Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4. Александр Дюма

Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4 - Александр Дюма


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Sieger der Bastille waren bei ihr erschienen, und die Königin hatte sich geweigert, sie zu empfangen.

      Die Damen der Halle waren ebenfalls gekommen; sie hatte die Damen der Halle empfangen, aber in der Entfernung, getrennt von ihnen durch ungeheure Körbe; überdies hatten sich ihre Frauen wie eine Vorhut, bestimmt, sie vor jeder Berührung zu beschützen, vor sie gestellt.

      Das war ein großer Fehler, den Marie Antoinette beging. Die Damen der Halle waren Royalistinnen; viele hatten den 6. October desavouirt.

      Diese Weiber hatten sie sodann angeredet, – denn in solchen Gruppen gibt es immer Redner.

      Eine Frau, welche kühner als die anderen, hatte sich zum Rathe aufgeworfen.

      »Frau Königin,« sagte diese Frau, »wollen Sie mir erlauben, Ihnen einen Rath zu geben, einen Rath, der vom Herzen kommt?«

      Die Königin machte mit dem Kopfe ein so unmerkliches Zeichen daß die Frau es nicht sah.

      »Sie antworten nicht?« sagte diese. »Gleichviel! ich werde Ihnen den Rath dennoch geben. Sie sind nun unter uns, inmitten Ihres Volkes, das heißt, im Schooße Ihrer wahren Familie. Sie müssen nun von Ihnen alle die Höflinge entfernen, welche die Könige verderben, und ein wenig diese armen Pariser lieben, welche Sie in den zwanzig Jahren, die Sie in Frankreich sind, vielleicht nicht viermal gesehen haben.«

      »Madame,« erwiederte trocken die Königin, »Sie sprechen so, weil Sie mein Herz nicht kennen. Ich habe Sie in Versailles geliebt; ich werde Sie ebenso in Paris lieben.«

      Das hieß nicht viel versprechen.

      Eine andere Rednerin sagte auch:

      »Ja, ja, Sie liebten uns in Versailles. Aus Liebe wollten Sie also am 14. Juli die Stadt belagern und sie beschießen lassen? Aus Liebe wollten Sie also am 6. October an die Grenze fliehen, unter dem Vorwande, mitten in der Nacht nach Trianon zu gehen?«

      »Das heißt,« versetzte die Königin, »man hat Ihnen das gesagt, und Sie haben es geglaubt: das ist es, was zugleich das Unglück des Volks und das des Königs macht.«

      Und dennoch, arme Frau! oder vielmehr arme Königin! dennoch fand sie unter diesen Widerstrebungen ihres Stolzes und unter diesen Zerreißungen ihres Herzens eine glückliche Eingebung!

      Eine von diesen Frauen, eine Elsäßerin von Geburt sprach sie deutsch an.

      »Madame,« erwiederte die Königin, »ich bin dergestalt Französin geworden, daß ich meine Muttersprache vergessen habe.«

      Das war reizend zu sagen; leider war es schlecht gesagt.

      Die Damen der Halle konnten sich aus vollem Herzen: »Es lebe die Königin!« rufend entfernen.

      Sie entfernten sich mit dem Ende der Lippen rufend und zwischen ihren Zähnen brummend.

      Am Abend, als der König und Madame Elisabeth beisammen waren, ohne Zweifel, um sich zu trösten und gegenseitig zu befestigen, erinnerten sie sich Alles dessen, was sie Gutes und Tröstliches in diesem Volke gesunken.

      Die Königin wußte nur Eines Allem dem beizufügen, ein Wort des Dauphin, das sie mehrere Male an diesem Tag und an den folgenden Tagen wiederholte.

      Bei dem Lärmen, den die Damen der Halle in die Gemächer eintretend gemacht hatten, war der arme Kleine zu seiner Mutter gelaufen, hatte sich an sie angeschmiegt und ausgerufen:

      »Guter Gott! Mama, ist denn heute abermals gestern?«

      Der kleine Dauphin war da; er hörte, was seine Mutter von ihm sagte, und stolz wie alle Kinder, welche sehen, daß man sich mit ihnen beschäftigt, näherte er sich dem König und schaute ihn mit nachdenkender Miene an.

      »Was willst Du, Louis?« sagte der König.

      »Ich möchte Sie gern etwas sehr Ernstes fragen,« antwortete der Dauphin.

      »Nun,« versetzte der König, indem er ihn zwischen seine Beine zog, »was willst Du mich fragen? Laß hören, sprich.«

      »Ich wünschte zu wissen,« erwiederte das Kind, »warum Ihr Volk, daß Sie so sehr liebte, plötzlich so ärgerlich gegen Sie geworden ist, und was Sie gethan haben, um es so sehr in Zorn zu bringen.«

      »Louis!« murmelte die Königin mit dem Ausdrucke des Vorwurfs.

      »Lassen Sie mich ihm antworten,« sagte der König.

      Madame Elisabeth lächelte dem Kinde zu.

      Ludwig XVI. nahm seinen Sohn auf seinen Schooß und sprach, die Politik des Tages der Fassungskraft des Kindes anpassend:

      »Mein Sohn, ich wollte das Volk noch glücklicher machen, als es war. Ich hatte Geld nöthig, um die durch die Kriege veranlagten Ausgaben zu bezahlen; ich verlangte von meinem Volke, wie es meine Vorgänger immer gethan haben, Beamte, welche mein Parlament bilden, widersetzten sich und sagten, mein Volk allein habe das Recht, mir dieses Geld zu votiren. Ich versammelte in Versailles die Ersten jeder Stadt ihrer Geburt, ihrem Vermögen und ihren Talenten nach; das ist das, was man die Generalstaaten nennt. Als sie versammelt waren, verlangten sie von mir Dinge, die ich nicht thun kann, weder für mich, noch für Dich, der Du mein Nachfolger sein wirst. Es fanden sich boshafte Menschen, die das Volk aufwiegelten, und die Excesse, zu denen es sich in den letzten Tagen hinreißen ließ, sind ihr Werk! Mein Sohn, man darf dennoch deshalb dem Volke nicht böse sein!«

      Bei dieser letzten Ermahnung preßte Marie Antoinette die Lippen zusammen; mit der Erziehung des Dauphin beauftragt, würde sie diese Erziehung offenbar nicht zum Vergessen der Beleidigungen gelenkt haben.

      Am andern Tage schickten die Stadt Paris und die Nationalgarde und ließen die Königin bitten, im Theater zu erscheinen, und so durch ihre Gegenwart und durch die des Königs zu bestätigen, daß sie mit Vergnügen in der Hauptstadt residiren.

      Die Königin antwortete, es würde ihr ein großes Vergnügen bereiten, der Einladung der Stadt Paris zu entsprechen, aber sie brauche Zeit, um die Erinnerung an die jüngst vergangenen Tage aus dem Gedächtniß zu verlieren. Das Volk halte schon vergessen; es war erstaunt, daß man sich erinnerte.

      Als sie erfuhr, ihr Feind der Herzog von Orleans sei von Paris entfernt, hatte sie einen Augenblick der Freude; sie wußte aber Lafayette keinen Dank für diese Entfernung: sie glaubte, es sei eine persönliche Angelegenheit zwischen dem Prinzen und dem General.

      Sie glaubte es, oder sie gab sich den Anschein, als glaubte sie es, weil sie Lafayette nichts zu verdanken haben wollte.

      Eine wahre Prinzessin aus dem Hause Lothringen, wollte sie siegen und sich rächen.

      »Die Königinnen können nicht ertrinken,« sagte Frau Henriette von England mitten in einem Sturme, und sie war der Ansicht von Frau Henriette von England.

      War übrigens Maria Theresia nicht noch mehr als sie nahe daran, zu sterben, als sie ihr Kind in ihre Arme genommen und ihren getreuen Ungarn gezeigt hatte?

      Diese heroische Erinnerung übte einen Einfluß auf die Tochter aus; das war ein Unrecht, das furchtbare Unrecht von denjenigen, welche die Lagen vergleichen, ohne sie zu beurtheilen!

      Maria Theresia hatte das Volk für sich: Marie Antoinette hatte es gegen sich.

      Und dann war sie vor Allem Frau, und sie würde wohl die Lage der Dinge besser beurtheilt haben, wäre ihr Herz mehr im Frieden gewesen; vielleicht würde sie das Volk weniger gehaßt haben, hätte sie Charny mehr geliebt.

      Dies ging in den Tuilerien während der paar Tage vor, wo die Revolution einen Halt machte, wo sich die exaltirten Leidenschaften abkühlten und, wie während eines Waffenstillstandes, Freunde und Feinde sich recognoscirten, um bei der ersten Feindseligkeitserklärung einen neuen noch erbitterteren Kampf, eine neue noch mörderischere Schlacht zu beginnen.

      Dieser Kampf ist um so wahrscheinlicher, diese Schlacht ist um so drohender, als wir unsere Leser nicht nur mit dem, was sich aus der Oberfläche der Gesellschaft sehen läßt, sondern auch mit Allem dem vertraut gemacht haben was sich in ihren Tiefen anspinnt.

       XVIII

      Das Portrait von Karl I

      Während


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