Eine Liebe in Paris . Sophie Love
Keira blickte Bryn finster an. Cristianos Blick huschte zwischen ihnen hin und her, als verstehe er nicht genau, wo er da reingeraten war. Schließlich stand er auf und schloss sich Keira an. Sie nickte zufrieden über ihren kleinen Sieg.
„Morgen“, sagte Cristiano zu Bryn. „Danke für den Wein.“
Keira fiel auf, dass er nicht ausgetrunken hatte. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, ihn quasi mitzuschleifen, aber sie kannte ihre Schwester eben besser als er. Sie mit ihm allein zu lassen, barg ein nicht unerhebliches Risiko.
„Gute Nacht“, rief Keira Bryn zu und zerrte ihren Koffer ins Schlafzimmer.
Cristiano folgte ihr. Sobald sie beide im Schlafzimmer waren, schloss Keira die Tür hinter ihnen. Sie lehnte sich dagegen und atmete tief durch.
„Tut mir leid“, sagte sie und deutete durch die geschlossene Tür.
Cristiano wirkte amüsiert. „Verstehe ich nicht. Sie schien doch ganz nett.“
„Sie hat mit dir geflirtet.“ Keira schüttelte empört den Kopf.
Cristiano schien das nicht zu stören. „Es macht mir nichts aus.“
„Aber mir“, sagte Keira. „Sie ist meine Schwester. So etwas macht man nicht.“
Cristiano zuckte mit den Schultern. Er kam zu ihr und nahm sie in den Arm. „Du weißt doch, dass ich nur Augen für dich habe.“ Er hielt sie fest umschlungen.
„Ich mache mir auch keine Sorgen über dich“, antwortete Keira und entspannte sich ein wenig. „Sondern über all die anderen heißblütigen Frauen in der Welt.“
Ein Gedanke traf sie wie ein Keulenschlag. In Italien war Cristiano, auch wenn er sehr gut aussah, nur einer von vielen gewesen. Hier in New York war er eine exotische Kreatur, ein echter Italiener, ein Model, direkt dem Cover eines Modemagazins entsprungen. Ihre Heimatstadt barg eine Menge neuer Gefahren für ihre Beziehung, an die sie bisher gar nicht gedacht hatte.
Es gab dafür nur eine Lösung. Sie würde Cristiano von morgens bis abends beschäftigen, ihn ganztägig im Auge behalten müssen.
„Wir sollten morgen beizeiten aufstehen“, sagte sie und löste sich aus seiner Umarmung. Dann machte sie sich für die Nacht fertig. „Mir bleibt nur ein freier Tag bevor ich wieder arbeiten muss. Das wird eine anstrengende Sightseeing-Tour.“
Cristiano grinste. „Ich kann es kaum erwarten. Aber gehen jetzt nicht sofort schlafen, oder?“ Er blickte sie vielsagend an. „Ich war den ganzen Tag in einem engen Flugzeug eingepfercht. Ich habe eine Menge angestauter Energie.“
Keira grinste ebenfalls und griff nach dem Lichtschalter. „Was immer du wünschst“, murmelte sie, schaltete das Licht aus und tauchte das Zimmer in Dunkelheit.
KAPITEL DREI
Keira erwachte vom schrillen Klang ihres Weckers. 7 Uhr. Aber wegen des Jetlags und der Tatsache, dass sie und Cristiano nicht wirklich viel Zeit mit Schlafen im Bett verbracht hatten, fühlte es sich an, als sei es noch mitten in der Nacht. Nach einem Nickerchen tagsüber fühlte sie sich meist ähnlich neben der Spur.
Aber auch wenn sie körperlich etwas durchhing, war sie geistig doch hellwach und freute sich auf den Tag. Sie sprang aus dem Bett, voller Erwartung und mit reichlich Adrenalin. Sie sah auf Cristiano herab, der noch fest schlief.
„Aufwachen“, sagte sie, beugte sich über ihn und küsste ihn auf die Stirn.
Er öffnete die Augen. „Muss ich?“, fragte er gähnend. „Der lange Flug hat mich sehr erschöpft.“
„So so, der lange Flug war das also, ja?“ Keira zwinkerte ihm vielsagend zu.
Aber Cristiano war schon wieder eingeschlafen.
Sie entschied sich, ihn noch schlafen zu lassen, während sie sich für den Tag fertig machte.
Sie schlich ins Wohnzimmer, wo Bryn noch schnarchend auf dem Sofa lag. So leise wie möglich, um die schlafende Bestie nicht zu wecken, schlich Keira an ihrer Schwester vorbei und sprang schnell unter die Dusche, um die Anstrengungen der Reise und einen letzten Rest Italien abzuspülen.
Als sie zurück ins Schlafzimmer kam, schlief Cristiano noch immer tief und friedlich. Sie seufzte und beschloss, erst einmal ihre Schmutzwäsche in den Waschsalon an der Ecke zu bringen. Besser, sie verschwendete keine Zeit, wenn sie morgen wieder arbeiten musste.
Sie kippte ihren Koffer aus, packte die Sachen, die von letzter Nacht verstreut im Zimmer lagen, dazu, und eilte damit aus der Wohnung, die Treppe hinunter, auf die Straße.
Es war ein ziemlich kalter Morgen und sie fühlte sich beinahe nostalgisch. In den letzten beiden Monaten war sie so gut wie gar nicht in New York gewesen und es fühlte sich gut an, wieder daheim zu sein, all die vertrauten Geräusche, den Verkehr, die Gerüche, die Abgase zu erleben. Sie dachte mit Freude daran, dass bald Thanksgiving war, ihr liebster Feiertag. Dieses Jahr würde sie den mit Cristiano feiern können, was es zu etwas Besonderem machte. Vorausgesetzt, er blieb so lange.
Im Waschsalon war nichts los und Keira stopfte die Wäsche von mehreren Wochen in die Maschine, füllte Waschmittel ein und warf ein paar Münzen in den Schlitz. Sie hatte nicht viel Kleingeld dabei, weil sich keine Gelegenheit ergeben hatte, Geld zu wechseln, aber eine halbe Stunde war besser als nichts für die Wäsche.
Sobald die Maschine lief, kehrte Keira ins Apartment zurück. Sie wollte Cristiano wecken und ihn aus der Wohnung locken, weg von Bryns Klauen.
Aber zurück im Schlafzimmer sah sie, dass Cristiano immer noch fest schlief. Sie küsste ihn erneut und versuchte ihn zu wecken.
„Hey, schlafende Schönheit“, sagte sie fröhlich und laut. „Wir müssten langsam mal los.“
Cristiano stöhnte. „Können wir nicht einen faulen Tag im Bett verbringen? Wir sind wochenlang unterwegs gewesen. Wir haben uns einen entspannten Vormittag verdient, oder nicht?“
Keira schüttelte den Kopf, denn sie dachte an Bryn im anderen Zimmer. Sie mussten weg sein, bevor sie erwachte.
„Nein. New York erwartet uns!“
Cristiano gähnte und wandte sich von ihrer lauten Stimme ab. „Und es wird auch am Nachmittag noch da sein.“
„Aber morgens macht es mehr Spaß“, beharrte Keira und zog ihm die Decke weg. „Glaube mir, ich weiß Bescheid.“
Cristiano gab nach und stand frierend auf.
„Warum hast du es so eilig?“, stöhnte er.
„Weil es viel zu entdecken gibt.“ Sie zog schnell ein Paar Winterstiefel von Bryn an. Ihre eigenen Sachen waren irgendwo in einer Kiste verstaut, ihre Sachen aus Zachs Wohnung waren über mehrere Wohnungen verteilt, inklusive der ihrer Mutter, Shelbys Dachboden und Bryns Schrank. Selbst unter ihrem Schreibtisch bei Viatorum stand eine Kiste.
„Kann ich wenigstens vorher noch duschen?“, fragte Cristiano.
Keira kaute auf ihrer Unterlippe. Jede Minute, die sie hier vertrödelten, bedeutete, dass Bryn aufwachen und ihre Klauen in Cristiano schlagen könnte. Aber Keira konnte ihm wohl kaum die notwendigen menschlichen Bedürfnisse untersagen.
„Natürlich“, sagte sie übertrieben fröhlich. Sie ging an Bryns Schrank und holte ein flauschiges Handtuch heraus. „Hier“, sagte sie und reichte es ihm, zusammen mit Shampoo und Duschgel aus ihrem Koffer. „Die Dusche ist am Ende vom Flur.“
Er küsste sie und verließ das Zimmer. Keira ließ sich auf das Bett sinken. Sie war jetzt schon erschöpft. Das würde nicht leicht werden. Sie musste so schnell wie möglich eine eigene Wohnung finden. Möglichst gestern schon.
Aber dazu