Das Halsband der Königin Denkwürdigkeiten eines Arztes 2. Александр Дюма

Das Halsband der Königin Denkwürdigkeiten eines Arztes 2 - Александр Дюма


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Beobachtungsposten, daß ein anderer Nachbar, durch eine ähnliche Neugierde angelockt, sich neben ihn stellte, und dann knüpfte sich ein Gespräch an, dessen Hauptinhalt, wenn auch nicht die Details, wir mit ziemlicher Sicherheit angeben können.

      »Nachbar,« sagte derjenige, welcher nicht hineinschaute, zu dem Hineinschauenden, »was sehen Sie denn im Hause des Herrn Grafen von Balsamo?«

      »Nachbar,« antwortete der Hineinschauende, »ich sehe die Ratte.«

      »Ah! wollen Sie erlauben,« sagte der zweite Neugierige.

      Und er stellte sich ebenfalls an das Schlüsselloch.

      »Sehen Sie sie?« fragte der aus dem Besitz Verdrängte den im Besitz Befindlichen.

      »Ja,« antwortete dieser, »ich sehe sie. Ah! mein Herr, sie ist fett geworden.«

      »Sie glauben?«

      »Ja, ich bin dessen sicher.«

      »Ich glaube wohl, nichts stört sie.«

      »Und es müssen, was man auch sagen mag, sicherlich noch gute Brocken in dem Hause übrig sein.«

      »Gute Brocken, sagen Sie?«

      »Ah! gewiß. Herr von Balsamo ist zu schnell verschwunden, um nicht etwas vergessen zu haben.«

      »Ei! Nachbar, was soll man vergessen, wenn ein Haus halb verbrannt ist?«

      »Sie können im Ganzen Recht haben, Nachbar.«

      Und nachdem man die Ratte noch einmal angeschaut, trennte man sich, erschrocken darüber, daß man so viel über einen so geheimnißvollen und heikeln Gegenstand gesagt hatte.

      Seit dem Brand dieses Hauses oder eines Theils vom Hause war Balsamo wirklich verschwunden, keine Wiedererscheinung hatte stattgefunden und das Hotel war verlassen geblieben.

      Lassen wir es ganz düster und ganz feucht mit seinen schneebedeckten Terrassen und seinem von den Flammen ausgezackten Dach wiedererstehen, dieses alte Hotel, an dem wir nicht vorübergehen wollen, ohne uns dabei wie bei einem alten Bekannten aufzuhalten; dann betrachten wir, während wir die Straßen durchschreiten, um von links nach rechts zu gehen, dicht neben einem durch eine Mauer geschlossenen Gärtchen, ein schmales, hohes Haus, das sich, einem langen weißen Thurm ähnlich, von dem blaugrauen Grund des Himmels abhebt.

      Auf dem First dieses Hauses ragt ein Kamin wie ein Blitzableiter empor, und gerade im Zenith dieses Kamins wirbelt und funkelt ein glänzender Stern.

      Der letzte Stock des Hauses würde sich unbemerkt im Raume verlieren, ohne einen Lichtstrahl, der zwei Fenster von dreien röthet, welche die Façade bilden.

      Die anderen Stockwerke sind düster und traurig. Schlafen die Miethleute schon? sparen sie unter ihren Decken sowohl die theuren Lichter, als das in diesem Jahre so seltene Holz? So viel ist gewiß, daß die vier Stockwerke kein Lebenszeichen von sich geben, während der fünfte nicht nur lebt, sondern sogar mit einer gewissen Affectation strahlt.

      Klopfen wir an die Thüre; steigen wir die finstere Treppe hinauf; sie endigt bei diesem fünften Stock, wo wir zu thun haben. Eine einfache an die Mauer angelehnte Leiter führt zum obersten Stockwerk.

      Ein Rehfuß hängt an der Thüre; eine Strohmatte und eine hölzerne Schale zieren die Treppe.

      Sobald die erste Thüre geöffnet ist, treten wir in eine dunkle, kahle Stube ein; es ist diejenige, deren Fenster nicht erleuchtet ist. Diese Stube dient als Vorzimmer und führt in eine andere, deren Ausstattung und nähere Umstände unsere ganze Aufmerksamkeit verdienen.

      Platten statt eines getäfelten Fußbodens, plump angemalte Thüren, drei Lehnstühle von weißem Holz mit gelbem Sammet überzogen, ein armseliger Sopha, dessen Kissen unter den Falten die Spuren einer von Alter erzeugten Abmagerung tragen.

      Zwei an der Wand hängende Portraits ziehen sogleich die Blicke auf sich. Ein Licht und eine Lampe, das eine auf einem dreifüßigen Tischchen, die andere auf dem Kamin stehend, verbinden ihre Feuer so, daß sie aus diesen zwei Portraits zwei Lichtbrennpunkte machen.

      Mit der Faltenmütze auf dem Kopf, mit dem langen, bleichen Gesicht, dem matten Auge, der Krause am Hals empfiehlt sich das erstere von den Portraits durch die Kennbarkeit; es ist das ähnliche Bildniß Heinrichs III., Königs von Frankreich und Polen.

      Unten liest man eine Inschrift mit schwarzen Buchstaben auf eine schlecht vergoldete Rahme gezeichnet:

Henry de Valois

      Das zweite Portrait, das in neuerer Zeit vergoldet worden und ebenso frisch in seinen Malereien erscheint, als das andere veraltet ist, stellt eine junge Frau mit schwarzem Auge, feiner, gerader Nase, hervorspringenden Backenknochen und behutsamen Mund vor. Ihr Kopf ist geschmückt oder vielmehr schwer gedrückt von einem Gebäude von Haaren und seidenen Bändern, neben dem die Faltenmütze Heinrichs III. sich wie ein Maulwurfshaufen gegen eine Pyramide ausnimmt.

      Unter diesem Portrait liest man ebenfalls in schwarzen Buchstaben:

Jeanne de Valois

      Und wenn man, nachdem man den erloschenen Herd, die armseligen baumwollenen Vorhänge des mit vergilbtem grünen Damast bedeckten Bettes betrachtet hat, wissen will, welche Beziehung diese Portraits zu den Bewohnern des fünften Stockes haben, so braucht man sich nur zu einem kleinen eichenen Tisch umzuwenden, auf welchem eine einfach gekleidete Frau, die sich mit dem linken Ellenbogen auflehnt, mehrere versiegelte Briefe übersieht und die Adressen derselben controlirt.

      Diese junge Frau ist das Original des Portraits.

      Drei Schritte von ihr, in einer halb neugierigen, halb ehrerbietigen Haltung, gekleidet wie eine Duenna von Greuze, wartet und schaut eine kleine alte Kammerfrau von sechzig Jahren.

      »Jeanne von Valois,« sagte die Inschrift.

      Doch wenn diese Dame eine Valois war, wie ertrug Heinrich III., der sybaritische König, der Wollüstling, selbst nur im Gemälde das Schauspiel eines solchen Elends, bei dem es sich nicht nur um eine Person seines Geschlechts, sondern auch um seinen Namen handelte?

      Die Dame vom fünften Stock strafte übrigens den Ursprung, den sie sich gab, persönlich durchaus nicht Lügen. Sie hatte weiße, zarte Hände, die sie von Zeit zu Zeit unter ihren gekreuzten Armen erwärmte. Sie hatte einen kleinen, feinen, schmalen Fuß, bekleidet mit einem Pantoffel von noch zierlichem Sammet, den sie auch dadurch zu erwärmen suchte, daß sie damit auf den Boden schlug, der so glänzend und kalt war wie das Eis, das Paris bedeckte.

      Wenn dann der Nordost unter den Thüren und durch die Spalten der Fenster pfiff, schüttelte die Zofe traurig die Schultern und schaute den feuerlosen Kamin an.

      Was die Dame, die Herrin der Wohnung, betrifft, so zählte sie fortwährend die Briefe und las die Adressen.

      Jedesmal nachdem sie eine Adresse gelesen, machte sie eine Bewegung.

      »Frau von Misery,« murmelte sie, »erste Staatsdame Ihrer Majestät. Hier darf ich nur sechs Louisd'or rechnen, denn man hat mir schon gegeben.«

      Und sie stieß einen Seufzer aus.

      »Madame Patrix, erste Kammerfrau Ihrer Majestät, zwei Louisd'or.

      »Herr von Ormesson, eine Audienz.

      »Herr von Calonne, einen Rath.

      »Herr von Rohan, einen Besuch, und wir werden darauf bedacht sein, daß er ihn uns erwidert,« sagte lächelnd die junge Frau.

      »Wir haben also für die nächsten acht Tage nur acht Louisd'or sicher,« fuhr sie mit demselben singenden Tone fort.

      Und sie richtete den Kopf auf und sagte:

      »Frau Clotilde, putzen Sie doch das Licht.«

      Die Alte gehorchte und setzte sich ernst und aufmerksam wieder an ihren Platz.

      Diese Art von Inquisition, deren Gegenstand sie war, schien die junge Frau zu ermüden.

      »Meine Liebe,« sagte sie, »suchen Sie doch, ob nicht ein Stümpchen von einer Wachskerze übrig ist. Ich hasse es, Talglichter zu brennen.«

      »Es ist keines mehr vorhanden,« erwiderte die Alte.

      »Sehen


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