Das Dschungelbuch. Редьярд Киплинг

Das Dschungelbuch - Редьярд Киплинг


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ihn fest an den Kinnhaaren. Baghira war ihm gefolgt.

      »Auf Hund!« schrie Mogli ihn an. »Auf, wenn ein Mensch mit dir spricht, oder ich stecke dir dein Fell in Brand!«

      Schir Khans Ohren legten sich flach an den Kopf, und er schloß die Augen, denn allzu nahe schwelte der glimmende Ast.

      »Dieser Viehschlächter prahlte, er würde mich heute töten, weil ich einst von ihm fortlief, als ich noch ein wehrloses Junges war! Ich will dir zeigen, wie die Menschen, wenn sie Männer geworden sind, die Hunde strafen! Rühre nur ein Glied, Langri, und ich stoße dir die Feuerblume in den Rachen!«

      Und er schlug den brennenden Ast dem Tiger um die Ohren, der in kläglicher Angst winselte und heulte.

      »Pah! Du versengte Dschungelkatze! … Du kannst nun gehen! Aber wisse, daß ich das nächste Mal nur mit Schir Khans Fell um die Schultern hier zum Ratsfelsen kommen werde! … Und ihr anderen, ihr falschen Brüder, hört meinen Willen! … Akela geht frei von hier, wohin es ihm beliebt. Ihr werdet ihn nicht töten, weil ich es nicht will. Und nun fort mit euch allen! Ihr sollt hier nicht länger sitzen mit hängender Zunge, als wäret ihr etwas anderes als Hunde, die ich von dannen jage! Fort!«

      Das Feuer brannte hell am Ende des Astes, und Mogli schlug rechts und links in den Haufen, daß die Wölfe heulend mit versengtem Fell davonstoben. Zuletzt waren nur Akela, Baghira und etwa zehn Wölfe auf dem Platze, die Moglis Freunde geblieben waren. Da ergriff Mogli ein Schmerz im Innern, wie er ihn noch nie gekannt hatte; sein Herz krampfte sich zusammen, er schluchzte, und Tränen liefen über sein Gesicht.

      »Was ist das? Was ist das nur?« fragte er. »Bei euch in der Dschungel möchte ich bleiben, und ich weiß nicht, wie mir ist. Sterbe ich, Baghira?«

      »Nein, kleiner Bruder! Das sind nur Tränen, wie die Menschen sie haben. Und nun weiß ich, daß du ein Mann bist und nicht mehr ein Kind. Die Dschungel ist dir in Zukunft verschlossen … Laß sie rinnen, mein Mogli, es sind nur Tränen!«

      So saß Mogli und weinte und schluchzte, als wollte das Herz ihm brechen – weinte zum erstenmal in seinem Leben.

      »Jetzt«, sprach er, »jetzt will ich zu den Menschen gehen! Aber erst muß ich Abschied nehmen von meiner Mutter!«

      Und er lief zur Höhle, wo seine alte Mutter mit dem grauhaarigen Vater noch immer wohnte, und er weinte, weinte an ihrem Halse, während seine vier Brüder jämmerlich heulten.

      »Ihr vergeßt mich nicht?« fragte Mogli.

      »Niemals, solange wir noch einer Spur folgen können!« sagten die Brüder. »Komm zu dem Fuß der Hügel, wenn du bei den Menschen wohnst, und wir werden mit dir sprechen und bei Nacht mit dir in den Feldern spielen!«

      »Komm bald zu uns«, sagte Vater Wolf. »Oh, weiser, kleiner Frosch, du kehrst doch bald zurück? Denn wir beide sind alt, deine Mutter und ich!«

      »Komme bald, mein kleiner, nackter Sohn!« sagte Mutter Wolf. »Denn höre, du Menschenkind, ich liebte dich mehr als meine eigenen Jungen!«

      »Gewiß! Ich kehre zurück, und wenn ich komme, dann wird es sein, um Schir Khans Fell auf dem Ratsfelsen auszuspannen! Vergeßt mich nicht, Mutter – Vater – Brüder –, sagt allen in der Dschungel, sie sollen sich meiner erinnern!«

      Die Morgendämmerung stieg im Osten auf, als Mogli einsam die Hügel hinabschritt zu den Rätselwesen – Menschen genannt.

      Jagdgesang des Sioni-Rudels

      Der Tag brach an, und der Sambar röhrt

      Einmal – zweimal und wieder.

      Eine Hindin sprang auf – eine Hindin sprang auf

      Im tiefen Grunde am Wasserlauf –

      Dies hab' ich auf einsamer Pirsch gehört

      Einmal – zweimal und wieder.

      Der Tag brach an, und der Sambar röhrt

      Einmal – zweimal und wieder.

      Und ein Wolf schlich zurück – und ein Wolf schlich zurück,

      Dem Rudel zu künden von Beute und Glück.

      Und wir bellten und suchten und fanden die Spur

      Einmal – zweimal und wieder.

      Der Tag brach an, und das Rudel heult auf

      Einmal – zweimal und wieder.

      Füße in der Dschungel, spurlos und leis'

      Aug', das im Dunkel zu sehen weiß!

      Bleckender Fang und rasender Lauf!

      Einmal – zweimal und wieder.

      Kaas Jagdtanz

      Es prunkt in hell schillernden Farben

      der scheckige Leopard,

      Stolz ist der mächtige Büffel

      auf Hörner gewaltiger Art,

      … Doch willst du als Jäger bestehen,

      halt glänzend den eigenen Pelz,

      Denn Jugendstärke verkündet

      des prächtigen Felles Schmelz.

      … Und schleudert der kämpfende Büffel

      den Feind zur Wolke hinauf,

      Und spießt der schnaubende Sambar

      den Gegner in rasendem Lauf:

      Das brauchst du uns nicht mehr zu melden,

      wir wissen's aus uralter Zeit.

      Verschone das fremde Junge

      und füge ihm zu kein Leid.

      Nein, grüß es als Schwester und Bruder,

      auch wenn es noch wehrlos und klein,

      Es könnte die starke Bärin

      des Kleinen Mutter sein.

      »Ich bin in der Dschungel der Stärkste!«

      ruft prahlend ein junges Blut

      Nach dem ersten errungenen Siege

      in törichtem Übermut!

      Doch groß ist die herrliche Dschungel,

      und klein ist das prahlende Kind,

      Bald wird es wachsen und wissen,

      wer hier die Mächtigen sind.

      Bis dahin laß es schwatzen,

      wie es nun immer will, …

      Bald fühlt es Zähne und Tatzen,

      dann wird's von selber still.

Balus Lehrsätze

      Was hier erzählt wird, geschah in der Zeit, bevor Mogli aus dem Sioni-Wolfspack ausgestoßen wurde und ehe er an Schir Khan, dem Tiger, Rache nahm.

      Es war in den Tagen, als Balu das Menschenjunge das Gesetz der Dschungel lehrte. Der große, würdige alte Bär freute sich, einen so gelehrigen Schüler zu haben; denn junge Wölfe wollen nur so viel von dem Dschungelgesetz lernen, als unbedingt nötig ist für das eigene Rudel, und laufen von dannen, sobald sie den Jagdspruch hersagen können: »Füße, die geräuschlos traben, Augen, die im Dunkeln sehen, Ohren, die den Wind hören, Zähne, die wie Messer schneiden – das sind die Zeichen unserer Brüder; ausgeschlossen nur sind die Hyäne und Tabaqui, der Schakal, die verhaßten.«

      Aber Mogli, das Menschenjunge, hatte ein ganz Teil mehr zu lernen. Manchmal kam Baghira, der schwarze Panther, durch das Dickicht geglitten, um zu sehen, was sein Liebling für Fortschritte mache, dann schnurrte er und rieb seinen Kopf an Moglis Knie, während der Knabe seine Aufgabe hersagte. Mogli war bald im Schwimmen, Klettern und Laufen Meister, der es in den Bäumen beinahe den Affen gleichtat und im Teiche mit den Fischen um die Wette schwamm. Darum lehrte ihn der weise Balu die Wasser- und Waldgesetze; er zeigte ihm, wie er dürre Äste von gesundem Holz unterscheiden konnte, wie er mit den wilden Bienen höflich sprechen müsse, wenn er ihrem Schwarm unversehens fünfzig Fuß über der Erde


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