So sey es . Александр Дюма
Fall, daß die scheidende Seele noch einmal Klarheit und Worte findet, um Abschied zu nehmen, ehe sie ihre Hülle verläßt; aber – es ist selten,« setzte er kopfschüttelnd hinzu.
Ich sah ihn erstaunt an.
»Ich dachte,« sagte ich, »die Aerzte wollten von einer Seele nichts wissen.«
»Ja,« erwiederte er, »manche Aerzte läugnen das Daseyn der Seele: andere hingegen hoffen es.«
»Herr Doctor.« sagte ich, »Sie sprachen eben von Elektricität.«
Er schien zu errathen was ich meinte.
»Erklären Sie sich,« sagte er.
»Könnte man die Elektricität nicht durch den Magnetismus ersetzen?«
»Ich glaube, daß es möglich wäre,« sagte er lächelnd.
»Nun, so versuchen wir es,« sagte ich.
Er legte die Hand auf meinen Arm.
»In der Provinz,«– erwiederte er, »kann ein Arzt solche Versuche nicht machen; in Paris würde es vielleicht rathsam seyn. Aber man braucht ja kein Arzt zu seyn, um zu magnetisiren; Sie müssen vermöge Ihrer Organisation eine große magnetische Kraft haben; versuchen Sie, wenn etwas auf der Welt im Stande ist, Ihrer Mutter auf Augenblicke die Sprache wieder zu geben, so ist es der Magnetismus.«
Er entfernte sich, als ob er über seine eigenen Worte erschrocken gewesen wäre.
Ich blieb allein mit meiner Mutter.
Ich war nicht weniger erschrocken als er.
Ich konnte, wie der Doctor sagte, mit Hilfe des Magnetismus dem Herzen meiner Mutter noch einige Worte, vielleicht ein letztes Lebewohl entlocken.
Für diese wenigen Worte, für dieses Lebewohl würde ich zehn Jahre von meinem Leben gegeben haben.
Aber war’s kein Frevel? Hatte die Anwendung dieses von der Wissenschaft bereits verworfenen und von der Religion noch nicht gebilligten Mittels nicht einige Aehnlichkeit mit Magie und Beschwörung? Und war es statthaft, daß ein Sohn die magnetische Kraft bei seiner Mutter anwandte?
Nein, mein Gefühl sagte mir, daß ich es nicht dürfe.
Ich begann inbrünstig zu beten.
»O Gott! flüsterte ich. »Du weißt wie innig ich meine Mutter liebe; gib, daß ich nie etwas thue, was deinem heiligen Willen nicht angemessen ist. Gott, ich flehe zu Dir, erhöre mich!«
Ich sank auf die Knie und überließ mich meinen Gedanken und Gefühlen.
Merken Sie wohl auf, lieber Freund! Es war vermuthlich nur eine Täuschung der Sinne aber als ich mit erhobenen Händen und gegen Himmel gerichteten Blicken betete und im Gebet die Seelenruhe fand, die dein Gläubigen gewährt wird, wo der Ungläubige nur Verzweiflung findet: da fühlte ich einen Kuß auf meine Wange und ich hörte eine leise Stimme, die mir in’s Ohr flüsterte:
»Lebe wohl, Max – mein lieber Sohn!«
Ja, ich fühlte, ich hörte es, lieber Freund; so wahr wie wir zwei biedere, aufgeklärte, verurtheilsfreie Männer sind!
Die Ueberraschung, die Freude entlockte mir einen Schrei und ich richtete mich auf.
Meine Mutter hatte sich nicht von der Stelle bewegt, sie lag noch immer regungslos und stumm da.
Aber ich hätte geschworen, daß ihr Auge mich anlächelte.
O! wie räthselhaft ist doch die Geistesthätigkeit des Menschen in den letzten Augenblicken seines Erdenlebens! Kein erschaffener Geist vermag dieses Geheimniß zu durchdringen.
Ich schloß meine Mutter in meine Arme und sagte:
»Ja Du hast mich geküßt, Du hast mir Lebewohl gesagt! Ich habe deine Lippen auf meiner Wange gefühlt, ich habe deine leisen Worte gehört.O wie danke ich Dir!«
Draußen ertönte die Glocke; sie meldete die Ankunft des Priesters, welcher der Sterbenden die letzten Tröstungen der Religion brachte.
Ich richtete mich auf und sah meine Mutter an. Ihr Auge hatte einen unbeschreiblich heitern, ruhigen Ausdruck. Ob sie, wie ich, den Glockenton gehört hatte, der ihr das nahe Scheiben ankündigte? Ob sie noch Empfindungen hatte, ohne sie äußern zu können?
Ich glaube es.
Der Priester trat ein; der Kreuzträger und die Chorknaben folgten ihm.
In den Vorgemächern, auf der Treppe, im Hofe knieten die Schloßbewohner und die Leute aus dem Dorfe, die dem Priester in der frommen und naiven Absicht, ihre Gebete mit den seinigen zu verbinden, gefolgt waren.
Meine Mutter hatte nicht Zeit gehabt zu beichten; aber die Kirche ist unter derlei Umständen sehr nachsichtig.
Der Priester schickte sich an, ihr die Sterbesacramente zu reichen.
Ich ersuchte ihn durch einen Wink, einen Augenblick zu warten.
Während meines Aufenthaltes in Rom hatte ich bei dem Papst Gregor XVI. eine Audienz gehabt, und ich trug am Halse an einer goldenen Kette ein kleines Kreuz von Perlmutter, welches von den Mönchen in Palästina gearbeitet, von dem heiligen Vater geweiht und mir zum Geschenk gemacht worden war.
Ich nahm das Kreuz ab und legte es meiner Mutter aus die Brust.
Es war ja das Sinnbild des Heilands, der die Tochter des Janus und den Bruder der Magdalena vom Tode erweckt hatte.
Ich betete im Stillen zu dem göttlichen Erlöser, für mich ein Wunder zu thun und mir meine Mutter wieder zu geben.
Ich kann nicht glauben, daß mein Gebet nicht inbrünstig genug gewesen, um zum Throne Gottes aufzusteigen, ich legte ja die ganze Innigkeit des Gefühles in meine Worte; aber ich muß glauben, daß die Zeit der Wunder vorüber ist oder daß ich einer solchen Gnade nicht würdig war.
»Ist die Kranke bereit, die Sterbesacramente zu empfangen?« fragte der Priester.
»Ja,« antwortete ich.
Ich richtete meine Mutter auf, der Priester sprach die heiligen Worte und reichte ihr die Hostie; der zuvor etwas offene Mund der Sterbenden schloß sich wieder, ich legte ihr Haupt wieder auf das Kissen und kümmerte mich um nichts mehr.
Ich betete, wie lange, weiß ich nicht. Als ich aufstand und mich umsah, war ich allein.
Der Priester war fort, er hatte seine Arbeit maschinenmäßig, ohne Theilnahme gethan, er hatte eine Berufspflicht erfüllt.
Ich sah wieder meine Mutter an: ihre Augen waren geschlossen.
Ich schrie laut auf – sollte sie verschieden seyn, ohne noch einen Blick auf mich geworfen zu haben?
Das war nicht möglich.
Sie schlug langsam und mit Ruhe die Augen auf.
Der Blick war matt glanzlos.
Mein Gott, der Tod kam!
Ich wandte meine Augen wenigstens nicht mehr ab von den Augen der Sterbenden.
O! wenn man durch den Blick in ein erlöschendes Herz wieder Leben bringen könnte, so würde meine Mutter gelebt haben.
Die Augenlider sanken langsam wieder hinab; ich hob sie mit den Fingerspitzen und hielt sie geöffnet.
Dann fiel mir ein, daß es vielleicht frevelhaft sey: es mag wohl einen Moment geben, wo die Sterbenden ihren Blick über die irdischen Dinge erheben.
Ich fühlte den Puls, er schlug nicht mehr; ich suchte die Arterie, ich konnte sie nicht finden.
Ich legte die Hand auf ihr Herz.
Das Herz schlug heftig und unregelmäßig.
»O! ich verstehe dich, du armes Herz, das mich so innig geliebt!« sachte ich schluchzend; »du magst mich nicht verlassen, du sträubst dich gegen die Trennung. Könnte ich doch auch den Tod bekämpfen, um dich am Leben zu erhalten!«
Dieses Herz schlug; es war für mich ein unaussprechlicher Schmerz, und gleichwohl konnte ich meine Hand nicht von ihm entfernen, es schien sich in alle Winkel der Brust flüchten zu wollen; ich verfolgte es überall, ich