eigenwilliges, starrköpfiges Mädchen; sie wohnte in der Stadt und in ihrem Besitze befand sich ein Glas, in welchem ein kleines Teufelchen mit roten Hörnern und Zunge eingeschmolzen war.
Dieses Teufelchen erhielt die Kerasivna von einem adeligen Herrn aus Pokota, Rohačover Bezirkes, welcher solche in einer benachbarten Glashütte herstellte, zum Geschenke.
Kerasivna benützte das Glas zum Trinken und befand sich dabei sehr wohl.
Aber nicht genug daran, sie besaß den außergewöhnlich großen Mut den Kerasenko zu heiraten.
Das zu tun, vermochte nur ein Frauenzimmer, das selbst den Teufel nicht fürchtet, da es ja allgemein bekannt war, daß Kerasenko nicht nur durch seine Eifersucht, sondern auch durch seine Rohheit bereits zwei Frauen ins Grab brachte.
Als Kerasenko zum drittenmale heiraten wollte, da konnte er keine Frau finden, bis sich ihm diese verteufelte Kerasivna sogar selbst antrug,