Oblomow. Иван Гончаров

Oblomow - Иван Гончаров


Скачать книгу
auf dem Zeigefinger der rechten Hand einen großen, massiven Ring mit irgendeinem dunklen Stein.

      – Doktor! Durch welche Schicksalsfügung kommen Sie? – rief Oblomow aus, dem Gast die eine Hand hinstreckend und ihm mit der zweiten einen Sessel hinschiebend.

      – Es dauert mir zu lange, daß Sie immer gesund sind und mich nicht holen lassen, darum komme ich selbst, – antwortete der Doctor scherzhaft. – Nein, – fügte er dann ernst hinzu, – ich war oben bei Ihrem Nachbarn und bin bei der Gelegenheit nachschauen gekommen, wie es Ihnen geht.

      – Danke. Und was ist mit dem Nachbar?

      – Was mit ihm ist? Die Sache wird sich drei, vier Wochen, vielleicht auch bis zum Herbst hinziehen, und dann. . . . dann steigt das Wasser in die Brust. Das bekannte Ende. Nun, und wie geht es Ihnen?

      Oblomow schüttelte traurig den Kopf.

      – Schlecht, Doctor. Ich habe selbst daran gedacht, Sie um Rath zu fragen. Ich weiß nicht, was ich thun soll. Der Magen arbeitet fast gar nicht, ich fühle einen Druck unter der Herzgrube, mich quält Sodbrennen, ich athme schwer. . . – zählte Oblomow mit kläglicher Miene auf.

      – Geben Sie mir die Hand, – sagte der Doctor, griff nach dem Puls und schloß für einen Augenblick die Augen. – Husten Sie? – fragte er.

      – In der Nacht, besonders, wenn ich soupiert habe.

      – Hm! Leiden Sie an Herzklopfen? An Kopfschmerzen?

      Der Doctor stellte noch ein paar ähnliche Fragen, neigte dann seine Glatze und versank in tiefes Nachdenken. Nach zwei Minuten hob er plötzlich den Kopf und sagte mit entschlossener Stimme:

      – Wenn Sie noch zwei, drei Jahre in diesem Klima leben, immer liegen, Fettes und Schwerverdauliches essen – werden Sie an Schlagfluß sterben.

      Oblomow fuhr zusammen.

      – Was soll ich denn thun? Helfen Sie mir, um Gotteswillen! – sagte er.

      – Dasselbe, was die andern thun: Ins Ausland reisen.

      – Ins Ausland! wiederholte Oblomow erstaunt.

      – Ja. Warum denn nicht?

      – Aber, ich bitte Sie, Doctor, ins Ausland! Wie kann man denn das?

      – Warum soll man denn nicht hinreisen?

      Oblomow richtete die Augen schweigend auf sich selbst, dann auf sein Arbeitszimmer und wiederholte mechanisch:

      – Ins Ausland!

      – Was hindert Sie denn daran?

      – Was mich hindert? Alles. . .

      – Wieso alles? Haben Sie denn kein Geld?

      – Ja, ja. Ich habe wirklich kein Geld, – sagte Oblomow lebhaft, durch dieses so natürliche Hindernis erfreut, hinter das er sich ganz, mit seinem Kopfe, verstecken konnte. – Schauen Sie einmal, was der Dorfschulze mir schreibt. . Wo ist der Brief? Wo habe ich ihn hingelegt? Sachar!

      – Gut, gut, – sagte der Doctor, – das geht mich nichts an; meine Pflicht ist, Ihnen zu sagen, daß Sie die Lebensweise, den Ort, die Luft, die Beschäftigung, alles, alles, verändern müssen.

      – Gut, ich werde es mir überlegen, – sagte Oblomow. – Wohin soll ich denn fahren und was soll ich thun?

      – Fahren Sie nach Kissingen, – begann der Doctor, – verleben Sie dort den Juni und Juli. Trinken Sie den dortigen Brunnen. Dann begeben Sie sich in die Schweiz oder nach Tirol und machen eine Traubencur durch. Dort verbringen Sie den September und October. . .

      »Zum Teufel auch, nach Tirol!« flüsterte Ilja Iljitsch kaum hörbar.

      – Dann irgendwohin, in eine trockene Gegend, vielleicht nach Egypten. . .

      »Das auch noch!« flüsterte Oblomow.

      – Beseitigen Sie die Sorgen und Unannehmlichkeiten . . .

      – Sie haben gut reden, – bemerkte Oblomow, – Sie bekommen keine solchen Briefe vom Dorfschulzen. . .

      – Sie müssen auch die Gedanken verscheuchen, – fuhr der Doctor fort.

      – Die Gedanken?

      – Ja, geistige Anstrengung.

      – Und der Plan der Gutseinrichtung? Ich bitte Sie, bin ich denn ein Holzklotz. . .

      – Wie Sie wollen. Es ist meine Pflicht, Sie zu warnen. Sie müssen auch den Leidenschaften aus dem Wege gehen, sie sind der Cur hinderlich. Sie müssen sich bestreben, sich durch Reiten, Tanzen, durch mäßige Bewegung in der freien Luft und durch angenehme Gespräche, besonders mit Damen, zu zerstreuen, damit das Herz nur von angenehmen Empfindungen und nicht zu stark zum Klopfen gebracht wird.

      Oblomow lauschte ihm mit gesenktem Kopfe.

      – Dann? – fragte er.

      – Dann vermeiden Sie es vor allem, zu lesen und zu schreiben! Mieten Sie eine Villa, deren Fenster nach dem Süden gerichtet sind, schaffen Sie sich viel Blumen an und bestreben Sie sich Musik und Frauen in der Nähe zu haben. . .

      – Und wie soll die Nahrung sein?

      – Meiden Sie das Fleisch und überhaupt jede thierische Nahrung, auch die mehligen und salzigen Speisen. Sie können eine leichte Bouillon und Gemüse essen; nehmen Sie sich aber in acht, jetzt droht fast überall die Cholera, so daß man vorsichtig sein muß. . . Sie können acht Stunden täglich gehen. Kaufen Sie sich ein Gewehr .

      – O Gott! – stöhnte Oblomow.

      – Endlich, – schloß der Doctor, – reisen Sie für den Winter nach Paris und zerstreuen Sie sich dort ohne Bedenken im Wirbel des Lebens. Fahren Sie vom Theater zum Ball, in die Maskerade, aufs Land, auf Besuch, damit um Sie herum Freunde, Lärm, Lachen sind. . .

      – Brauche ich vielleicht noch etwas? – fragte Oblomow mit schlecht zurückgehaltenem Ärger.

      Der Doctor sann nach.

      – Vielleicht sollten Sie noch Meerluft einathmen. Schiffen Sie sich in England ein und fahren Sie bis nach Amerika. . .

      Er erhob sich und verabschiedete sich.

      – Wenn Sie das alles genau befolgen . . . – sagte er.

      – Gut, gut, ich befolge es sicher, – antwortete Oblomow sarkastisch, ihn hinausbegleitend.

      Der Doctor ließ Oblomow in einem jammervollen Zustande zurück. Er schloß die Augen, legte beide Hände auf den Kopf, kauerte sich auf dem Sessel zu einem Knäuel zusammen und blieb so sitzen, ohne irgendwo hinzuschauen und ohne etwas zu fühlen.

      Hinter ihm ertönte der schüchterne Ruf:

      – Ilja Iljitsch!

      – Ja? gab er zur Antwort.

      – Was soll ich denn dem Verwalter sagen?

      – Was denn?

      – Wegen dem Ausziehen!

      – Du fängst wieder davon an? – fragte Oblomow erstaunt.

      – Was soll ich denn thun, Väterchen Ilja Iljitsch? Sagen Sie selbst, mein Leben ist auch so nicht süß, ich schaue schon ins Grab. . .

      – Nein, es scheint, daß Du mich mit Deinem Umzug ins Grab jagen willst, – sagte Oblomow. – Hör einmal, was der Doctor sagt!

      Sachar fand nichts zu erwidern, er seufzte nur so auf, daß die Zipfel seines Halstuches auf seiner Brust erbebten.

      – Du hast beschlossen, mich umzubringen? – fragte Oblomow wieder, – Du bist meiner überdrüssig – ja? Nun, so sprich doch!

      – Aber Gott sei mit Ihnen! Leben Sie, so lange Sie wollen! Wer wünscht Ihnen Böses? – brummte Sachar, durch die tragische Wendung, die das Gespräch annahm, ganz verlegen gemacht.

      – Du! – sagte Ilja Iljitsch, – ich habe Dir verboten, auch nur ein Wort vom Umzug zu sagen und Du läßt keinen Tag vorübergehen, ohne mich fünfmal daran zu erinnern.


Скачать книгу