Salvator. Александр Дюма

Salvator - Александр Дюма


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dreimal hunderttausend Zuschauern schien durch seine beifälligen Blicke, durch seine anhaltenden Bravos, durch seine unablässig wieder entstehenden Vivats der Nationalgarde zu gratulieren wegen der Sorgfalt, die sie angewandt hatte, um die Hauptstadt würdig zu repräsentieren und durch ihre Gegenwart dem König zu danken, der das verfluchte Gesetz zurückziehend dem allgemeinen Wunsche der Nation entsprochen hatte; – denn, man muß sagen, ausgenommen im Herzen jener Verschwörer, welche sie von ihren Vätern empfangen und auf ihre Kinder übertragen, die von den Swedenborg und den Cagliostro gegründete große revolutionäre Tradition, gab es in diesem Augenblicke auf dem Marsfelde, in Paris, in Frankreich nur Dankbarkeit und Sympathie für Karl X. Man hätte müssen ein sehr scharfes Auge haben, um, in einer Entfernung von drei Jahren, den 29. Juli durch diesen 29. April zu sehen.

      Wer wird das Räthsel dieser großen Volksumschläge lösen, welche in ein paar Jahren, in ein paar Monaten, in ein paar Tagen oft, niederstürzen, was erhaben war, aufrichten, was zu Boden lag?

      Die Aprilsonne, diese noch junge Sonne, die, das Gesicht mit Thau bedeckt, mit der Liebe einer Braut die Erde anschaut, eine poetische, liebende Julia, welche aus ihrem Grabe aufsteht und Falte um Falte ihr Leichentuch fallen läßt; die Aprilsonne glänzte hinter dem Invalidendome und sollte die Revue begünstigen.

      Um ein Uhr verkündigten die Salven der Kanonen und entferntes Geschrei die Ankunft des Königs, der zu Pferde, in Begleitung des Herrn Dauphin, des Herzogs von Orleans, des jungen Herzogs den Chartres und einer Menge von Generaloffccieren, herbeikam. Die Herzogin von Angoulême, die Herzogin von Berry und die Herzogin von Orleans folgten in offener Caleche.

      Der Anblick dieses glänzenden Cortége machte einen Schauer die Welt von Zuschauern durchlaufen.

      Was für eine Empfindung ist es denn, die, in gewissen Augenblicken, unser Herz mit ihren Feuerflügeln streift, uns dein Kopfe bis zu den Füßen schauern macht und uns zu extremen Dingen, mögen sie gut oder schlecht sein, antreibt?

      Die Revue begann; Karl X. durchritt die ersten Linien unter dem Rufe: »Es lebe die Charte! Es lebe die Preßfreiheit!« doch noch viel zahlreicher ertönte der Ruf: »Es lebe der König!«

      Man hatte unter allen Legionen ein gedrucktes Blatt verbreitet, das die Ermahnung enthielt, man möge jede Manifestation vermeiden, welche die königliche Empfindlichkeit verletzen könnte. Derjenige, welcher diese Zeilen schreibt, war an jenem Tage in den Reihen, und es ist in seinen Händen ein also abgefaßtes Blatt geblieben.

An die Nationalgarden, um es bis in die letzte Reihe circuliren zu lassen

      »Man hat das Gerücht in Umlauf gebracht, die Legionen beabsichtigen zu rufen: »»Es lebe der König! Nieder mit den Ministern! Nieder mit den Jesuiten!«« Das können nur Böswillige sein, welche ein Interesse dabei haben, die Nationalgarde ihrem edlen Charakter widersprechen zu sehen.«

      Die Ermahnung war mehr klug der Form, als elegant der Abfassung nach; wir geben sie aber, so wie sie ist« hier als historisches Actenstück.

      Ein paar Augenblicke konnte man glauben, die Ermahnung werde pünktlich befolgt werden; an der ganzen Front der Schlachtordnung erscholl, wie gesagt, nur der Ruf: »Es lebe der Königs Es lebe die Charte! Es lebe die Preßfreiheit!« doch so wie der König in die Linien eindrang, als nöthigte seine Gegenwart die Herzen, sich zu öffnen, fing an mit dem Rufe: »Es lebe der König! Es lebe die Charte! Es lebe die Preßfreiheit!« sich der: »Nieder mit den Jesuiten! Nieder mit den Ministern!« zu vermengen.

      Bei diesem Rufe hielt der alte König unwillkürlich sein Pferd an. Der Mensch war stetig wie das Thier.

      Das Geschrei, das ihm mißfallen hatte, erlosch; das wohlwollende Lächeln, das den Grund seiner Physiognomie bildete, erschien, einen Augenblick abwesend, wieder. Er setzte seinen Marsch durch die Legionen fort; doch zwischen der dritten und vierten Reihe begann das aufrührerische Geschrei wieder, obgleich die Nationalgardisten, ganz schauernd, einander Vorsicht empfohlen ; nur entschlüpftem ohne daß sie selbst wußten wie es kam, die Rufe: »Nieder mit den Ministern! Nieder mit den Jesuiten!« die sie in ihre Herzen zu verschließen sich anstrengten, unwillkürlich ihren Lippen.

      Es war in den Reihen der Nationalgarde etwas wie ein fremdes, unbekanntes, electrisches Element; das war das Volkselement, welches sich unter dem Einflusse der Carbonarichefs für diesen Tag mit dem bürgerlichen Elemente vermischt hatte.

      Der König war aufs Neue verletzt in seinem Stolze durch diese Rufe, die ihm eine Regel politischen Verfahrens vorzuschreiben schienen.

      Er hielt zum zweiten Male an: er befand sich einem Nationalgardisten von hoher Gestalt und von einer herculischen Stärke gegenüber; das war wohl der Typus, den Barye für den Löwen-Menschen oder für das Löwen-Volk gewählt hatte.

      Dieser Mann war unser Freund Jean Taureau. Er schwang sein Gewehr, wie er es mit einem Strohhalme gethan hätte, und rief, er, der nicht lesen konnte:

      »Es lebe die Preßfreiheit!«

      Die Energie dieser Stimme, die Kraft dieser Geberde setzten den alten König in Erstaunen. Er ließ sein Pferd zwei Schritte machen und ritt auf den Mann zu. Dieser seinerseits trat zwei Schritte aus den Reihen vor, – es gibt Organisationen, welche die Gefahr anzieht, und immer sein Gewehr schüttelnd, rief er:

      »Es lebe die Charte! Nieder mit den Ministern! Nieder mit den Jesuiten!«

      Wie alle Bourbonen, sogar Ludwig XVI, hatte Karl X. zuweilen eine große Würde.

      Er winkte, daß er seinerseits etwas zu antworten habe: diese zwanzigtausend Mann schwiegen wie durch Zauber.

      »Meine Herren,« sagte er, »ich bin hierher gekommen, um Huldigungen, und nicht um Lectionen zu empfangen.«

      Sodann sich gegen den Marschall Qudinot umwendend:

      »Commandiren Sie das Defilé, Marschall!«

      Und er setzte sein Pferd in Galopp, verließ die Reihen der Nationalgarde, und nahm Platz auf der Seite, und vor der dichten, stürmischen Masse.

      Das Desilé begann.

      Jede Compagnie, wenn sie am König vorüberzog, gab einen Ruf von sich: die Mehrzahl dieser Rufe war: »Es lebe der König!l« Das Gesicht von Karl X. heiterte sich wieder auf.

      Als das Defilé beendigt war, sagte der König zum Marschall Qudinot:

      »Das hätte besser gehen können; es gibt einige unruhige Köpfe, doch die Masse ist gut. Im Ganzen bin ich zufrieden.«

      Und man schlug im Galopp wieder den Weg nach den Tuilerien ein.

      Ins Schloß zurückgekehrt, näherte sich der Marschall dem König und fragte:

      »Sire, darf ich in einem Tagsbefehle der Zufriedenheit Eurer Majestät Erwähnung thun?«

      »Ich sehe nichts dagegen einzuwenden,« erwiderte der König. »Nur möchte ich die Worte kennen, in denen diese Zufriedenheit ausgedrückt sein wird.«

      Hiernach meldete der Haushofmeister, es sei dem König serviert, Seine Majestät bot den Arm der Frau Herzogin von Orleans, der Herzog von Orleans der Herzogin von Angoulême, der Herzog von Chartres der Herzogin von Berry, und man ging in den Speisesaal.

      Mittlerweile kämen die Nationalgarden in ihre Quartiere zurück; doch ehe sie in ihre Quartiere zurückkamen, hatten sie die Antwort von Barthélemy Lelong: »Ich bin hierher gekommen, um Huldigungen, und nicht um Lectionen zu empfangen,« ausgelegt.

      Man fand das Wort ein wenig stark aristokratisch für den Ort, wo es gesagt worden war: Karl X. als er dieses Wort sprach, verweilte gerade auf dem Platze, wo sich siebenunddreißig Jahre früher jener Altar des Vaterlands erhob, an welchem Ludwig XVI. der französischen Constitution den Eid leistete. – Es ist wahr, Karl X., damals Graf d’Artois, hatte diesen Eid nicht gehört, weil er schon 1789 nach dem Auslande abgereist war. – Das Resultat war, daß, als der König kaum außer dem Marsfelde, das bis dahin zurückgehaltene Geschrei losbrach und die ganze Arena unter einem allgemeinen Hurrah des Zornes und der Verwünschungen zu zittern schien.

      Doch das war nicht Alles: jede Legion als sie den Weg nach ihrem Arrondissement wieder einschlug, nahm eine gewisse Summe Aufregung aus dem allgemeinen Herde geschöpft mit sich und verbreitete


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