Die drei Musketiere. Александр Дюма

Die drei Musketiere - Александр Дюма


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meiner Frau, wo man ihn verbindet.«

      »Hat er Kleidungsstücke und seine Tasche bei sich? Er hat sein Wamms nicht ausgezogen?«

      »Alles dies blieb im Gegentheil unten in der Küche. Aber wenn Euch dieser junge Laffe unbequem ist . . .?«

      »Gewiß. Er veranlaßt in Eurem Gasthaus ein Ärgernis, das ehrliche Leute nicht aushalten können. Geht hinauf, macht meine Rechnung und benachrichtigt meinen Lakei.«

      »Wie! gnädiger Herr, Ihr verlasset uns schon?«

      »Ihr wißt es wohl, da ich Euch Befehl gegeben habe, mein Pferd zu satteln. Hat man mir nicht Folge geleistet?«

      »Allerdings, und das Pferd steht völlig aufgezäumt unter dem großen Thor, wie Ew. Excellenz selbst hat sehen können.«

      »Das ist gut. Thut, was ich Euch gesagt habe.«

      »Oh weh!« sprach der Wirth zu sich selbst; »sollte er vor dem kleinen Jungen bange haben?«

      Aber ein gebieterischer Blick des Unbekannten machte seinen Gedanken rasch ein Ende. Er verbeugte sich demüthig und ging ab.

      »Mylady1 soll diesen Burschen nicht gewahr werden,« fuhr der Fremde fort; »sie muß bald vorüber kommen; bereits zögert sie etwas. Entschieden ist es besser, wenn ich zu Pferde steige und ihr entgegen reite . . . Könnte ich nur erfahren, was dieser Brief an Treville enthält!« Und unter fortwährendem Murmeln wandte sich der Fremde nach der Küche.

      Während dieser Zeit war der Wirth, der nicht daran zweifelte, daß die Gegenwart des jungen Menschen den Unbekannten aus seiner Herberge treibe, zu seiner Frau hinaufgegangen und hatte d'Artagnan hier wieder seiner Sinne Meister gefunden. Er machte ihm begreiflich, die Polizei könnte ihm einen schlimmen Streich spielen, da er mit einem vornehmen Herrn Streit angefangen habe, denn nach der Meinung des Wirthes konnte der Unbekannte nur ein vornehmer Herr sein, und er bestimmte ihn, trotz seiner Schwäche aufzustehen und seinen Weg fortzusetzen. Halb betäubt, ohne Wamms und den Kopf mit Leinwand umwickelt, stand d'Artagnan auf und fing an, vom Wirthe getrieben, die Treppe hinabzusteigen; aber als er in die Küche kam, war das erste, was er bemerkte, sein Gegner, der am Fußtritt einer schweren, mit zwei plumpen normannischen Pferden bespannten Karosse ruhig plauderte.

      Die Frau, mit der er sprach, war eine Frau von zwanzig bis zweiundzwanzig Jahren, deren Kopf in den Kutschenschlag eingerahmt schien. Wir haben bereits erwähnt, mit welcher Raschheit d'Artagnan eine Physiognomie aufzufassen wußte; er sah also auf den ersten Blick, daß die Frau jung und hübsch war. Diese Schönheit fiel ihm um so mehr auf, als sie eine in den südlichen Gegenden, welche d'Artagnan bis jetzt bewohnt hatte, ganz fremde Erscheinung war. Es war eine Blondine mit langen, auf die Schultern herabfallenden Locken, großen, schmachtenden, blauen Augen, rosigen Lippen und Alabasterhänden; sie sprach sehr lebhaft mit dem Unbekannten.

      »Also befiehlt mir Seine Eminenz . . . « sagte die Dame.

      »Sogleich nach England zurückzukehren und sie zu benachrichtigen, ob der Herzog London verlassen hat.«

      »Und was meine übrigen Instruktionen betrifft? . . . « fragte die schöne Reisende.

      »Sie sind in dieser Kapsel enthalten, welche Ihr erst jenseits des Kanals öffnen werdet.«

      »Sehr wohl; und Ihr, was macht Ihr?«

      »Ich kehre nach Paris zurück.«

      »Ohne das freche Bürschchen zu züchtigen?« fragte die Dame.

      Der Unbekannte war im Begriff zu antworten, aber in dem Augenblick, wo er den Mund öffnete, sprang d'Artagnan, der alles gehört hatte, auf die Thürschwelle.

      »Das freche Bürschchen züchtigt andere,« rief er, »und ich hoffe, daß derjenige, welchen er zu züchtigen hat, ihm diesmal nicht entkommen wird, wie das erste Mal.«

      »Nicht entkommen wird?« entgegnete der Unbekannte, die Stirne faltend.

      »Nein, vor einer Dame, denke ich, werdet Ihr es nicht wagen, zu entfliehen.«

      »Bedenkt,« rief Mylady, als sie sah, daß der Edelmann die Hand an den Degen legte, »bedenkt, daß die geringste Zögerung Alles verderben kann.«

      »Ihr habt Recht,« rief der Edelmann, »reist also Eurerseits, ich reise meiner Seits ebenfalls.«

      Und indem er der Dame mit dem Kopf zunickte, sprang er zu Pferde, während der Kutscher der Karosse sein Gespann kräftig mit der Peitsche antrieb. Die zwei Sprechenden entfernten sich also im Galopp, jedes in einer entgegengesetzten Richtung der Straße.

      »Eh! Eure Rechnung,« schrie der Wirth, dessen Ergebenheit für den Reisenden sich in tiefe Verachtung verwandelte, als er sah, daß er abging, ohne seine Zeche zu bezahlen.

      »Bezahle, Schlingel,« rief der Reisende stets galoppierend seinem Bedienten zu, der dem Wirth ein Paar Geldstücke vor die Füße warf und dann eiligst seinem Herrn nachgaloppierte.

      »Ha, Feigling, ha, Elender, ha, falscher Edelmann!« rief d'Artagnan und lief dem Bedienten nach.

      Aber der Verwundete war noch zu schwach, um eine solche Erschütterung auszuhalten. Kaum hatte er zehn Schritte gemacht, als ihm die Ohren klangen, eine Blendung sich seiner bemächtigte, eine Blutwolke über seine Augen hinzog, und er unter dem fortwährenden Ausrufe: »Feiger! Feiger! Feiger!!« auf die Straße stürzte.

      »Er ist in der That sehr feig!« murmelte der Wirth, indem er sich d'Artagnan näherte und sich durch diese Schmeichelei mit dem armen Jungen zu versöhnen suchte, wie der Held in der Fabel mit seiner Schnecke.

      »Ja, sehr feig,« sagte d'Artagnan mit schwacher Stimme, »aber sie ist sehr schön.«

      »Wer sie?« fragte der Wirth.

      »Mylady,« stammelte d'Artagnan und fiel zum zweiten Mal in Ohnmacht.

      »Gleich viel,« sprach der Wirth, »aber es bleibt mir doch dieser da, den ich sicherlich einige Tage behalten werde. Das macht immer elf Thaler Gewinn.«

      Man weiß bereits, daß sich der Inhalt von d'Artagnans Börse gerade auf elf Thaler belief.

      Der Wirth hatte auf elf Tage Krankheit den Tag zu einem Thaler gerechnet; aber er hatte die Rechnung ohne seinen Reisenden gemacht. Am andern Morgen stand d'Artagnan schon um fünf Uhr auf, ging in die Küche hinab, verlangte außer einigen anderen Ingredienzien, deren Liste uns nicht zugekommen ist, Wein, Öl, Rosmarin, und bereitete sich, das Rezept seiner Mutter in der Hand, einen Balsam, mit dem er seine zahlreichen Wunden salbte; erneuerte er seine Kompressen selbst und wollte keine Hilfeleistung von Seiten eines Arztes gestatten. Der Wirksamkeit des Zigeunerbalsams und ohne Zweifel auch ein wenig der Abwesenheit jedes Arztes hatte es d'Artagnan zu danken, daß er schon an demselben Abend wieder auf den Beinen und am andern Tag beinahe völlig geheilt war.

      In dem Augenblick aber, als er den Rosmarin, das Öl und den Wein bezahlen wollte – die einzige Ausgabe des Herrn, der strenge Diät hielt, während das gelbe Roß, wenigstens nach der Aussage des Wirthes, dreimal so viel gefressen hatte, als sich vernünftigerweise bei seiner Gestalt voraussetzen ließ – fand d'Artagnan in seiner Tasche nur noch seine kleine Sammetbörse, sowie die elf Thaler, welche sie enthielt; jedoch der Brief an Herrn von Treville war verschwunden.

      Der junge Mann suchte anfangs diesen Brief mit großer Geduld, drehte seine Taschen um und um, durchwühlte seinen Mantelsack, öffnete und schloß seine Börse wieder und wieder, als er aber die Überzeugung gewonnen hatte, daß der Brief nicht mehr zu finden war, gerieth er in einen dritten Anfall von Wuth, der ihn leicht zu einem neuen Verbrauch von aromatischem Wein und Öl veranlassen konnte; denn als man sah, daß dieser junge Brausekopf sich erhitzte und drohte, er werde Alles im Hause kurz und klein schlagen, wenn man seinen Brief nicht finde, da ergriff der Wirth einen Spieß, seine Frau einen Besenstiel, und sein Aufwärter nahm von denselben Stöcken, welche zwei Tage vorher benützt worden waren.

      »Meinen Empfehlungsbrief,« schrie d'Artagnan, »meinen Empfehlungsbrief, oder ich spieße Euch alle wie Ortolane.«

      Unglücklicherweise trat ein Umstand der Ausführung seiner Drohung in den Weg; sein Degen war erwähntermaßen beim ersten Kampf


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<p>1</p>

Wir wissen sehr wohl, daß der Ausdruck Mylady nur gebräuchlich ist, wenn der Familienname darauf folgt, aber wir finden ihn so im Manuscripte und können keine Veränderung auf uns nehmen. Al. Dumas.