Memoiren einer Favorite. Александр Дюма

Memoiren einer Favorite - Александр Дюма


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meine Handlungen nicht so beurteilte. Seitdem aber er tot ist, seitdem sie tot ist, seitdem ich in Not und Elend geraten bin, und seitdem die Not, diese Rache des Himmels, mich zum Zweifel geführt hat – seit dieser Zeit sehe ich mich so wie ich bin, mein Vater, das heißt mit einem durch die Schwelgerei befleckten Körper und mit von Blut geröteten Händen.«

      »Meine Tochter, die Barmherzigkeit des Herrn ist unendlich,« hob der Priester wieder an, »und Jesus verzieh im Namen seines Vaters der reuigen Magdalena ebenso wie der Ehebrecherin.«

      Die Kranke streckte die Hand aus, legte dieselbe auf den Arm des Priesters, richtete sich empor, um sich ihm zu nähern, und fragte:

      »Würde er auch der Herodias verziehen haben?«

      Beinahe mit Entsetzen bog der Priester sich zurück.

      »Wer sind Sie denn?« fragte er.

      »Ja, in der Tat, Sie haben recht, mein Vater,« antwortete die Kranke, »wenn ich Ihnen meinen Namen sage, so sage ich Ihnen damit alles. O entfernen Sie sich nicht von mir, wenn ich es Ihnen gesagt haben werde«,« setzte sie hinzu.

      »Meine Tochter,« sagte der Priester, »selbst einen Vatermörder würde ich trösten und bis aufs Blutgerüst begleiten.«

      »O, das Blutgerüst, das ist die Sühne!« rief die Kranke. »Wenn ich anstatt in meinem Bett auf dem Blutgerüst stürbe, dann würde ich nicht zweifeln.«

      »Haben Sie denn einen Mord begangen?« fragte der Priester schaudernd.

      »Nein, mein Vater, aber ich habe einen Mord begehen lassen.«

      »Waren Sie sich dabei des Verbrechens bewußt, welches Sie begingen?«

      »O nein, nein, ich glaubte dem König, ich glaubte Gott zu dienen; ich diente aber bloß meiner Rache. Wie wollen Sie, daß Gott mir verzeihe, mir, die ich nicht verziehen habe?«

      Der Priester sah sie an.

      »Sie sind Engländerin?« fragte er dann.

      »Ja, mein Vater,« antwortete die Kranke.

      »Und Protestantin?«

      »Ja.«

      »Warum haben Sie aber dann nicht einen Geistlichen von Ihrer Religion holen lassen? Es gibt einen in Boulogne.«

      »Ich weiß es —«

      Die Kranke schüttelte den Kopf und stieß einen Seufzer aus.

      »Nun und?« fragte der Priester wieder. »Unsere Geistlichen sind zu streng, mein Vater. Unsere Religion ist zu schroff. Ich habe es nicht gewagt.«

      »Es ist das ein großes Lob, welches Sie der unsrigen zollen, meine Tochter, da Sie aber diese Meinung von unserer Religion haben, warum haben Sie dann nicht schon längst im Schoße derselben Zuflucht gesucht?«

      »Wenn sie mich nun zurückgewiesen hätte, mein Vater?«

      »Unsere Religion weist niemanden zurück, meine Tochter. Sagte Jesus nicht zu dem guten Schächer: Wahrlich, wahrlich, ich sage dir, noch heute sollst du bei mir im Paradiese sein?«

      »Der gute Schächer hing aber am Kreuze. Er starb mit dem Heiland.«

      »Wer in ihm stirbt, der stirbt auch mit ihm und die Reue ist besser als das Kreuz. Bereuen Sie, meine Tochter?«

      »O,« sagte die Kranke, indem sie beide Hände gen Himmel hob, »o, ich bereue aufrichtig und inbrünstig, das schwöre ich Ihnen.«

      »Bereuen Sie bloß aus Furcht vor dem Tode?«

      »O nein, mein Vater; ich bereue, weil mir, wie dem heiligen Paulus auf dem Wege nach Damaskus, die Schuppen von den Augen gefallen sind, und weil ich mich so sehe, wie ich bin.«

      »Wohlan, Sie wissen, daß Gott dem heiligen Paulus nicht bloß verzieh, sondern auch einen seiner Apostel aus ihm machte. Dennoch hatte der heilige Paulus die Mäntel derer gehalten, welche den heiligen Märtyrer Stephan steinigten.«

      »Wie gut sind Sie, mein Vater, daß Sie mich auf diese Weise ermutigen und trösten.«

      »Das ist meine Pflicht, meine Tochter. Wenn ein Schaf trotz der Warnungen des Hundes sich eigenwillig von der Herde entfernt, dann nimmt der gute Hirt es auf seine Schultern und trägt es zurück in die Hürde. Wie weit mehr Grund hat er aber, es mit Freuden aufzunehmen, wenn es von selbst zurückkehrt. Sprechen Sie, erzählen Sie mir Ihre Fehltritte. Ich bin bereit, dieselben zu hören, und wenn dieselben die einem armen Priester erteilte Vollmacht nicht überschreiten, so werde ich sie Ihnen im Namen Gottes verzeihen.«

      »Eine solche Erzählung würde lang und nutzlos sein. Mein Name wird genügen. Wenn Sie meinen Namen hören, so werden Sie alles wissen.«

      Der Priester sah sie abermals mit Überraschung an. »Nun, dann nennen Sie mir Ihren Namen,« sagte er.

      Die Sterbende neigte sich zu ihm und murmelte mit zitternder, kaum vernehmlicher Stimme die zwei Worte:

      »Lady Hamilton.«

      »Dieser Name sagt mir nichts, meine Tochter,!« antwortete der Priester, »ich kenne denselben nicht, sondern höre ihn jetzt zum erstenmal.«

      »O, mein Gott,« rief die Kranke fast mit dem Ausdruck der Freude, »dann gibt es also einen Menschen, der mich nicht kennt! Es gibt also einen Mund, der mir nicht geflucht hat?«

      Und sie sank, ein Dankgebet zu Gott murmelnd, auf ihrem Bett zurück.

      Plötzlich aber zuckte ein Ausdruck der Angst und des Schreckens über ihr Gesicht. »O dann,« sagte sie, »bin ich aber verloren, mein Vater, denn ich werde weder Kraft noch Zeit genug haben, Ihnen alles zu erzählen, und wenn ich Ihnen nicht die nagenden Folterqualen der Armut, die fieberhaften Verlockungen des Goldes, die unwiderstehlichen Vorspiegelungen der Leidenschaft schildern kann, wenn Sie von meinem Leben bloß die Fehler, aber nicht die Versuchungen kennen, dann werden Sie mir niemals verzeihen. O, wenn Sie lesen könnten —«

      »Was denn?«

      »Meine Lebensgeschichte, die ich selbst als eine erste Sühne in allen ihren Einzelheiten niedergeschrieben, besonders damit sie später meiner Tochter zur Warnung dienen und sie abhalten möge, den Weg zu betreten, den ich gewandelt, und in die Fehler zu verfallen, in welche ich gefallen bin.«

      »Und warum sollte ich diese von Ihnen geschriebene Lebensgeschichte nicht lesen?«

      »O, mit dem Blute meines Herzens ist sie geschrieben, das schwöre ich Ihnen.«

      »Warum sollte ich sie nicht lesen, frage ich.«

      »Weil ich Engländerin bin und diese Geschichte daher in englischer Sprache niedergeschrieben habe.«

      »Ich habe fünf Jahre, von 1790 bis 1795, in England gelebt und spreche das Englische wie meine Muttersprache.«

      »O, mein Vater, mein Vater!« rief die Sterbende, indem sie die Hand des Priesters ergriff. »Sie hat fürwahr Gott mir gesendet und ich beginne an seine Verzeihung zu glauben. Hier, mein Vater,« setzte sie mit fieberhafter Hast hinzu, indem sie dem Priester einen Schlüssel gab, den sie an dem Zipfel ihres Taschentuchs angebunden und unter ihrem Kopfkissen versteckt gehalten; »nehmen Sie diesen Schlüssel, öffnen Sie das Schubfach dieser Toilette und Sie werden darin ein Manuskript mit dem Titel »My Life« finden. Nehmen Sie dieses, lesen Sie es und wenn Sie mir Verzeihung bringen, so kommen Sie so schnell als möglich wieder. Bin ich dagegen auf ewig verdammt, so schicken Sie mir bloß das Manuskript zurück. Ich werde dann wissen, was das heißt.«

      Der Priester erhob sich, öffnete das Schubfach und nahm aus demselben das bezeichnete Manuskript.

      »Meine Tochter,« sagte er, »diese Lektüre muß einen Teil der Pflichten meines Berufes ausmachen. Sie werden mich daher erst morgen zu derselben Stunde wiedersehen.«

      »Gott wird so gnädig sein, mich bis dahin leben zu lassen,« sagte die Kranke, »besonders —«

      Sie zögerte.

      Der Priester sah sie an. Sein Blick war eine Ermutigung.

      »Besonders,« hob sie wieder an, »wenn Sie mich segnen.«

      »Ich segne Sie, arme Frau!«


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