Black. Александр Дюма
Schlafzimmer wieder in den Salon kam, und diesen der ganzen Länge nach durchschritt, so stieß man gegen eine elegante spanische Wand , welche die in das dritte Zimmer führende Tür maskierte. Die ganze Einrichtung dieses letzten, schön tapezierten Zimmers bestand aus einem runden Tische von Mahagoniholz, einem kleinen Fauteuil und einem Marmortischchen, auf welchem zwei plattierte Eimer zum Abkühlen des Champagners standen. Aber auf allen Seiten standen Glasschränke, deren Inhalt eine kostbare Zugabe zu der Küchenbatterie war.
Jeder Schrank hatte seine besondere Bestimmung. In dem einen glänzte massives Silberzeug, ein Porzellanservice mit vergoldeten Rändern und dem Namenszuge des Chevalier de la Graverie, rote und weiße böhmische Gläser, durch deren Feinheit und Formen der Geschmack der edlen Weine gewiss erhöht wurde.
Der zweite Schrank enthielt Pyramiden von schneeweißem, feinem Tischzeug.
In dem dritten paradierten, wie gut geschulte Soldaten in Reihen aufgestellt, die feinsten Tisch» und Dessertweine in ihren Originalflaschen, wie sie aus verschiedenen Gegenden Frankreichs, aus Österreich, Deutschland, Spanien, Italien, Sizilien und Griechenland gekommen waren; einige kurz und gedrungen, andere mit langem dünnem Halse; einige mit bunten oder vergoldeten Etiketten, andere in Stroh» oder Rohrgeflechten, alle gleich anziehend für die Phantasie und die Neugier. An den Flanken dieses in geschlossenen Reihen harrenden stattlichen Armeecorps standen die leichten Truppen in Form von verschiedenfarbigen kleinen Karaffen mit kosmopolitischen Liqueuren.
Der letzte, größte Schrank endlich beherbergte Esswaren der verschiedensten Art- Straßburger Pasteten, Würste von Arles und Lyon, Aprikosentorten aus der Auvergne, Apfelgallerte aus Rouen, eingesotzene Früchte, englische Pickles und Saucen, Anschovis, Sardinen, kurz Alles was nach dem Ausspruch eines geistreichen Feinschmeckers »den Magen zu panzern« vermag.
Nach dieser vielleicht etwas zu genauen, aber zur Beurteilung des Bewohners notwendigen Haussuchung wird der Leser leicht erraten, dass der Chevalier de la Graverie sehr angelegentlich mit seiner werten Person beschäftigt, und auf die Befriedigung seines Magens sehr eifrig bedacht war. In sonderbarem Widerspruch mit dieser Bauchdienerei stand seine Manie, sich beständig für krank zu halten, und sich jede Viertelstunde an den Puls zu greifen. Endlich war er ein leidenschaftlicher Freund der Rosen, und versäumte keine Gelegenheit, seiner Sammlung ein neues Exemplar dieser Königinnen der Blumen hinzuzufügen.
Bei diesem Punkte unserer Erzählung fühlen wir die Unmöglichkeit, weiter zu gehen, ohne Halt zu machen, ja ohne achtundvierzig bis fünfzig Jahre zurückzugehen: wir wollen unseren Lesern nun erklären, wie der würdige Chevalier zu diesen drei geistigen Schwächen gekommen war.
IV
Wie und unter welchen Umständen der Chevalier de la Graverie geboren war
Man wundere sich nicht über diesen Rückblick, den der Leser übrigens voraussehen konnte, als wir ihm unseren Helden in einem Alter vorstellten, in welchem die interessantesten Abenteuer des Lebens, nämlich die Liebesabenteuer, beendet zu sein pflegen. Wir versprechen nicht weiter als bis zum Jahre 1793 zurückzugehen.
Im Jahre 1793 war der Baron de la Graverie, Vater des Chevalier, im Gefängnis zu Besangon unter der Anklage des Einverständnisses und Briefwechsels mit den Emigrierten.
Der Baron de la Graverie hätte zu seiner Verteidigung anführen können, dass er nur den heiligsten Naturgesetzen genügt habe, als er seinem ältesten Sohne und seinem Bruder, die sich beide im Auslande befanden, einiges Geld zugeschickt: aber es gibt Verhältnisse, welche die sozialen Gesetze über die Gesetze der Natur stellen, und überdies hatte der Baron jene Entschuldigung nicht einmal vorgebracht. Sein Vergehen gehörte aber zu denen, die einen Angeklagten damals am sichersten aufs Schafott brachten; die Baronin de la Graverie, welche frei geblieben war, bot daher, ungeachtet ihrer vorgerückten Schwangerschaft, Alles auf, um ihren Gemahl zu befreien.
Das Gold, welches die Unglückliche reichlich verteilte, schien ein günstiges Resultat zu versprechen. Der Schließer hatte versprochen, die Augen zuzudrücken, und der Pförtner hatte dem Gefangenen eine Feile und ein Seil gebracht, um ihn in den Stand zu setzen, eine Eisenstange seines Fensters zu zertrümmern, die Straße zu erreichen und in Begleitung seiner Gemahlin über die Grenze zu fliehen.
Die Flucht war auf den folgenden Tag , den 14. Mai, festgesetzt. – Die Minuten jenes verhängnisvollen Tages dehnten sich zu Stunden, in ihrer angstvollen Spannung sah die unglückliche Dame jeden Augenblick nach der Uhr, und verwünschte die Langsamkeit des Zeigers; von Zeit zu Zeit glaubte sie zu ersticken, und sie hielt es für unmöglich, bis zu dem ersehnten folgenden Tage leben zu können.
Um vier Uhr Nachmittags wurde ihre Aufregung so groß, dass sie sich entschloss, bei einem royalistisch gesinnten Priester, den eine Freundin in ihrem Keller versteckt hielt. Trost zu suchen, und gemeinschaftlich mit demselben für den Gefangenen zu beten.
Die Baronin verließ also ihre Wohnung. – In der Nähe des Marktplatzes hörte sie das dumpfe, anhaltende Wogen und Brausen einer großen Menschenmenge. Sie wollte umkehren, aber es war nicht möglich, die dem Marktplatz zuströmende Volksmenge versperrte die in denselben einmünden» den engen Gassen, und die Dame wurde durch den unaufhaltsamen Strom mit fortgerissen.
Der Platz war mit Menschen angefüllt; über den dicht an einander gedrängten Köpfen erhob sich die Guillotine, und oben an der entsetzlichen Maschine glänzte in den letzten Strahlen der Abendsonne das Fallbeil – ein furchtbares Sinnbild der Gleichheit, wenn auch nicht vor dem Gesetz, doch vor dem Tode.
Die Baronin de la Graverie schauerte und wollte fliehen. Aber es war noch weniger möglich, als das erste Mal: ein neuer Menschenstrom, der sich auf den Platz ergoss, drängte die Menge immer mehr zum Mittelpunkte hin. Ein ernster Versuch zur Umkehr würde sie als Aristokratin bezeichnet und nicht nur ihre eigne Sicherheit gefährdet, sondern auch ihren Genial ins Verderben gestürzt haben.
Die Baronin, deren Geisteskräfte seit einigen Tagen auf ein einziges Ziel, die Befreiung ihres Gemahls, gerichtet waren, war außerordentlich umsichtig geworden. Sie dachte an Alles. Sie fügte sich in das Unvermeidliche und fasste den Entschluss, das furchtbare Schauspiel, das vor ihren Augen aufgeführt werden sollte, mit Mut und ohne allzu heftige Äußerungen des Entsetzens zu ertragen. Sie hielt nicht einmal die Hand vor das Gesicht, um nicht die Aufmerksamkeit ihrer Nachbarn auf sich zu lenken: sie schloss die Augen.
Ein lautes Geschrei, welches immer näher kam wie ein Lauffeuer, verkündete die Ankunft der Schlachtopfer. Bald darauf wich die Menge vor dem ankommenden Wagen zurück und das Gedränge wurde so groß, dass die Baronin in Gefahr kam, erdrückt zu werden. Bis dahin hatte sie noch nicht aufgeschaut; aber plötzlich schien ihr eine unsichtbare, unwiderstehliche Gewalt die Augenlider aufzuheben. Sie schlug die Augen auf, bemerkte einige Schritte von ihr den Wagen mit den Verurteilten, und unter denselben – ihren Gatten!
Die Verzweiflung gab ihr eine übernatürliche Kraft; ihr Geschrei war so herzzerreißend, dass die Umstehenden ihr Platz machten. Sie eilte unaufhaltsam vorwärts und drängte die ihr noch im Wege stehenden Personen mit einer Kraft zurück, welche dem schwächsten Weib in der höchsten Aufregung des Schmerzes zu Gebote steht.
So erreichte sie den Wagen. Sie wollte ihn erklimmen, um zu ihrem Gatten zu gelangen, aber die Gendarmen hielten sie zurück. Sie klammerte sich, wie eine Wahnsinnige heulend, an den Wagenleitern fest; dann brach sie plötzlich in Thränen aus und wandte sich stehend zu den Henkern ihres Gatten.
Der Anblick war so erschütternd , dass ungeachtet der Blutgier, welche die öfteren Wiederholung jener entsetzlichen Dramen in der Bevölkerung geweckt hatte, mehr als ein Sansculotte, mehr als eine Megäre aus der Hefe des Volks bis zu Tränen gerührt wurde. Als daher die unglückliche Baronin ihre Kraft schwinden fühlte, als sie ohnmächtig zu Boden sank, kamen ihr die Umstehenden zu Hilfe.
Man brachte sie nach Hause und es wurde sogleich ein Arzt gerufen. Aber die Erschütterung war zu heftig gewesen; die Unglückliche starb nach einigen Stunden in heftigen Fieberphantasien, indem sie eines schwachen, kaum lebensfähigen Knäbleins genas. Dieses Kind, welches zwei Monate vor dem von der Natur bestimmten Zeitpunkte das Licht der Welt erblickte, war der Chevalier de la Graverie, dessen Geschichte wir schreiben.
Die ältere Schwester der