Joseph Balsamo Denkwürdigkeiten eines Arztes 1. Александр Дюма
ist immer noch das Vaterland des Cid.«
Der Letzte trat ebenfalls vor; aber er hatte noch keine drei Schritte gemacht, als ihn der Großkophta mit einem Blicke zurückhielt.
»Du, Scieffort, von Rußland, Du wirst Deine Sache verrathen, ehe ein Monat vergeht; doch in einem Monat bist Du todt.«
Der moskowitische Abgesandte fiel auf die Kniee; aber mit einer drohenden Geberde hob ihn der Großkophta auf, und der Verurtheilte der Zukunft entfernte sich wankend.
Sobald der seltsame Mann, den wir in dieses Drama als Hauptperson eingeführt haben, allein war, schaute er umher und schloß sodann, da er den Empfangsaal leer und verlassen sah, seinen schwarzen Sammetrock mit gestickten Knopflöchern, befestigte seinen Hut auf seinem Kopfe, drückte an der Feder der Bronzethüre, die sich hinter ihm geschlossen hatte, und drang in die Gebirgspässe als ob ihm diese längst bekannt wären; in den Wald gelangt, durchwanderte er diesen, obgleich er weder Führer noch Licht hatte, gerade wie wenn eine unsichtbare Hand ihn leiten würde.
Als er den entgegengesetzten Saum des Waldes erreichte, suchte er mit den Augen sein Pferd; da er es nicht sah, horchte er und schien dann ein entferntes Gewieher zu hören. Ein auf eine besondere Weise modulirtes Pfeifen kam aus dem Munde des Reisenden, und bald konnte man Dscherid im Schatten, treu und gehorsam wie ein freudiger Hund, herbeilaufen sehen. Der Reisende schwang sich leicht auf, und sogleich verschwanden Beide in raschem Laufe, vermischt mit der düsteren Heide, welche sich zwischen Dannenfels und dem Gipfel des Donnersbergs ausdehnt.
I.
Der Sturm
Acht Tage nach der von uns erzählten Scene kam, ungefähr um fünf Uhr Abends, ein mit vier Pferden bespannter und von zwei Postillons geführter Wagen aus Pont-à-Mousson, einem zwischen Nancy und Metz liegenden Städtchen. Es waren im Posthotel frische Pferde an den Wagen gespannt worden und dieser setzte, trotz der erfolglosen Einladungen einer höflichen Wirthin, welche auf der Schwelle ihres Hauses die verspäteten Reisenden betrachtete, die Fahrt nach Paris fort.
Die vier Pferde, welche den Wagen zogen, waren kaum an der Ecke der Straße mit der schweren Maschine verschwunden, als zwanzig Kinder und zehn Gevatterinnen, welche während der paar Minuten, die man zum Umspannen brauchte, um die Kutsche her standen, in ihre Wohnungen mit Geberden und Ausrufungen zurückkehrten, welche bei den Einen eine übermäßige Heiterkeit, bei den Andern ein tiefes Erstaunen offenbarten. Dies kam davon her, daß noch nichts diesem Wagen Aehnliches über die Brücke gefahren war, welche fünfzig Jahre vorher der gute König Stanislaus über die Mosel hatte schlagen lassen, um die Verbindung zwischen seinem kleinen Königreich und Frankreich zu erleichtern. Wir nehmen sogar die seltsamen elsassischen Fourgons nicht aus, welche an Markttagen von Pfalzbourg die zweiköpfigen Phänomene, die tanzenden Bären und die nomadischen Stämme der Gaukler, die Zigeuner der civilisirten Länder, brachten.
Ohne ein neckisches, spöttisches Kind, oder eine schmähsüchtige, neugierige Alte zu sein, konnte man vor Erstaunen stehen bleiben, wenn man dieses monumentale Gefährt sah, das, an vier Rädern von gleichem Durchmesser hängend und gestützt durch starke Federn, nichtsdestoweniger rasch genug vorrückte, um den den Zuschauern entschlüpfenden Ausruf:
»Das ist ein seltsamer Wagen, um damit Extrapost zu fahren,« zu rechtfertigen.
Unsere Leser, die ihn zu ihrem Glücke nicht gesehen haben, mögen uns erlauben, ihnen denselben zu beschreiben.
Der Hauptkasten (wir sagen der Hauptkasten, weil diesem Kasten eine Art von Cabriolet voranging), der Hauptkasten war hellblau angemalt und trug in vollem Felde eine zierliche Baronenkrone, welche über einem J und einem B in künstlicher Verschlingung angebracht war.
Zwei Fenster, wir sagen Fenster und nicht Schläge, mit Vorhängen von weißer Mousseline, ließen das Licht in das Innere ein; nur waren diese Fenster, dem profanen Volke beinahe unsichtbar, in dem vorderen Theile des Kastens angebracht und gingen nach dem Cabriolet. Ein Gitterwerk gestattete zugleich, mit dem Wesen, das diesen Kasten bewohnte, zu sprechen, und, was man ohne diese Vorsichtsmaßregel nicht hätte thun können, sich an die Scheiben anzulehnen, an denen die Vorhänge ausgespannt waren.
Der hintere Kasten, der der wichtigere Theil dieser seltsamen Kutsche zu sein schien, welche acht Fuß Länge und sechs Fuß Breite haben mochte, empfing also das Licht nur durch diese Fenster und Luft nur durch eine mit einer Glasscheibe versehene, gegen die Imperiale gehende Oeffnung; um die Reihe der Seltsamkeiten, welche dieses Gefährt den Blicken der Vorübergehenden bot, zu vervollständigen, ragte eine Röhre von Eisenblech um einen guten Fuß aus der Imperiale empor und spie einen Rauch mit bläulichen Wirbeln aus, welche, immer weißer werdend, in einer Säule fortzogen und sich in der Luftfurche des Wagens verbreiteten.
In unsern Tagen hätte eine solche Seltsamkeit keinen andern Erfolg gehabt, als daß man geglaubt haben würde, man sehe eine neue, fortschreitende Erfindung vor sich, in der der Mechaniker auf eine geistreiche Weise die Macht des Dampfes mit der Kraft der Pferde verbinde.
Dies wäre um so wahrscheinlicher gewesen, als dem Wagen, dem, wie gesagt, vier Pferde und zwei Postillons vorangingen, ein einziges hinten mittelst einer Leine angebundenes Pferd folgte. Dieses Pferd, das durch seinen kleinen Kopf, durch seine magern Beine, durch seine enge Brust, seine dicke Mähne und seinen flatternden Schweif die charaktaristischen Merkmale der arabischen Race bot, war gesattelt: was andeutete, daß zuweilen einer von den geheimnißvollen, in dieser zweiten Arche Noah eingeschlossenen Reisenden sich das Vergnügen eines Rittes machte und neben dem Wagen galoppirte, dem ein solcher Gang unwiderruflich versagt zu sein schien.
In Pont-à-Mousson erhielt der Postillon des vorhergehenden Relais ein doppeltes Trinkgeld von einer weißem, muskeligen Hand, die zwischen den zwei ledernen Vorhängen durchschlüpfte, welche den vorderen Theil des Cabriolet beinahe ebenso hermetisch verschlossen, als die Mousselinevorhängeden vorderen Theil des Kastens schlossen.
Der erstaunte Postillon nahm rasch seinen Hut ab und sagte: »Ich danke, Monseigneur.« Und eine sonore Stimme antwortete in deutscher Sprache, welche man noch in der Gegend von Nancy versteht, wenn man sie auch nicht mehr spricht:
»Schnell, schneller!«
Die Postillons verstehen beinahe alle Sprachen, wenn man die Worte, die man zu ihnen spricht, mit einer gewissen metallischen Musik begleitet, nach der diese Race, die Sache ist allen Reisenden vollkommen bekannt, sich äußerst lüstern zeigt; die zwei neuen Postillons thaten auch Alles, was sie konnten, um im Galopp wegzufahren, und nur nach Anstrengungen, welche mehr der Kraft ihrer Arme, als den Kniebeugen ihrer Pferde Ehre machten, willigten sie, des Krieges müde, ein, sich auf einen ziemlich anständigen Trab zu beschränken, denn er erlaubte ihnen offenbar, zwei und eine halbe bis drei Lieues in der Stunde zurückzulegen.
Gegen sieben Uhr spannte man in Saint-Mihiel um; dieselbe Hand schob durch die Vorhänge die Bezahlung der zurückgelegten Post und dieselbe Stimme ließ eine ähnliche Aufforderung vernehmen.
Es versteht sich, daß der seltsame Wagen dieselbe Neugierde erregte, wie in Pont-à-Mousson; die einbrechende Nacht trug dazu bei, ihm ein noch phantastischeres Aussehen zu geben.
Nach Saint-Mihiel fing das Gebirge an. Hier angelangt, mußten sich die Reisenden begnügen, im Schritte zu fahren; man brauchte beinahe eine halbe Stunde, um eine Viertelslieue zurückzulegen. Auf dem Gipfel der Steige hielten die Postillons an, um ihre Pferde einen Augenblick schnaufen zu lassen, und die ledernen Vorhänge auf die Seite schiebend, konnten die Reisenden im Cabriolet einen ziemlich ausgedehnten Horizont überschauen, den jedoch die ersten Dünste des Abends zu verschleiern anfingen.
Das Wetter war bis drei Uhr Nachmittags klar und warm gewesen, wurde aber gegen Abend erstickend. Eine von Süden kommende, große, weiße Wolke, die dem Wagen absichtlich zu folgen schien, drohte diesen zu erreichen, ehe er in Bar-le-Duc, wo die Postillons anzuhalten und die Nacht zuzubringen vorschlugen, angelangt wäre.
Auf einer Seite durch den Berg und auf der andern durch eine abschüssige Böschung eingeengt, fiel der Weg gegen ein Thal ab, in dessen Hintergrund man die Maas sich hinschlängeln sah, und bot eine halbe Lieue lang einen so raschen Absturz, daß es gefährlich gewesen wäre, ihn anders als im Schritt hinabzufahren; diesen klugen Gang wählten auch die Postillons,