Der kleine Ritter. Генрик Сенкевич
kleine Ritter / (Herr Wolodyjowski) – Historischer Roman
Einleitung
Nach dem ungarischen Kriege, nach welchem die Trauung des Herrn Andreas Kmiziz mit Fräulein Alexandra Billewitsch stattgefunden hatte, sollte auch der nicht minder berühmte und um die Republik ebenso verdiente Ritter Herr Georg Michael Wolodyjowski mit Fräulein Anna Borschobohata-Krasienska in die Ehe treten. Aber es stellten sich mancherlei Hindernisse und Schwierigkeiten ein, welche die Sache verzögerten. Fräulein Borschobohata war ein Zögling der Fürstin Jeremias Wischniowiezka, ohne deren Zustimmung sie keineswegs in die Verbindung einwilligen wollte. So mußte Herr Michael wegen der unruhigen Zeiten die Braut in Wodockt lassen und selbst nach Samoschtsch reisen, um die Erlaubnis und den Segen der Fürstin einzuholen.
Aber es leuchtete ihm kein günstiger Stern, denn er traf die Fürstin in Samoschtsch nicht an; sie war wegen der Erziehung ihres Knaben nach Wien an den kaiserlichen Hof gereist. Der geduldige Ritter folgte ihr auch nach Wien, obwohl ihm das eine tüchtige Spanne Zeit raubte. Dort erledigte er glücklich seine Angelegenheiten und kehrte frohen Mutes ins Vaterland zurück.
Aber die Zustände, die er zu Hause antraf, waren schlecht; das Heer wurde zusammenberufen, in der Ukraine dauerten die Unruhen fort – im Osten war der Brand noch nicht erloschen. Man hatte neue Truppen zusammengezogen, um die Grenzen einigermaßen zu schützen. Ehe also Herr Michael auf seiner Heimreise nach Warschau gelangt war, hatte ihn das Aufgebot getroffen, welches im Auftrag des Wojewoden von Reußen auf seinen Namen ausgestellt war. Da er der Ansicht war, daß dem Vaterland der Vorrang vor persönlichen Dingen gebühre, ließ er den Gedanken an eine schleunige Hochzeit fallen und zog nach der Ukraine. Viele Jahre verbrachte er dort in Kriegsarbeit und hatte kaum von Zeit zu Zeit Gelegenheit, an das sehnsüchtig harrende Mädchen zu schreiben, denn er lebte beständig im Feuer, in unsäglichen Mühen und Arbeiten.
Dann ging er als Abgesandter in die Krim, später kam der unglückliche Bürgerkrieg mit Herrn Lubomirski, in welchem er auf seiten des Königs gegen jenen Nichtswürdigen und Landesverräter kämpfte; dann wieder zog er unter Sobieski in die Ukraine.
Sein Ruf wuchs durch diese Taten so, daß man ihn allgemein für den ersten Krieger der Republik ansah; aber – seine Jahre flossen ihm in Sorge, in Seufzern und Sehnsucht hin. Endlich kam das Jahr 1668. Da wurde er auf Befehl des Herrn Burgvogts auf Urlaub geschickt, und er fuhr mit dem Anfang des Sommers zu seiner lieben Braut, holte sie von Wodockt und eilte mit ihr nach Krakau.
Die Fürstin Griseldis, welche aus den kaiserlichen Landen bereits heimgekehrt war, hatte ihn nämlich dorthin zur Hochzeit gebeten; sie bot sich selbst dem Fräulein als Brautmutter an.
Die Kmiziz blieben in Wodockt. Sie erwarteten nicht so bald Nachricht von Wolodyjowski und waren ganz von der bevorstehenden Ankunft eines neuen Gastes in Anspruch genommen, der sich in Wodockt angesagt hatte.
Die Vorsehung hatte ihnen bisher Kinder versagt; jetzt sollte eine glückliche, ihren Wünschen entsprechende Wendung eintreten.
Es war ein ungewöhnlich fruchtbares Jahr; das Getreide gab so reichliche Ernten, daß die Scheunen es nicht fassen konnten, und das ganze Land in seiner Länge und seiner Breite von Schobern bedeckt war. In den Gegenden, die der Krieg verwüstet hatte, wuchs der junge Wald in einem Frühjahr so bedeutend, wie er zu anderen Zeiten in zwei Jahren nicht zu wachsen vermocht hatte. In den Wäldern war ein Reichtum von Wild und Pilzen, im Wasser ein Reichtum an Fischen, als habe die ungewöhnliche Fruchtbarkeit der Erde sich allen Wesen mitgeteilt, die sie bewohnten.
Wolodyjowskis Freunde hatten daraus günstige Vorzeichen für seine Heirat geweissagt. Aber das Schicksal hatte es anders beschlossen.
1. Kapitel
An einem schönen Herbsttage saß unter dem schattigen Dache seiner Laube Herr Andreas Kmiziz, trank zum Vesper seinen Met und blickte durch die mit dichtem Hopfen bewachsenen Stäbe auf seine Gattin, die auf dem schön gefegten Stege vor der Laube auf und nieder ging.
Frau Kmiziz war über die Maßen schön. Ihr helles Haar umrahmte ein freundliches, fast engelhaftes Gesicht. Langsam und vorsichtig schritt sie einher, denn sie war erfüllt von Ernst und Segen.
Herr Andreas Kmiziz schaute ihr mit furchtbar verliebten Blicken nach. Wohin sie sich wandte, folgte sein Auge ihr mit einer solchen Anhänglichkeit, wie dasjenige eines Hundes seinem Herrn zu folgen pflegt. Von Zeit zu Zeit lächelte er, denn er war überaus froh bei ihrem Anblick und strich den Schnurrbart in die Höhe, und dann zeigte sich immer in seinem Gesicht der Ausdruck loser Schelmerei. Man sah, der Ritter war von Natur ein Schalk und mußte wohl in jüngeren Jahren so manchen tollen Streich verübt haben.
Die Stille im Garten wurde nur durch den Widerhall herabfallender überreifer Früchte und durch das Summen der Insekten unterbrochen. Das Wetter war wunderbar schön geworden. Es war im Anfang des September. Die Sonne glühte nicht mehr zu heiß, warf aber noch immer reichlich ihre goldenen Strahlen. In diesen Strahlen glänzten die roten Äpfel durch das grüne Laub in so großer Zahl, daß es aussah, als seien die Bäume ringsherum mit Früchten beklebt. Die Zweige der Pflaumenbäume bogen sich unter der Last ihrer Früchte, die wie mit grauem Wachs umhüllt schienen.
Die ersten Fäden der Spinnweben, die sich von Ast zu Ast zogen, schwankten bei dem leisen Wehen eines Windes, der nicht einmal die Bäume rauschen machte. Vielleicht mochte auch dies herrliche Wetter Herrn Kmiziz mit solcher Heiterkeit erfüllen, denn sein Antlitz leuchtete immer mehr auf. Endlich trank er seinen Met aus und sagte zu seiner Gattin:
»Komm doch einmal her, Olenka!1 Ich will dir etwas sagen.«
»Nur nicht etwas, was ich nicht gern höre,« entgegnete sie.
»Bei Gott nicht! Höre nur!«
Bei diesen Worten faßte er sie um die Hüfte, legte seinen Schnurrbart an ihr helles Haar und flüsterte:
»Wenn es ein Knabe sein wird, soll er Michael heißen.«
Sie aber wandte das Gesicht, das ein wenig rot geworden war, ab und flüsterte:
»Du hast doch versprochen, nichts dagegen einzuwenden, daß er Heraklius heiße.«
»Ja, siehst du, wegen des Wolodyjowski.«
»Aber geht nicht das Andenken des Großvaters vor?«
»… Und meines Wohltäters … hm, gewiß … Aber der zweite muß Michael heißen, es geht nicht anders.«
Hier erhob sich Olenka und versuchte sich aus den Händen Kmiziz' zu befreien; er aber zog sie noch kräftiger an sich und begann sie auf Mund und Augen zu küssen, indem er immer und immer wiederholte:
»Du mein Sonnenschein, mein Tausendschön, mein einzig Geliebtes!«
Das weitere Gespräch unterbrach ein Bursche, der sich am Ende der Straße zeigte und eilig auf die Laube zuschritt.
»Was willst du?« fragte Kmiziz, indem er seine Frau losließ.
»Herr Charlamp ist gekommen; er wartet im Zimmer,« antwortete der Bursche.
»Sieh, da ist er schon selbst!« rief Kmiziz, als er den Mann gewahrte, der auf die Laube zukam. »Du lieber Gott, wie sein Bart grau geworden ist! Willkommen, teurer Freund, willkommen, alter Kriegskamerad!«
Er stürzte aus der Laube und eilte Herrn Charlamp mit ausgebreiteten Armen entgegen. Aber Herr Charlamp verneigte sich erst tief vor Olenka, die er vor langen Jahren am Hofe von Kiejdan bei dem Fürst-Wojewoden von Wilna gesehen hatte, dann drückte er ihre Hand an seinen riesigen Schnauzer, und nun erst warf er sich Kmiziz um den Hals und schluchzte an seiner Schulter.
»Beim Himmel, was ist Euch!« rief der erstaunte Hausherr.
»Dem einen hat Gott den Segen gegeben,« antwortete Charlamp, »den er dem anderen entzieht. Meiner Trauer Ursache aber kann ich nur Euch allein erzählen.«
Hier blickte er Frau Olenka an; sie aber erriet, daß er in ihrer Gegenwart nicht sprechen wolle, und sagte zu ihrem Manne:
»Ich will den Herren Met herausschicken; jetzt lasse ich euch allein.« Kmiziz zog Herrn Charlamp in die Laube, bot ihm auf der Bank einen Platz und rief:
»Was ist dir? Brauchst du Hilfe? Auf mich kannst du zählen wie auf einen Bruder.«
»Mir
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Olenka = Kosename für Alexandra.