Eine Liebe im Schnee . Sophie Love
mit Badezimmer weiter westlich von Manhattan, als sie sich normalerweise aufhielt. Nach den Fotos zu urteilen, sah sie so aus, als wäre sie die traurige, verkleinerte Mietwohnung eines Scheidungsopfers gewesen, aber Keira konnte an der faden, lieblosen Einrichtung vorbeischauen. Die Fenster waren riesig, die Decken hoch. Und ohne den grauen Teppich würde der Raum sogar noch größer wirken. Das Gebäude hatte eine Waschküche im Untergeschoss und war weniger als eine Meile von der U-Bahn-Station entfernt.
Es fühlte sich an, als sollte es sein.
Keira griff nach ihrem Handy und wählte die Nummer des Immobilienmaklers. Nachdem es ein paarmal geklingelt hatte, meldete sich die krächzende Stimme einer älteren Frau, mit einem wahrscheinlich über Jahrzehnte entwickelten, kratzigen Raucherhusten.
„Ich rufe an, um mich nach der Wohnung auf ihrer Webseite zu erkundigen“, sagte sie und erklärte, welche Wohnung sie interessierte.
„Oh ja, die ist ein Prachtstück“, antwortete die Frau. „Großartige Lage. Wie groß bist du?“
Keira war etwas überrascht über diese Frage. „Warum?“
„Weil die letzten zwei Typen, denen ich diese Wohnung gezeigt habe, so groß wie Basketballspieler waren und sie wollten mehr Platz. Eine Zeitverschwendung für alle Beteiligten. Und Zeit ist Geld, Kind. Also? Wie groß?“
„Ein Meter achtundfünfzig“, antwortete Keira.
„Perfekt“, krächzte die Frau. „Wann willst du sie dir angucken?“
Keira dachte an ihre Arbeit und die vielen Überstunden, die sie oftmals bei Viatorum arbeiten musste. „Ein Wochenende wäre am besten.“
„Was machst du heute?“, kam die Antwort der Frau. „Ich hatte eine Absage, also kann ich dich dazwischen schieben.“
„Heute?“, wiederholte Keira überrascht. Es war nicht so, dass sie irgendetwas anderes zu tun hätte. „Okay, ja. Heute passt gut!“
Sie besprachen die benötigten Details und als Keira auflegte, fühlte sie sich fast ein wenig schwindelig von dem Tempo, in dem alles passiert war. Es fühlte sich wirklich wie Schicksal an.
*
Keira kam aus der U-Bahn-Station und fand sich in einem ihr unbekannten, aber überaus angenehmen Teil von New York wieder. Das war eines der Dinge über die Stadt, die sie so sehr liebte. Wie sie sich veränderte, wie Neues entstand und wie sie sich kontinuierlich immer weiterentwickelte, sodass sie sich immer wieder selbst neu erfand. Vor nicht allzu langer Zeit musste diese Gegend etwas heruntergekommen gewesen sein und die meisten Menschen haben die Neuentwicklung noch nicht mitbekommen, denn ansonsten gäbe es keinerlei Chance, dass sie in der Lage wäre, sich in dieser Gegend eine Mietwohnung leisten zu können!
Sie eilte den Gehsteig entlang und suchte mit den Augen, während sie lief, die Hausnummern ab, um das richtige Gebäude zu finden. Als sie der richtigen Hausnummer näher kam, bemerkte sie eine Frau, die in einiger Entfernung vor ihr stand. Sie trug einen pinkfarbenen Zweiteiler mit passenden Absatzschuhen und rauchte eine Zigarette. Das musste die Immobilienmaklerin sein, mit der sie am Telefon gesprochen hatte.
Die Frau drehte sich um, wahrscheinlich da sie Keiras Schritte hinter sich gehört hatte und warf ihre Zigarette auf den Boden. Sie drückte sie mit der Spitze ihres Schuhs aus und eilte sogleich in Richtung Tür. Sie gestikulierte in Keiras Richtung ihr zu folgen und blies, während sie lief, seitlich den Zigarettenrauch aus.
„Lass uns hineingehen“, rief sie Keira zu, die noch einige Schritte entfernt war. „Ich friere mir hier draußen das Hinterteil ab.“
Keira zwinkerte wieder überrascht darüber, wie schnell sich die Dinge scheinbar entwickelten. Ohne sich vorzustellen, folgte sie der Frau in das Wohnhaus.
Drinnen war es düster, genau wie Keira es erwartet hatte, aber die Treppen waren in einem Stück und der Fahrstuhl roch okay. Sie fuhren hinauf zur dreizehnten Etage und Keira war positiv überrascht darüber, dass an keiner der Wände des Flures, den sie nun betraten, irgendwelches Graffiti gesprüht war.
Die Immobilienmaklerin steckte einen Schlüssel in das Schlüsselloch einer einfachen weißen Tür und drückte sie auf.
Der Geruch von Staub kam ihnen entgegen. Es roch, als wäre die Wohnung seit Jahren nicht gesaugt worden. Sie gingen hinein.
„Der Eigentümer hat hier für eine Weile gewohnt, bevor er woanders eingezogen ist. Er möchte diese hier jetzt vermieten. Er ist alleinstehend“, sagte die Maklerin, während sie mit ihrem Finger die Balustrade entlangstrich und dabei Staub aufwirbelte, „wie du sicherlich sehen kannst.“
Aber Keira kümmerte die Staubschicht nicht. Es kümmerte sie auch nicht, wie viel kleiner die Wohnung in Wirklichkeit und verglichen mit den Fotos war oder dass die Tapete voll von verschmierten Fingerabdrücken war. Sie konnte über all das hinwegsehen. Die Wohnung bedeutete für sie Freiheit, Unabhängigkeit, der Beginn ihres neuen Lebens. Ein Neustart. Ein Anker.
„Ich liebe sie!“, rief sie aus und klatschte in die Hände.
Die Maklerin schien von ihrem Ausbruch der Begeisterung unbeeindruckt. „Gut“, sagte sie nur. „Das Schlafzimmer ist hier drüben. Das ist der Grund, warum sie so billig ist. Es ist nicht genug Platz, um ein richtiges Doppelbett darin unterzubringen, nur für eins von denen in europäischer Größe. Aber da du klein bist, wirst du gut reinpassen.“
Keira sah ins Schlafzimmer. Es war wirklich nicht viel größer als ein Abstellraum. Aber was sonst würde sie von einem Schlafzimmer brauchen, als einen Platz zum Schlafen? Es war ja nicht so, als hätte sie einen Partner, mit dem sie ihr Bett teilen würde. Es würde ja nur sie selbst sein. Sie und vielleicht noch eine Katze...
„Sieht groß genug für mich aus“, sagte sie. „Ich besitze ehrlich gesagt noch kein Bett, also ist es nur ein Fall, etwas zu finden, was hineinpasst.“
Die Immobilienmaklerin nickte in ihrer charakteristischen, gelangweilten Art. „Großartig. Willst du sie mieten?“
Keira brauchte einen Moment zum Nachdenken. Alles passierte so schnell. Sie ging zurück aus dem Schlafzimmer in den Wohnbereich und lief hinüber zu den großen Fenstern und schaute sich die Aussicht an. Sie konnte von hier sogar den Central Park sehen.
Plötzlich konnte sie sich selbst hier vorstellen, wie sie an diesem Fenster saß, auf die Straßen hinaus blickte, Kaffee trank und schrieb. Es war, wie ihr eigenes Pariser Hotelfenster. Es war perfekt für sie. Sie brauchte nichts Anderes, nicht, wenn sie sich beruflich so oft im Ausland aufhielt. Alles, was sie brauchte, war ein Ort, den sie ihren eigenen nennen konnte. Einen neuen Anfang.
Sie drehte sich zu der in pink gekleideten Immobilienmaklerin um. „Ja, ich nehme sie.“
KAPITEL DREI
Mallory lehnte sich quer über den Tisch und füllte Keiras inzwischen leere Glas mit mehr Rosé. Keira verzog das Gesicht. Sie mochte den überaus süßen pinkfarbenen Wein, den ihrer Mutter bevorzugte, nicht, aber es gab nicht viel, was sie deswegen tun konnte. Wenn es zu Mallory Swanson kam, war Ablehnen einfach zwecklos.
Bryn sah Keira vom anderen Ende des Tisches in die Augen und grinste. Sie hasste den pinkfarbenen Wein genau wie Keira. Zumindest hatten sie dadurch einen kleinen geheimen Witz, den sie teilten.
„Also Keira“, sagte Mallory und sprach ihre jüngste Tochter an.
Keira wand ihre Augen von Bryn ab, um Mallory anzusehen. Von der Art wie ihre Mutter ihre Augen leicht zusammenkniff und wie sie ihr Weinglas schief in ihrer Hand hielt, konnte Keira sagen, dass sie leicht angetrunken war. Was bedeutete, das sie gleich etwas sehr Persönliches fragen würde, so wie sie es immer machte, wenn sie ein Glas oder zwei getrunken hatte.
Keira bereitete sich innerlich darauf vor. „Ja, Mutter?“
„Hast