Der Graf von Monte Christo. Александр Дюма
Morrel ist in seinem Cabinet, nicht wahr, Fräulein Julie?« fragte der Kassier.
»Ja, ich glaube wenigstens,« antwortete das Mädchen zögernd; »sehen Sie zuerst nach, Cocles, und wenn mein Vater dort ist, melden Sie den Herrn.«
»Es wäre unnütz, mich zu melden,« erwiderte der Engländer, »Herr Morrel kennt meinen Namen nicht. Dieser brave Mann mag ihm nur sagen, ich sei der erste Commis der Herren Thomson und French in Rom, mit denen das Haus Ihres Herrn Vaters in Verbindung steht.«
Das Mädchen erbleichte und ging vollends die Treppe hinab, und der Fremdling ging vollends hinauf. Julie, wie sie der Kassier genannt hatte, trat in das Bureau, wo sich Emmanuel aufhielt, und Cocles öffnete mit Hilfe eines Schlüssels, dessen Besitzer er war, eine Thüre in der Ecke des Ruheplatzes, im zweiten Stocke, führte den Fremden in ein Vorzimmer, öffnete eine zweite Thüre, die er wieder hinter sich schloß, und erschien sodann, nachdem er den Abgesandten des Hauses Thomson und French einen Augenblick allein gelassen hatte. abermals und bedeutete ihm durch ein Zeichen, er könnte eintreten. Der Fremde fand Herrn Morrel an seinem Schreibtische sitzend und erbleichend vor den furchtbaren Colonnen, in denen sein Passivum eingetragen war. Als Herr Morrel den Fremden erblickte, stand er auf und schob einen Stuhl vor; sobald er sah, daß der Fremde sich gesetzt hatte, setzte er sich ebenfalls wieder.
Vierzehn Jahre hatten eine gewaltige Veränderung bei dem würdigen Handelsherrn hervorgebracht, welcher, am Anfang dieser Geschichte sechsunddreißig Jahre alt. nun das fünfzigste erreichen auf dem Punkte stand. Seine Haare hatten sich gebleicht, seine Stirne war unter sorgenvollen Runzeln ausgehöhlt; sein einst so fester, bestimmter Blick war unbestimmt, unentschlossen geworden, und schien bange zu haben, er könnte genötigt werden, auf einem Gedanken oder auf einem Menschen zu haften. Der Engländer schaute ihn mit einem Gefühle der Neugierde an, das offenbar mit Teilnahme gemischt war.
»Mein Herr,« sagte Morrel, dessen Unbehaglichkeit dieses Anschauen zu verdoppeln schien, »Sie wünschten mich zu sprechen?«
»Ja, mein Herr; Sie wissen, in wessen Namen ich komme?«
»Im Namen des Hauses Thomson und French, wenigstens wie mir mein Kassier gesagt hat.«
»Er sagte Ihnen die Wahrheit. Das Haus Thomson und French soll im Laufe dieses Monats und des nächsten in Frankreich drei bis viermal hunderttausend Franken bezahlen, und hat, vertraut mit Ihrer strengen Pünktlichkeit. alle Pariere aufgekauft, welche es mit Ihrer Unterschrift finden konnte, wobei mir der Auftrag geworden ist, nach Maßgabe des Verfalls die Gelder bei Ihnen zu erheben und sodann zu verwenden.«
Morrel stieß einen tiefen Seufzer aus, fuhr mit der Hand über seine schweißbedeckte Stirne und erwiderte:
»Sie haben also von mir unterzeichnete Tratten?«
»Ja, mein Herr, für eine beträchtliche Summe.«
»Für welche Summe?« fragte Herr Morrel mit einer Stimme, welcher er Sicherheit zu verleihen strebte.
»Einmal,« sagte der Engländer, ein Päckchen aus der Tasche ziehend, »einmal habe ich hier eine Abtretung von zweimal hunderttausend Franken, ausgestellt an unser Haus von Herrn von Boville, Inspektor der Gefängnisse. Erkennen Sie an, daß Sie Herrn von Boville diese Summe schuldig sind?«
»Ja, mein Herr, er hat sie zu vier und einem halben Procent vor bald fünf Jahren bei mir angelegt.«
»Und Sie haben den Betrag zurückzubezahlen?«
»Hälftig am fünfzehnten dieses, hälftig am fünfzehnten des nächsten Monats.«
»So ist es; dann habe ich hier zweiunddreißig tausend fünfhundert Ende dieses; es sind von Ihnen unterzeichnete und von Dritten an unser Haus übertragene Tratten.«
»Ich erkenne sie an,« sagte Herr Morrel, dem beidem Gedanken, daß er zum ersten Male in seinem Leben vielleicht seiner Unterschrift nicht entsprechen könnte, die Schamröte in das Gesicht stieg. »Ist das Alles?«
»Ich habe noch auf Ende nächsten Monats diese Pariere, welche das Haus Pascale und das Haus Wild und Turner in Marseille an uns verkauften, etwa fünfundfünfzig tausend Franken, im Ganzen zweimal hundert siebenundachtzig tausend fünfhundert Franken.«
Es läßt sich nicht beschreiben, was der unglückliche Morrel während dieser Aufzählung litt.
»Zweimal hundert siebenundachtzig tausend fünfhundert Franken,« wiederholte er maschinenmäßig.
»Ja, mein Herr,« sprach der Engländer. »Ich kann Ihnen nun nicht verbergen,« fuhr er nach kurzem Stillschweigen fort, »daß, während man Ihre bis jetzt vorwurfsfreie Redlichkeit zu schützen weiß, in Marseille das Gerücht geht, Sie seien nicht im Stande, Ihre Angelegenheiten durchzuführen.«
Bei dieser beinahe rohen Eröffnung erbleichte Herr Morrel furchtbar.
»Mein Herr,« sagte er, »bis jetzt, und es sind mehr als zwanzig Jahre, seitdem ich das Haus aus den Händen meines Vaters übernommen habe, der es selbst fünfunddreißig Jahr führte, bin jetzt ist kein von Morrel und Sohn unterzeichnetes Papier an der Kasse präsentiert worden, ohne daß wir Zahlung dafür geleistet hatten.«
»Ja, ich weiß dies; doch sprechen Sie offenherzig, wie ein Ehrenmann zum andern: werden Sie diese Papiere mit derselben Pünktlichkeit bezahlen?«
Morrel bebte und schaute denjenigen an, welcher mit größerer Sicherheit zu ihm sprach, als er es bis dahin getan hatte.
»Auf so offenherzig gestellte Fragen,« antwortete er, »muß ich eine offenherzige Antwort geben. Ja, mein Herr, ich bezahle, wenn mein Schiff, wie ich hoffe, glücklich im Hafen einläuft, denn seine Ankunft wird mir den Credit wiedergeben, den mir schnell auseinander folgende Unglücksfälle, deren Opfer ich gewesen bin, geraubt haben: bliebe aber der Pharaon, die letzte Quelle, auf die ich zähle, aus . . . «
Die Tränen traten dem armen Reeder in die Augen.
»Nun?« fragte der Engländer, »bliebe diese letzte Quelle aus?«
»Es ist grausam zu sagen . . . doch, bereits an das Unglück gewöhnt, muß ich mich auch an die Schmach gewöhnen . . . nun! ich glaube, daß ich genötigt wäre, meine Zahlungen einzustellen.«
»Haben Sie keine Freunde, welche Sie unter diesen Umständen unterstützen könnten?« fragte der Engländer.
Herr Morrel lächelte traurig und erwiderte:
»In den Geschäften hat man keine Freunde, wie Sie wissen, sondern nur Correspondenten.«
»Das ist wahr, murmelte der Engländer.
»Sie nähren also keine Hoffnung mehr.«
»Eine einzige.«
»Die letzte?«
»Die letzte.«
»Und wenn diese Hoffnung sich nicht verwirklicht?«
»Bin ich zu Grunde gerichtet, mein Herr, völlig zu Grunde gerichtet.«
»Als ich zu Ihnen kam, lief ein Schiff im Hasen ein.«
»Ich weiß es. Ein junger Mann, der mir im Unglück treu geblieben ist, bringt einen Teil seiner Zeit auf einem Belvedere oben auf dem Hause zu, in der Hoffnung, mir zuerst eine gute Nachricht mitteilen zu können. Von ihm habe ich die Ankunft dieses Schiffes erfahren.«
»Ist es nicht das Ihrige?«
»Nein, es ist ein bordolesiscben Schiff, die Gironde; es kommt ebenfalls von Indien, ist aber nicht dasjenige, welches ich erwarte.«
»Vielleicht hat es Kenntnis vom Pharaon und bringt Ihnen Kunde.«
»Sol! ich es Ihnen sagen, mein Herr, ich fürchte beinahe eben so sehr. Nachricht von meinem Dreimaster zu erhalten, als in Ungewissheit zu bleiben. Die Ungewissheit ist noch Hoffnung.«
Dann fügte Herr Morrel mit dumpfem Tone bei:
»Diesen Zögern ist nicht natürlich, der Pharaon ist am 5. Februar von Calcutta abgegangen und sollte seit mehr als einem Monat hier sein.«
»Was ist das?« fragte der Engländer horchend; »in an soll