Frühlings Erwachen. Франк Ведекинд

Frühlings Erwachen - Франк Ведекинд


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vorüber und grüßt)

Thea

      Er hat einen wundervollen Kopf.

Martha

      So denke ich mir den jungen Alexander, als er zu Aristoteles in die Schule ging.

Thea

      Du lieber Gott, die griechische Geschichte! – Ich weiß nur noch, wie Sokrates in der Tonne lag, als ihm Alexander den Eselsschatten verkaufte.

Wendla

      Er soll der Drittbeste in seiner Klasse sein.

Thea

      Professor Knochenbruch sagt, wenn er wollte, könnte er Primus sein.

Martha

      Er hat eine schöne Stirne, aber sein Freund hat einen seelenvolleren Blick.

Thea

      Moritz Stiefel? – Ist das eine Schlafmütze!

Martha

      Ich habe mich immer ganz gut mit ihm unterhalten.

Thea

      Er blamiert einen, wo man ihn trifft. Auf dem Kinderball bei Rilows bot er mir Pralinees an. Denke dir, Wendla, die waren weich und warm. Ist das nicht …? – Er sagte, er habe sie zu lang in der Hosentasche gehabt.

Wendla

      Denke dir, Melchi Gabor sagte mir damals, er glaube an nichts – nicht an Gott, nicht an ein Jenseits – an gar nichts mehr in dieser Welt.

      Vierte Szene

      Parkanlagen vor dem Gymnasium – Melchior, Otto, Georg, Robert, Hänschen Rilow, Lämmermeier

Melchior

      Kann mir einer von euch sagen, wo Moritz Stiefel steckt?

Georg

      Dem kann′s schlecht gehn! – O dem kann′s schlecht gehn!

Otto

      Der treibts so lange, bis er noch mal ganz gehörig ′reinfliegt!

Lämmermeier

      Weiß der Kuckuck, ich möchte in diesem Moment nicht in seiner Haut stecken!

Robert

      Eine Frechheit! – Eine Unverschämtheit!

Melchior

      Wa – wa – was wißt ihr denn?

Georg

      Was wir wissen? – Na, ich sage dir …

Lämmermeier

      Ich möchte nichts gesagt haben!

Otto

      Ich auch nicht – weiß Gott nicht!

Melchior

      Wenn ihr jetzt nicht sofort …

Robert

      Kurz und gut, Moritz Stiefel ist ins Konferenzzimmer gedrungen.

Melchior

      Ins Konferenzzimmer …?

Otto

      Ins Konferenzzimmer! – Gleich nach Schluß der Lateinstunde.

Georg

      Er war der letzte; er blieb absichtlich zurück.

Lämmermeier

      Als ich um die Korridorecke bog, sah ich ihn die Tür öffnen.

Melchior

      Hol dich der …!

Lämmermeier

      Wenn nur ihn nicht der Teufel holt!

Georg

      Vermutlich hatte das Rektorat den Schlüssel nicht abgezogen.

Robert

      Oder Moritz Stiefel führt einen Dietrich.

Otto

      Ihm wäre das zuzutrauen.

Lämmermeier

      Wenn′s gut geht, bekommt er einen Sonntagnachmittag.

Robert

      Nebst einer Bemerkung ins Zeugnis!

Otto

      Wenn er bei dieser Zensur nicht ohnehin an die Luft fliegt.

Hänschen Rilow

      Da ist er!

Melchior

      Blaß wie ein Handtuch.

      (Moritz kommt in äußerster Aufregung.)

Lämmermeier

      Moritz, Moritz, was du getan hast!

Moritz

      – — Nichts – — nichts – — —

Robert

      Du fieberst!

Moritz

      – Vor Glück – vor Seligkeit – vor Herzensjubel —

Otto

      Du bist erwischt worden?!

Moritz

      Ich bin promoviert! – Melchior, ich bin promoviert! – O jetzt kann die Welt untergehn! – Ich bin promoviert! – Wer hätte geglaubt, daß ich promoviert werde! – Ich fass′ es noch nicht! – Zwanzigmal hab′ ich′s gelesen! – Ich kann′s nicht glauben – du großer Gott, es blieb! – Es blieb! Ich bin promoviert! – (lächelnd) Ich weiß nicht – so sonderbar ist mir – der Boden dreht sich … Melchior, Melchior, wüßtest du, was ich durchgemacht!

Hänschen Rilow

      Ich gratuliere, Moritz. – Sei nur froh, daß du so weggekommen!

Moritz

      Du weißt nicht, Hänschen, du ahnst nicht, was auf dem Spiel stand. Seit drei Wochen schleiche ich an der Tür vorbei wie am Höllenschlund. Da sehe ich heute, sie ist angelehnt. Ich glaube, wenn man mir eine Million geboten hätte – nichts, o nichts hätte mich zu halten vermocht! – Ich stehe mitten im Zimmer – ich schlage das Protokoll auf – blättere – finde – — und während all der Zeit … Mir schaudert —

Melchior

      … während all der Zeit?

Moritz

      Während all der Zeit steht die Tür hinter mir sperrangelweit offen. – Wie ich heraus … wie ich die Treppe heruntergekommen, weiß ich nicht.

Hänschen Rilow

      – Wird Ernst Röbel auch promoviert?

Moritz

      O gewiß, Hänschen, gewiß! – Ernst Röbel wird gleichfalls promoviert.

Robert

      Dann mußt du schon nicht richtig gelesen haben. Die Eselsbank abgerechnet zählen wir mit dir und Röbel zusammen einundsechzig, während oben das Klassenzimmer mehr als sechzig nicht fassen kann.

Moritz

      Ich habe vollkommen richtig gelesen. Ernst Röbel wird so gut versetzt wie ich – beide allerdings vorläufig nur provisorisch. Während des ersten Quartals soll es sich dann herausstellen, wer dem andern Platz zu machen hat. – Armer Röbel! – Weiß der Himmel, mir ist um mich nicht mehr bange. Dazu habe ich diesmal zu tief hinuntergeblickt.

Otto

      Ich wette fünf Mark, daß du Platz machst.

Moritz

      Du hast ja nichts. Ich will dich nicht ausrauben. – Herrgott, werd′ ich büffeln von heute an! – Jetzt kann ich′s ja sagen – mögt ihr daran glauben oder nicht – jetzt ist ja alles gleichgültig – ich – ich weiß, wie wahr es ist: Wenn ich nicht promoviert worden wäre, hätte ich mich erschossen.

Robert

      Prahlhans!

Georg

      Der Hasenfuß!

Otto

      Dich hätte ich schießen sehen mögen!

Lämmermeier

      Eine Maulschelle drauf!

Melchior

      (gibt ihm eine)

      – — Komm, Moritz. Gehn wir zum Försterhaus!

Georg

      Glaubst du vielleicht an den Schnack?

Melchior

      Schert dich das? – — Laß sie schwatzen, Moritz! Fort, nur fort, zur Stadt hinaus!

      (Die Professoren Hungergurt und Knochenbruch gehen vorüber.)

Knochenbruch

      Mir unbegreiflich, verehrter Herr Kollega, wie sich der beste meiner Schüler gerade zum allerschlechtesten so hingezogen fühlen kann.

Hungergurt

      Mir auch, verehrter Herr


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