Geschichte von England seit der Thronbesteigung Jakob's des Zweiten. Siebenter Band: enthaltend Kapitel 13 und 14.. Томас Бабингтон Маколей
und vergaß, daß sie selbst für diese Grausamkeiten verantwortlich war. Die nämlichen Londoner, welche, so lange der Marsch Derby’s noch in frischem Andenken war, die gefangenen Rebellen verhöhnt und mit Steinen geworfen hatten, gaben jetzt dem Fürsten, der den Aufstand niedergeworfen, den Spottnamen des „Schlächters“. Die barbarischen Institutionen und Gebräuche, die kein Sachse zur Zeit ihres Bestehens einer ernsten Prüfung werth gehalten und von denen er nie anders als mit Verachtung gesprochen, hatten nicht sobald aufgehört zu existiren, als sie Gegenstände der Neugierde, des Interesses und selbst der Bewunderung wurden. Kaum waren die Häuptlinge einfache Grundherren geworden, so begann man auch schon gehässige Vergleiche zwischen der Habgier des Grundherrn und der Nachsicht des Häuptlings anzustellen. Man schien vergessen zu haben, daß das alte gälische Staatswesen für unvereinbar mit der Autorität des Gesetzes befunden worden war, das Fortschreiten der Civilisation gehemmt und mehr als einmal den Fluch des Bürgerkriegs über das Land gebracht hatte. Wie man früher nur die abschreckende Seite dieses Staatswesens gesehen hatte, so sah man jetzt nur die anziehende Seite desselben. Das alte Band, sagte man, sei ein verwandtschaftliches gewesen, das neue sei ein rein commercielles. Könne es etwas Beklagenswertheres geben, als daß der Häuptling eines Stammes um eines geringfügigen Pachtrückstandes willen Pächter vertreibe, die sein eigen Fleisch und Blut seien und deren Vorfahren oftmals auf dem Schlachtfelde mit ihren Leibern seine Vorfahren gedeckt hätten? So lange es gälische Räuber gab, waren sie von der sächsischen Bevölkerung als hassenswerthes Ungeziefer betrachtet worden, das ohne Gnade vertilgt werden müsse. Sobald aber die Vertilgung bewerkstelligt, sobald das Vieh in den Engpässen von Perthshire eben so sicher war als auf dem Markte zu Smithfield, wurde der Freibeuter zu einem Romanhelden verherrlicht. So lange die gälische Tracht getragen wurde, hatten die Sachsen sie für häßlich, für lächerlich, ja sogar für höchst unanständig erklärt. Bald nachdem dieselbe verboten worden, machten sie die Entdeckung, daß sie das anmuthigste Gewand von Europa war. Die gälischen Bauwerke, die gälischen Gebräuche, der gälische Aberglaube, die gälischen Dichtungen, seit vielen Jahrhunderten geringschätzend vernachlässigt, begannen von dem Augenblicke an, wo die gälischen Eigenthümlichkeiten zu verschwinden anfingen, die Aufmerksamkeit der Gelehrten auf sich zu ziehen. Dieser Impuls war so stark, daß, wo die Hochlande im Spiele waren, einsichtsvolle Männer unbewiesenen Geschichten bereitwillig Glauben schenkten und Männer von Geschmack ganz werthlosen Compositionen einen überspannten Beifall zollten. Epische Gedichte, welche jeder geübte und vorurtheilsfreie Kritiker auf den ersten Blick als fast gänzlich modern erkannt haben würde und die, wenn sie als moderne Erzeugnisse veröffentlicht worden wären, sofort den ihnen gebührenden Platz neben Blackmore’s Alfred und Wilkie’s Epigoniad gefunden haben würden, wurden für funfzehnhundert Jahr alt erklärt und allen Ernstes der Iliade zur Seite gestellt. Schriftsteller von ganz andrer Art als die Betrüger, welche diese Fälschungen fabrizirten, sahen ein, welcher gewaltige Eindruck durch geschickte Schilderungen des früheren Hochlandlebens hervorgebracht werden könnte. Alles Widerwärtige wurde gemildert, alles Schöne und Edle mit besonderem Nachdruck hervorgehoben. Einige dieser Werke waren mit so bewundernswerthem Geschick abgefaßt, daß sie, wie die historischen Stücke Shakespeare’s, die Geschichte ersetzten. Die Phantasiegebilde des Dichters wurden für seine Leser zu Wirklichkeiten, die Orte, welche er beschrieb, wurden geheiligte Stätten und das Ziel von Tausenden von Pilgern. Bald war die Phantasie des Volks so ausschließend beschäftigt mit Plaids, Tartschen und Claymores, daß die meisten Engländer die Namen Schotte und Hochländer als gleichbedeutend betrachteten. Nur wenige schienen zu wissen, daß zu einer noch nicht fernen Zeit ein Macdonald oder ein Macgregor in seinem Tartan einem Bürger von Edinburg oder Glasgow das war, was ein indianischer Jäger in seinem Kriegsschmucke einem Bewohner von Philadelphia oder Boston ist. Künstler und Schauspieler stellten Bruce und Douglas in gestreiften kurzen Röcken dar. Eben so gut hätten sie Washington den Tomahawk schwingend und mit einer Reihe Skalpen umgürtet darstellen können. Endlich erreichte diese Mode einen Punkt, der nicht leicht überschritten werden konnte. Der letzte britische König, der in Holyrood residirte, glaubte keinen glänzenderen Beweis von seiner Achtung vor den Gebräuchen, welche vor der Union in Schottland geherrscht hatten, geben zu können, als indem er sich in einen Anzug kleidete, den vor der Union neun Schotten unter zehn für die Tracht eines Banditen erklärt haben würden.
So ist es gekommen, daß die alten gälischen Institutionen und Sitten nie in dem einfachen Lichte der Wahrheit dargestellt worden sind. Bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts wurden sie durch ein falsches Medium gesehen; seitdem sind sie durch ein andres gesehen worden. Früher schimmerten sie nur undeutlich durch den verdunkelnden und entstellenden Nebel des Vorurtheils, und dieser Nebel hatte sich kaum zerstreut, so erschienen sie glänzend in den reichsten Farben der Poesie. Die Zeit, wo ein vollkommen treues Bild hätte entworfen werden können, ist jetzt vorbei. Das Original ist längst verschwunden, eine authentische Copie existirt nicht und Alles was noch möglich, ist die Herstellung einer unvollkommenen Aehnlichkeit mit Hülfe zweier Portraits, von denen das eine eine plumpe Karrikatur, das andre ein Meisterstück der Schmeichelei ist.
Eigenthümlicher Character des Jakobitismus in den Hochlanden
Unter den falschen Begriffen, die sich in Bezug auf die Geschichte und den Character der Hochländer allgemein verbreitet haben, muß namentlich einer berichtigt werden. Während des Jahrhunderts, das mit dem Feldzuge Montrose’s begann und mit dem Feldzuge des jungen Prätendenten schloß, wurde jede im Interesse des Hauses Stuart auf britischem Boden vollbrachte große kriegerische That durch die Tapferkeit gälischer Stämme vollbracht. Die Engländer haben daher ganz natürlich diesen Stämmen die Denkungsart englischer Cavaliere zugeschrieben: eine tiefe Ehrfurcht vor der königlichen Würde und eine begeisterte Anhänglichkeit an die königliche Familie. Eine nähere Untersuchung wird jedoch ergeben, daß die Stärke dieser Gefühle bei den celtischen Clans sehr überschätzt worden ist.
Wenn wir die Geschichte unserer bürgerlichen Zwistigkeiten studiren, dürfen wir nie vergessen, daß dieselben Namen, Kennzeichen und Kriegsrufe in verschiedenen Theilen der britischen Inseln eine ganz verschiedene Bedeutung hatten. Wir haben bereits gesehen, wie wenig der irische Jakobitismus und der englische Jakobitismus mit einander gemein hatten. Der Jakobitismus des schottischen Hochländers war, wenigstens im 17. Jahrhundert, eine dritte, von den beiden anderen ganz verschiedene Varietät. Die gälische Bevölkerung war in der That weit davon entfernt, die Prinzipien des passiven Gehorsams und des Nichtwiderstandes anzuerkennen. Das ganze alltägliche Leben dieser Bevölkerung war eigentlich aus Ungehorsam und Widerstand zusammengesetzt. Gerade einige von denjenigen Clans, die man allgemein als so enthusiastisch loyal zu schildern gewohnt war, daß sie bereit sein würden, bis zum Tode treu zu Jakob zu halten, selbst wenn er im Unrecht wäre, hatten, so lange er auf dem Throne saß, seiner Autorität nie die geringste Achtung gezollt, selbst wenn er offenbar im Rechte war. Es war ihre Gewohnheit, ihr Beruf gewesen, ihm ungehorsam zu sein und ihm zu trotzen. Einige von ihnen waren wegen des Verbrechens der Widerspenstigkeit gegen seine gesetzmäßigen Befehle wirklich unter Hörnerklang proscribirt worden und würden ohne Besinnen jeden seiner Beamten, der sich über die Gebirgspässe hinaus gewagt hätte, um seinen Befehl zu vollziehen, in Stücke zerrissen haben. Die englischen Whigs wurden von ihren Gegnern beschuldigt, daß sie bezüglich des dem Staatsoberhaupte gebührenden Gehorsams gefährlich lockeren Prinzipien huldigten. Indessen hat kein ehrenwerther englischer Whig jemals den Aufruhr vertheidigt, außer als ein seltenes und extremes Mittel gegen seltene und extreme Uebel. Aber unter den celtischen Häuptlingen, deren Loyalität das Thema so vieler feuriger Lobpreisungen gewesen ist, gab es mehrere, deren ganze Existenz vom Knabenalter an ein einziger langer Aufruhr war. Von solchen Männern durfte man offenbar nicht erwarten, daß sie die Revolution in dem Lichte betrachten würden, in welchem dieselbe einem oxforder Eidverweigerer erschien. Auf der andren Seite wurden sie nicht, wie die eingebornen Irländer, durch Widerwillen gegen die sächsische Oberherrschaft zur Ergreifung der Waffen gedrängt; der schottische Celte war dieser Herrschaft niemals unterworfen gewesen. Er bewohnte sein eignes wildes und unfruchtbares Gebiet und beobachtete seine eigenen nationalen Gebräuche. In seinem Verkehr mit den Sachsen war er eher der Bedrücker als der Bedrückte. Er erpreßte Räubertribut von ihnen, entführte ihre Schaf- und Rinderheerden, und selten wagten sie es, ihn in seine heimathliche Wildniß zu verfolgen. Sie hatten nie sein ödes Moos- und Kiesland unter sich vertheilt. Er hatte nie den Thurm seiner erblichen Häuptlinge