Der Wohlstand der Nationen. Adam Smith

Der Wohlstand der Nationen - Adam Smith


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Produktivkraft der Arbeit um das Zehnfache gewachsen wäre, oder dass eines Tages Arbeit zehnmal mehr als im Anfange hervorbringen könnte, dass aber in einem einzelnen Gewerbe sich jene Produktivkraft nur verdoppelt hätte, oder eines Tages Arbeit nur zweimal so viel als früher hervorbringen könnte. Beim Tausch des Produkts eines Tagewerks in den meisten Gewerben gegen das Produkt eines Tagewerks in diesem einzelnen Gewerbe würde also das Zehnfache der ursprünglichen Arbeitsmenge in jenen, aber nur das Doppelte der ursprünglichen Menge in diesem kaufen können. Eine bestimmte Menge davon, z. B. ein Pfund, würde mithin fünfmal teurer als früher zu sein scheinen. In Wirklichkeit wäre sie zweimal so wohlfeil. Denn obwohl ihr Ankauf eine fünfmal so große Menge andrer Waren erheischt, erfordert doch ihre Hervorbringung oder ihr Kauf nur eine halb so große Menge Arbeit. Ihre Erwerbung wäre mithin doppelt so leicht als früher.

      Allein dieser ursprüngliche Zustand, in welchem der Arbeiter das ganze Produkt seiner Arbeit genoss, konnte nicht länger dauern als bis die Bodenaneignung und Kapitalienansammlung eingetreten waren. Er war daher auch längst zu Ende, ehe die bedeutendsten Steigerungen in den Produktivkräften der Arbeit eintraten, und es wäre nutzlos, weiter nachzuforschen, welchen Einfluss er auf die Vergütung oder den Lohn der Arbeit gehabt haben würde.

      Sobald der Boden Privateigentum wird, fordert der Grundbesitzer einen Teil von fast allen Erzeugnissen, die der Arbeiter auf ihm hervorbringen oder sammeln kann. Seine Rente bildet den ersten Abzug von dem Erzeugnis der auf den Boden verwendeten Arbeit.

      Es kommt selten vor, dass derjenige, der das Land bestellt, die Mittel hat, sich bis zur Zeit der Ernte zu erhalten. Sein Unterhalt wird ihm gewöhnlich aus dem Kapital eines Herrn, des Pächters, der ihn beschäftigt, vorgeschossen, der kein Interesse haben würde, ihn zu beschäftigen, wenn er nicht von dein Erzeugnis seiner Arbeit einen Anteil erhielte, oder wenn sein Kapital ihm nicht mit Gewinn zurückerstattet würde. Dieser Gewinn bildet einen zweiten Abzug von dem Erzeugnis der auf den Boden verwendeten Arbeit.

      Das Erzeugnis fast aller anderen Arbeit ist dem gleichen Gewinnabzuge unterworfen. In allen Handwerken und Fabriken bedarf der größere Teil der Arbeiter jemandes, der ihnen das Arbeitsmaterial, ihren Lohn und ihren Unterhalt bis zur Vollendung ihrer Arbeit vorschießt. Er fordert von dem Erzeugnis ihrer Arbeit oder von dem Werte, den diese dem Material hinzufügt, einen Anteil, und in diesem Anteil besteht sein Gewinn.

      Manchmal kommt es freilich vor, dass ein einzelner unabhängiger Arbeiter genügend Kapital besitzt, um selbst die Rohstoffe zu kaufen und sich bis zur Vollendung der Arbeit zu unterhalten. Dann ist er Meister und Arbeiter zugleich, und genießt das ganze Produkt seiner Arbeit, oder den ganzen Wert, welchen diese dem Rohstoffe hinzufügt. Dies umfasst zweierlei gewöhnlich getrennt erscheinende, zwei verschiedenen Personen gehörende Einkommensarten, nämlich den Kapitalgewinn und den Arbeitslohn.

      Indes sind solche Fälle nicht sehr häufig, und in allen Teilen Europas dienen zwanzig Arbeiter unter einem Meister gegen einen, der unabhängig ist, und der Arbeitslohn wird überall als das verstanden, was er gewöhnlich ist, wenn der Arbeiter die eine und der Kapitalbesitzer, der ihn beschäftigt, eine andere Person ist.

      Der gebräuchliche Arbeitslohn hängt überall von dem zwischen jenen beiden Parteien, deren Interessen keineswegs die nämlichen sind, gewöhnlich geschlossenen Vertrage ab. Die Arbeiter wollen so viel als möglich erhalten, die Meister so wenig als möglich geben. Die ersteren sind zu Koalitionen geneigt, um den Arbeitslohn hinaufzutreiben, die letzteren, um ihn herunterzudrücken.

      Es ist indes nicht schwer vorauszusehen, welche der beiden Parteien unter den gewöhnlichen Umständen in diesem Streite die Oberhand behalten, und die andere zur Einwilligung in ihre Bedingungen zwingen wird. Die Meister können sich, da ihre Zahl geringer ist, leichter verbinden; und überdies gestattet das Gesetz ihre Koalitionen oder verbietet sie wenigstens nicht, während es die der Arbeiter verbietet. Wir haben keine Parlamentsakten gegen Verabredungen zur Herabsetzung des Arbeitspreises, wohl aber viele gegen Verabredungen zu seiner Erhöhung, In allen solchen Streitigkeiten können die Herren es viel länger aushalten. Ein Gutsbesitzer, ein Pächter, ein Handwerksmeister oder ein Kaufmann können, wenn sie auch keinen einzigen Arbeiter beschäftigen, doch im Allgemeinen ein oder zwei Jahre von den Kapitalien leben, die sie bereits erworben haben. Viele Arbeiter dagegen können nicht eine Woche, nur wenige einen Monat, und kaum einer ein Jahr ohne Beschäftigung bestehen. Auf die Dauer freilich kann der Arbeiter dem Meister ebenso notwendig werden, wie der Meister ihm; aber die Notwendigkeit ist keine so unmittelbare.

      Man hört, wird hierauf erwidert, von Koalitionen der Meister selten, häufig aber von solchen der Arbeiter. Wer sich aber darum einbildet, dass sich die Meister selten koalierten, kennt ebenso wenig die Welt, wie diesen Gegenstand. Die Meister stehen stets und überall in einer Art stillschweigender, aber fortwährender und gleichförmiger Übereinkunft, den Arbeitslohn nicht über seinen dermaligen Satz steigen zu lassen. Diese Übereinkunft zu verletzen, ist überall sehr missliebig und gilt für einen Meister unter seinen Nachbarn und Gewerbsgenossen als eine Art Schande. Man hört allerdings selten von dieser Übereinkunft, weil sie der gewöhnliche und, man darf sagen, natürliche Zustand der Dinge ist, von dem niemand etwas hört. Mitunter gehen die Meister auch besondere Verbindungen ein, um den Arbeitslohn sogar unter seinen Satz herunterzudrücken. Diese werden immer in äußerster Stille und ganz geheim betrieben, bis der Augenblick der Ausführung da ist, und wenn dann die Arbeiter, wie es zuweilen geschieht, ohne Widerstand nachgeben, so hören andere Leute nichts davon, so schmerzlich es jene auch empfinden. Oft jedoch stellt sich solchen Verbindungen eine abwehrende Verbindung der Arbeiter entgegen, die manchmal auch ohne eine solche Herausforderung sich zur Erhöhung des Preises ihrer Arbeit zusammentun. Ihre gewöhnlichen Vorwände sind bald der hohe Preis der Lebensmittel, bald der große Gewinn, den die Meister aus ihrer Arbeit ziehen. Mögen diese Verbindungen aber angreifender oder verteidigender Natur sein, ruchbar werden sie immer. Um die Sache zu einer schnellen Entscheidung zu bringen, nehmen sie immer zu lautestem Geschrei ihre Zuflucht und zuweilen zu den schlimmsten Gewalttätigkeiten und Misshandlungen. Sie sind verzweifelt und handeln mit der Torheit und Maßlosigkeit verwegener Menschen, die entweder verhungern oder ihre Meister durch Schrecken zu sofortiger Einwilligung in ihr Begehren bringen müssen. Die Meister ihrerseits erheben bei solchen Gelegenheiten nicht weniger Lärm, rufen unaufhörlich nach dem Beistande der Behörden und verlangen die strikte Ausführung der Gesetze, die mit so großer Härte gegen die Verbindungen der Dienstboten, Arbeiter und Gesellen gegeben sind. Demgemäß haben die Arbeiter sehr selten einen Nutzen von dem Ungestüm dieser lärmenden Verbindungen, die teils wegen des Einschreitens der Behörden, teils wegen der überlegenen Beharrlichkeit der Meister, teils weil der größere Teil der Arbeiter gezwungen ist, sich um des täglichen Unterhalts willen zu unterwerfen, gewöhnlich mit nichts anderem als der Bestrafung oder dem Untergange der Rädelsführer enden.

      Wenn aber auch die Meister bei Streitigkeiten mit ihren Arbeitern gewöhnlich im Vorteil sind, so gibt es doch einen bestimmten Satz, unter den der gewöhnliche Lohn selbst der geringsten Art von Arbeit nicht auf längere Zeit herabgedrückt werden zu können scheint.

      Ein Mensch muss stets von seiner Arbeit leben und sein Lohn muss wenigstens hinreichend sein, um ihm den Unterhalt zu verschaffen. In den meisten Fällen muss er sogar noch etwas höher sein; sonst wäre der Arbeiter nicht imstande, eine Familie zu gründen, und das Geschlecht solcher Arbeiter würde mit der ersten Generation aussterben. Aus diesem Grunde nimmt Cantillon an, dass die geringste Art gewöhnlicher Arbeiter immer wenigstens den doppelten Unterhalt verdienen muss, damit durchschnittlich jeder zwei Kinder ernähren kann, wobei die Arbeit der Frau wegen der notwendigen Pflege der Kinder nur als hinreichend angenommen wird, um sie selbst zu erhalten. Allein die Hälfte der Kinder stirbt, wie man berechnet hat, vor dem mannbaren Alter. Demgemäß müssen die ärmsten Arbeiter durchschnittlich wenigstens vier Kinder aufzuziehen suchen, wenn zwei davon Aussicht haben sollen, jenes Alter zu erleben. Der notwendige Unterhalt für vier Kinder wird aber ungefähr dem eines Mannes gleichgeschätzt. Die Arbeit eines kräftigen Sklaven ist, wie derselbe Schriftsteller hinzufügt als doppelt so viel wert zu betrachten, wie sein Unterhalt, und diejenige des geringsten Arbeiters, meint er, könne doch nicht weniger wert sein als die eines kräftigen Sklaven. So viel scheint allerdings gewiss zu sein, dass, um eine Familie zu ernähren, die Arbeit des Mannes und der Frau zusammen, selbst in den untersten Klassen gewöhnlicher Arbeiter, etwas mehr einbringen


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