Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1. Александр Дюма
Heinrich II. getödtet,« sprach Ludwig XV.
»Er tödtete den König aus Zufall, Sire, und Herr Jean Dubarry hat die Dauphine beleidigt mir der Absicht, sie zu beleidigen.«
»Und Sie, mein Herr,« sagte Ludwig XV., sich an den Dauphin wendend, »verlangen Sie auch den Kopf von Jean?«
»Nein, Sire, ich bin nicht für die Todesstrafe, Euere Majestät weiß es wohl« antwortete sanft der Dauphin, »Ich begnüge mich auch, die Verbannung von Ihnen zu fordern.«
Der König lachte.
»Die Verbannung wegen eines Wirthshausstreites? Sie sind streng, trotz ihrer philanthropischen Ideen. Es ist nicht zu leugnen, ehe Sie Philanthrop waren, waren Sie Mathematiker, und ein Mathematiker . . .«
»Eure Majestät geruhe zu vollenden . . .«
»Und ein Mathematiker würde das Weltall seiner Ziffer opfern.«
»Sire,« sprach der Dauphin, »ich bin Herrn Dubarry nicht persönlich böse.«
»Und wem sind Sie denn böse?«
»Dem Angreifer der Frau Dauphine.«
»Was für ein Muster von einem Ehegatten!« rief der König ironisch. »Zum Glück macht man mich nicht so leicht an dergleichen glauben. Ich sehe, wen man hier angreift, und sehe besonders, wie weit man mich mit allen diesen Uebertreibungen führen will.«
»Sire,« sagte Herr von Choiseul, »glauben Sie nicht, man übertreibe; das Publikum ist in der That entrüstet über so viel Frechheit.«
»Das Publikum! Ah! abermals ein Ungeheuer, das Sie sich machen, oder vielmehr, das Sie nur machen. Das Publikum, höre, ich es, wenn es mir durch die tausend Zungen seiner Libellisten und seiner Phamphletschreiber, seiner Liedermacher und seiner Kabalenschmiede sagt, man bestehle, man prelle, man verrathe mich? Ei! mein Gott, nein. Ich lasse sie sprechen und lache. Machen Sie es wie ich, schließen Sie das Ohr, und wenn es des Schreiens müde ist, Ihr Publikum, so wird es nicht mehr schreien. Gut! Sie bringen mir Ihren Unzufriedenheitsgruß. Ludwig macht mir die Grimasse eines Schmollenden. Wahrlich, es ist seltsam, daß man nicht für mich thun kann, was man für den letzten Privatmann thut; daß man mich nicht will nach meinem Gefallen leben, lassen; daß man unablässig haßt, was ich liebe; daß man ewig liebt, was ich hasse! Bin ich weise oder bin ich ein Narr? Bin ich der Herr, oder bin ich es nicht?«
Der Dauphin nahm sein Radirmesser und kehrte zu seiner Pendeluhr zurück.
Herr von Choiseul verbeugte sich auf dieselbe Weise wie das erste Mal.
»Gut! man antwortet mir nichts. Aber antworten Sie mir doch etwas, bei Gottes Tod! Sie wollen mich also vor Aerger sterben machen mit Ihren Redensarten und mit Ihrem Stillschweigen, mit Ihren kleinen Gehässigkeiten und mit Ihren kleinen Befürchtungen?«
»Ich hasse Herrn Dubarry nicht, Sire,« sprach der Dauphin lächelnd.
»Und ich fürchte ihn nicht,« sagte stolz Herr von Choiseul.
»Hört, Ihr seid alle schlimme Geister,« rief der König, der den Wüthenden zu spielen suchte, während er nur ärgerlich war. »Ihr wollt, daß ich mich zur Fabel von Europa mache, daß ich mich von meinem Vetter dem König von Preußen verspotten lasse, daß ich den Hof des Königs Pétaud von diesem Schufte Voltaire verwirkliche. Ei! nein, das werde ich nicht thun. Nein! Ihr werdet diese Freude nicht haben. Ich verstehe meine Ehre auf meine Weise und werde sie auf meine Weise wahren.«
»Sire,« erwiederte der Dauphin mit seiner unerschöpflichen Sanftmuth, aber auch mit seiner ewigen Beharrlichkeit, »ich bitte Eure Majestät um Verzeihung, es handelt sich nicht um ihre Ehre, sondern um die Würde der Frau Dauphine, welche verletzt worden ist.«
»Monseigneur hat Recht, Sire; ein Wort aus dem Munde Eurer Majestät, und Niemand wird wieder beginnen.«
»Und wer sollte denn wieder beginnen? man hat noch nicht begonnen: Jean ist ein Tölpel, aber er ist nicht bösartig.«
»Das mag sein,« sprach Herr von Choiseul, »setzen wir das auf die Rechnung des Tölpels, und er entschuldige sich mit seiner Tölpelei bei Herrn von Taverney.«
»Ich habe Ihnen bereits gesagt, daß mich Alles dies nichts angeht,« rief Ludwig XV.; »Jean mag sich entschuldigen, das steht ihm frei; er mag sich nicht entschuldigen, das steht ihm abermals frei.«
»Wird die Sache so sich selbst überlassen, so muß sie nothwendig Lärmen machen, Sire; ich habe die Ehre, Euere Majestät hievon in Kenntniß zu setzen,« sagte Herr von Choiseul.
»Desto besser!« rief der König, »möchte sie so viel Lärmen machen, daß ich darüber taub würde, um alle Eure Albernheiten nicht mehr zu hören.«
»Euere Majestät bevollmächtigt mich also, zu veröffentlichen, Sie gebe Herrn Dubarry Recht?« versetzte Herr von Choiseul mit seiner unstörbaren Kaltblütigkeit.
»Ich!« rief Ludwig XV., »ich Jemand Recht geben in einer Angelegenheit, welche so schwarz ist wie Tinte! Man will mich offenbar auf das Aeußerste treiben. Oh! nehmen Sie sich in Acht, Herzog . . . Louis, schonen Sie mich um Ihrer selbst willen . . . Ich lasse Sie das, was ich Ihnen sage, überlegen, denn ich bin müde, ich bin erschöpft, ich halte es nicht mehr aus. Adieu, meine Herren, ich gehe zu meinen Töchtern und flüchte mich nach Marly, wo ich vielleicht ein wenig Ruhe haben werde, wenn Sie mir nicht überallhin folgen.«
In diesem Augenblick, und als sich der König gegen die Thüre wandte, öffnete sich diese, ein Huissier erschien auf der Schwelle und sprach:
»Sire, Ihre königliche Hoheit Madame Louise erwartet in der Gallerie den Augenblick, um vom König Abschied zu nehmen.«
»Abschied!« rief der König erstaunt, »und wohin geht sie?«
»Ihre Hoheit sagt, sie habe von Eurer Majestät die Erlaubniß erhalten, das Schloß zu verlassen.«
»Ah! abermals ein Ereigniß! Meine Bigotte macht ihre gewöhnlichen närrischen Streiche. In der That, ich bin der unglücklichste der Menschen.«
Und er lief in größter Eile ans dem Saale.
»Seine Majestät läßt uns ohne Antwort,« sagte der Herzog zum Dauphin, »was entscheidet Eure Königliche Hoheit.?«
»Ah! nun schlägt sie,« rief der junge Prinz, mit einer geheuchelten oder einer wirklichen Freude auf das Klingeln der wieder in Bewegung gesetzten Uhr horchend.
Der Minister runzelte die Stirne und entfernte sich rückwärts ans der Salle des Pendules, wo der Dauphin allein blieb.
XXVII.
Frau Louise von Frankreich
Die älteste Tochter des Königs erwartete ihren Vater in der großen Gallerie von Lebrun, derselben, wo Ludwig XIV. den Dogen Imperiali und die vier genuesischen Senatoren, welche um Verzeihung für die Republik flehten, empfangen hatte.
Am Ende dieser Gallerie, der Thüre gegenüber, durch die der König eintreten sollte, befanden sich einige Ehrendamen, die ganz bestürzt aussahen; Ludwig XV. kam in dem Augenblick, wo die Gruppen sich in dem Vestibule zu bilden anfingen; denn der Entschluß, den die Prinzessin am Morgen gefaßt zu haben schien, verbreitete sich allmälig im ganzen Palast,
Frau Louise von Frankreich, eine Prinzessin von majestätischem Wuchse und einer ganz königlichen Schönheit, dabei aber von einer unbekannten Traurigkeit, welche zuweilen ihre Stirne runzelte, Frau Louise von Frankreich, sagen wir, flößte dem ganzen Hofe durch die Uebung der strengsten Tugenden die Achtung für die großen Mächte des Staates ein, welche man seit fünfzig Jahren in Frankreich nur noch aus Interesse oder aus Furcht zu verehren wußte.
Mehr noch: in diesem Augenblick allgemeiner Abneigung des Volkes gegen seine Gebieter (man sagte noch nicht öffentlich gegen seinen Tyrannen), liebte man sie. Dies kam davon her, daß ihre Tugend nicht harter, zurückschreckender Natur war; obgleich man nie laut von Ihr gesprochen hatte, erinnerte man sich doch, daß sie ein Herz besaß. Und jeden Tag bewies sie dies durch Wohltaten, während es die Andern nur durch den Scandal offenbarten,
Ludwig XV. fürchtete