Die Elixiere des Teufels. E. T. A. Hoffmann

Die Elixiere des Teufels - E. T. A. Hoffmann


Скачать книгу
muß fort, und ich glaubte dich dazu benutzen zu können, ihn in der Idee, ins Kloster zu gehen, zu bestärken und den Baron sowie den ratgebenden Freund Reinhold zu gleicher Zeit durch die dringendsten Vorstellungen, wie Hermogens Seelenheil nun einmal das Kloster begehre, geschmeidiger zu machen, daß sie in sein Vorhaben willigten. – Hermogen ist mir in der Tat höchst zuwider, sein Anblick erschüttert mich oft, er muß fort! – Die einzige Person, der er ganz anders erscheint, ist Aurelie, das fromme, kindische Kind; durch sie allein kannst du auf Hermogen wirken, und ich will dafür sorgen, daß du in nähere Beziehung mit ihr trittst. Findest du einen schicklichen Zusammenhang der äußern Umstände, so kannst du auch Reinholden oder dem Baron entdecken, wie dir Hermogen ein schweres Verbrechen gebeichtet, das du natürlicherweise, deiner Pflicht gemäß, verschweigen müßtest. – Doch davon künftig mehr! – Nun weißt du alles, Viktorin, handle und bleibe mein. Herrsche mit mir über die läppische Puppenwelt, wie sie sich um uns dreht. Das Leben muß uns seine herrlichsten Genüsse spenden, ohne uns in seine Beengtheit einzuzwängen." – Wir sahen den Baron in der Entfernung und gingen ihm, wie im frommen Gespräch begriffen, entgegen.

      Es bedurfte vielleicht nur Euphemiens Erklärung über die Tendenz ihres Lebens, um mich selbst die überwiegende Macht fühlen zu lassen, die wie der Ausfluß höherer Prinzipe mein Inneres beseelte. Es war etwas Obermenschliches in mein Wesen getreten, das mich plötzlich auf einen Standpunkt erhob, von dem mir alles in anderm Verhältnis, in anderer Farbe als sonst erschien. Die Geistesstärke, die Macht über das Leben, womit Euphemie prahlte, war mir des bittersten Hohns würdig. In dem Augenblick, daß die Elende ihr loses, unbedachtes Spiel mit den gefährlichsten Verknüpfungen des Lebens zu treiben wähnte, war sie hingegeben dem Zufall oder dem bösen Verhängnis, das meine Hand leitete. Es war nur meine Kraft, entflammt von geheimnisvollen Mächten, die sie zwingen konnte im Wahn, den für den Freund und Bundesbruder zu halten, der, nur ihr zum Verderben die äußere, zufällige Bildung jenes Freundes tragend, sie wie die feindliche Macht selbst umkrallte, so daß keine Freiheit mehr möglich. Euphemie wurde mir in ihrem eitlen, selbstsüchtigen Wahn verächtlich und das Verhältnis mit ihr um so widriger, als Aurelie in meinem Innern lebte und nur sie die Schuld meiner begangenen Sünden trug, wenn ich das, was mir jetzt die höchste Spitze alles irdischen Genusses zu sein schien, noch für Sünde gehalten hätte. Ich beschloß, von der mir einwohnenden Macht den vollsten Gebrauch zu machen und so selbst den Zauberstab zu ergreifen, um die Kreise zu beschreiben, in denen sich all die Erscheinungen um mich her mir zur Lust bewegen sollten. Der Baron und Reinhold wetteiferten miteinander, mir das Leben im Schlosse recht angenehm zu machen; nicht die leiseste Ahnung von meinem Verhältnis mit Euphemien stieg in ihnen auf, vielmehr äußerte der Baron oft, wie in unwillkürlicher Herzensergießung, daß erst durch mich ihm Euphemie ganz wiedergegeben sei, und dies schien mir die Richtigkeit der Vermutung Reinholds, daß irgendein Zufall dem Baron wohl die Spur von Euphemiens verbotenen Wegen entdeckt haben könne, klar anzudeuten. Den Hermogen sah ich selten, er vermied mich mit sichtlicher Angst und Beklemmung, welches der Baron und Reinhold der Scheu vor meinem heiligen, frommen Wesen und vor meiner geistigen Kraft, die das zerrüttete Gemüt durchschaute, zuschrieben. Auch Aurelie schien sich absichtlich meinem Blick zu entziehen, sie wich mir aus, und wenn ich mit ihr sprach, war auch sie ängstlich und beklommen wie Hermogen. Es war mir beinahe gewiß, daß der wahnsinnige Hermogen gegen Aurelie jene schreckliche Ahnungen, die mich durchbebten, ausgesprochen, indessen schien mir der böse Eindruck zu bekämpfen möglich. – Wahrscheinlich auf Veranlassung der Baronesse, die mich in näheren Rapport mit Aurelien setzen wollte, um durch sie auf Hermogen zu wirken, bat mich der Baron, Aurelien in den höheren Geheimnissen der Religion zu unterrichten. So verschaffte mir Euphemie selbst die Mittel, das Herrlichste zu erreichen, was mir meine glühende Einbildungskraft in tausend üppigen Bildern vorgemalt. Was war jene Vision in der Kirche anderes als das Versprechen der höheren, auf mich einwirkenden Macht, mir die zu geben, von deren Besitz allein die Besänftigung des Sturms zu hoffen, der, in mir rasend, mich wie auf tobenden Wellen umherwarf. – Aureliens Anblick, ihre Nähe, ja die Berührung ihres Kleides setzte mich in Flammen. Des Blutes Glutstrom stieg fühlbar auf in die geheimnisvolle Werkstatt der Gedanken, und so sprach ich von den wundervollen Geheimnissen der Religion in feurigen Bildern, deren tiefere Bedeutung die wollüstige Raserei der glühendsten verlangenden Liebe war. So sollte diese Glut meiner Rede wie in elektrischen Schlägen Aureliens Inneres durchdringen und sie sich vergebens dagegen wappnen. – Ihr unbewußt, sollten die in ihre Seele geworfenen Bilder sich wunderbar entfalten und glänzender, flammender in der tieferen Bedeutung hervorgehen, und diese ihre Brust dann mit den Ahnungen des unbekannten Genusses erfüllen, bis sie sich, von unnennbarer Sehnsucht gefoltert und zerrissen, selbst in meine Arme würfe. Ich bereitete mich auf die sogenannten Lehrstunden bei Aurelien sorgsam vor, ich wußte den Ausdruck meiner Rede zu steigern; andächtig, mit gefallenen Händen, mit niedergeschlagenen Augen hörte mir das fromme Kind zu, aber nicht eine Bewegung, nicht ein leiser Seufzer verrieten irgendeine tiefere Wirkung meiner Worte. – Meine Bemühungen brachten mich nicht weiter; statt in Aurelien das verderbliche Feuer zu entzünden, das sie der Verführung preisgeben sollte, wurde nur qualvoller und verzehrender die Glut, die in meinem Innern brannte. – Rasend vor Schmerz und Wollust, brütete ich über Pläne zu Aureliens Verderben, und indem ich Euphemien Wonne und Entzücken heuchelte, keimte ein glühender Haß in meiner Seele empor, der im seltsamen Widerspruch meinem Betragen bei der Baronesse etwas Wildes, Entsetzliches gab, vor dem sie selbst erbebte. – Fern von ihr war jede Spur des Geheimnisses, das in meiner Brust verborgen, und unwillkürlich mußte sie der Herrschaft Raum geben, die ich immer mehr und mehr über sie mir anzumaßen anfing. – Oft kam es mir in den Sinn, durch einen -wohlberechneten Gewaltstreich, dem Aurelie erliegen sollte, meine Qual zu enden, aber sowie ich Aurelien erblickte, war es mir, als stehe ein Engel neben ihr, sie schirmend und schützend und Trotz bietend der Macht des Feindes. Ein Schauer bebte dann durch meine Glieder, in dem mein böser Vorsatz erkaltete. Endlich fiel ich darauf, mit ihr zu beten: denn im Gebet strömt feuriger die Glut der Andacht, und die geheimsten Regungen werden wach und erheben sich wie auf brausenden Wellen und strecken ihre Polypenarme aus, um das Unbekannte zu fahen, das die unnennbare Sehnsucht stillen soll, von der die Brust zerrissen. Dann mag das Irdische, sich wie Himmlisches verkündend, keck dem aufgeregten Gemüt entgegentreten und im höchsten Genuß schon hienieden die Erfüllung des Überschwenglichen verheißen; die bewußtlose Leidenschaft wird getäuscht, und das Streben nach dem Heiligen, Überirdischen wird gebrochen in dem namenlosen, nie gekannten Entzücken irdischer Begierde. – Selbst darin, daß sie von mir verfaßte Gebete nachsprechen sollte, glaubte ich Vorteile für meine verräterische Absichten zu finden. – Es war dem so! – Denn neben mir kniend, mit zum Himmel gewandtem Blick meine Gebete nachsprechend, färbten höher sich ihre Wangen, und ihr Busen wallte auf und nieder. – Da nahm ich wie im Eifer des Gebets ihre Hände und drückte sie an meine Brust, ich war ihr so nahe, daß ich die Wärme ihres Körpers fühlte, ihre losgelösten Locken hingen über meine Schulter; ich war außer mir vor rasender Begierde, ich umschlang sie mit wildem Verlangen, schon brannten meine Küsse auf ihrem Munde, auf ihrem Busen, da wand sie sich mit einem durchdringenden Schrei aus meinen Armen; ich hatte nicht Kraft, sie zu halten, es war, als strahle ein Blitz herab, mich zerschmetternd! – Sie entfloh rasch in das Nebenzimmer, die Türe öffnete sich, und Hermogen zeigte sich in derselben, er blieb stehen, mich mit dem furchtbaren, entsetzlichen Blick des wilden Wahnsinns anstarrend. Da raffte ich alle meine Kraft zusammen, ich trat keck auf ihn zu und rief mit trotziger, gebietender Stimme: "Was willst du hier? Hebe dich weg, Wahnsinniger!" Aber Hermogen streckte mir die rechte Hand entgegen und sprach dumpf und schaurig: "Ich wollte mit dir kämpfen, aber ich habe kein Schwert, und du bist der Mord, denn Blutstropfen quillen aus deinen Augen und kleben in deinem Barte!"

      Er verschwand, die Türe heftig zuschlagend, und ließ mich allein, knirschend vor Wut über mich selbst, der ich mich hatte hinreißen lassen von der Gewalt des Moments, so daß nun der Verrat mir Verderben drohte. Niemand ließ sich sehen, ich hatte Zeit genug, mich ganz zu ermannen, und der mir inwohnende Geist gab mir bald die Anschläge ein, jeder üblen Folge des bösen Beginnens auszuweisen.

      Sobald es tunlich war, eilte ich zu Euphemien, und mit keckem Übermut erzählte ich ihr die ganze Begebenheit mit Aurelien. Euphemie schien die Sache nicht so leicht zu nehmen, als ich es gewünscht hatte, und es war mir begreiflich, daß, ihrer gerühmten Geistesstärke, ihrer hohen Ansicht der Dinge unerachtet, wohl kleinliche Eifersucht


Скачать книгу