Tausend und Ein Gespenst. Александр Дюма
erzählten?
Und ich zeigte meinem Wirthe mit dem Finger ein wahrhaft wanderndes Gespenst, das die beiden Plaudernden eingeholt hatte, und das vorsichtig seinen Fuß zwischen die Blumen stellte, auf denen es gehen zu können schien, ohne sie zu beugen.
– Dieser da, sagte er zu mir, ist noch einer meiner Freunde, der Chevalier Lenoir.
– Der Errichter des Museums des Petits Augustins?. . .
– Er selbst. Er stirbt vor Kummer über die Zerstreuung seines Museums, für welches er im Jahre 93 und 94 zehn Male beinahe umgebracht worden ist. Die Restauration hat es mit ihrem gewöhnlichen Geiste schließen lassen, – mit dem Befehle, die Monumente den Gebäuden zurückzugeben, denen sie angehörten und den Familien, welche Rechte hatten sie zurückzufordern. – Unglücklicher Weise waren die meisten Monuments zerstört, die meisten Familien waren ausgestorben, so daß die merkwürdigsten Fragmente unserer alterthümlichen Bildhauerkunst, und dem zu Folge unserer Geschichte, zerstreut, verloren gegangen sind. So geht Alles von unserem alten Frankreich unter; es blieben nur noch diese Fragmente, und von diesen Fragmenten wird bald nichts mehr übrig bleiben, und wer sind die, welche zerstören? Die selbst, die das meiste Interesse für die Erhaltung haben sollten.
Und, so liberal er auch war, wie man zu jener Zeit sagte, Herr Ledru stieß einen Seufzer aus.
– Sind das alle Ihre Gäste? fragte ich Herrn Ledru.
– Wir werden vielleicht den Doctor Robert haben. Ueber diesen sage ich Ihnen nichts, ich glaube, daß Sie ihn beurtheilt haben. Er ist ein Mann, der sein ganzes Leben lang Versuche an der menschlichen Maschine angestellt hat, wie er es an einer Gliederpuppe gethan hätte, ohne zu ahnen, daß diese Maschine eine Seele hat, um die Schmerzen zu begreifen, und Nerven, um sie zu fühlen. Er ist ein Lebemann, der eine große Anzahl Todte gemacht hat. Dieser glaubt, zum Glück für ihn, nicht an Gespenster. Er ist ein mittelmäßiger Kopf, der geistreich zu sein meint, weil er lärmend ist, Philosoph, weil er Gottesleugner ist; er ist einer jener Männer, die man empfängt, nicht um sie zu empfangen, sondern weil sie zu uns kommen. Sie dort zu holen, wo sie sind, das wird uns niemals einfallen.
– O! mein Herr, wie gut ich diese Menschenklasse kenne!
– Wir sollten noch einen andern Freund von mir haben, der nur weit jünger als Alliette, als der Abbé Moulle und der Chevalier Lenoir ist, der zugleich Alliette über die Wahrsagerei, Moulle über die Lehre von den Geistern, und dem Chevalier Lenoir über die Alterthümer die Spitze bietet; eine lebendige Bibliothek, ein in eine Christliche Haut gebundener Katalog, den Sie sogar kennen müssen.
– Den Bibliophilen Jakob?
– Ganz recht.
– Und er wird nicht kommen?
– Er ist zum Mindesten nicht gekommen, und da er weiß, daß wir gewöhnlich um zwei Uhr essen, und es auf vier Uhr geht, so ist keine Wahrscheinlichkeit vorhanden, daß er zu uns kömmt. – Er ist auf der Aufsuchung irgend einer alten, im Jahre 1570 in Amsterdam gedruckten Scharteke. Eine Urausgabe mit drei Druckfehlern, einen auf dem ersten Blatte, einen auf dem siebenten und einen auf dem letzten.
In diesem Augenblicke machte man die Thür des Salons auf und die Mutter Antoine erschien.
– Das Essen ist angerichtet, meldete sie.
– Geschwind, meine Herren, sagte Herr Ledru, indem er nun auch die Thür des Gartens aufmachte, zu Tische, zu Tische.
Indem er sich hierauf nach mir umwandte, sagte er zu mir:.
– Jetzt muß sich noch irgendwo in dem Garten außer den Gästen, welche Sie sehen und deren Geschichte ich Ihnen geschildert habe, ein Gast befinden, den Sie nicht gesehen und von dem ich nicht gesprochen habe. Dieser ist zu fern von den Dingen dieser Welt, um die rohe Aufforderung gehört zu haben, die ich so eben gemacht, und dem alle unsere Freunde Folge leisten, wie Sie sehen. Suchen Sie, das geht Sie an: wenn Sie eine Immaterialität, eine Durchsichtigkeit, eine Erscheinung, wie die Deutschen sagen, gefunden haben werden, so werden Sie Sich nennen und versuchen sie zu überreden, daß es gut sei, zuweilen zu essen, wäre es auch nur, um zu leben; Sie werden ihr Ihren Arm anbieten und sie zu uns führen; gehen Sie.
Ich gehorchte Herrn Ledru, indem ich errieth, daß der liebenswürdige Mann, den ich in einigen Minuten gewürdigt hatte, mir irgend eine angenehme Überraschung vorbehielt, und ich ging in den Garten, indem ich um mich blickte.
Die Nachforschung dauerte nicht lange, und ich erblickte bald das, was ich suchte.
Es war eine in dem Schatten einer Linde sitzende Frau, von der ich weder das Gesicht noch die Gestalt sah; das Gesicht, weil es nach der Seite des Feldes gerichtet war; die Gestalt, weil sie in einen großen Shawl gehüllt war.
Sie war ganz schwarz gekleidet.
Ich näherte mich ihr, ohne daß sie eine Bewegung machte. Das Geräusch meiner Schritte schien nicht bis zu ihrem Ohre zu gelangen; man hätte sagen können, daß sie eine Statue wäre.
Uebrigens war Alles das, was ich von ihrer Person erblickte, anmuthig und ausgezeichnet.
Von Weitem hatte ich bereits gesehen, daß sie blond war. Ein Strahl der Sonne, der durch das Laub der Linden fiel, spielte auf ihren Haaren, und machte aus Ihnen einen goldigen Heiligenschein; in der Nähe konnte ich die Feinheit ihrer Haare bemerken, die mit jenen seidenen Fäden gewetteifert hätten, welche die ersten Herbstwinde von dem Mantel der Jungfrau abnehmen; ihr Hals rundete sich, um ihrem Kopf zu helfen, sich auf ihre rechte Hand zu stützen, deren Ellbogen sich auf die Lehne des Stuhles stützte, während ihr linker Arm an ihrer Seite herabhing, indem er mit der Spitze seiner zarten Finger eine weiße Rose hielt. Der wie der eines Schwanes gerundete Hals, die zurückgeschlagene Hand, der herabhängende Arm, alles das war von derselben matten Weiße. – Man hätte sie für einen Marmor von Paros, ohne Adern auf der Oberfläche, ohne Pulse im Innern halten können; die Rose, welche zu verwelken begann, war weit röther und weit lebendiger, als die Hand, die sie hielte.
Ich betrachtete sie einen Augenblick lang, und je mehr ich sie betrachtete, desto mehr schien es mir, daß es kein lebendes Wesen wäre, welches ich vor Augen hatte.
Ich war so weit gekommen zu zweifeln, daß wenn ich sie anrede, sie sich umwenden würde. Zwei bis drei Male öffnete sich mein Mund und schloß sich wieder, ohne ein Wort ausgesprochen zu haben. Endlich entschloß ich mich.
– Madame, sagte ich zu ihr.
Sie erbebte, wandte sich um, betrachtete mich voller Erstaunen, wie es Jemand thut, der aus einem Traume erwacht und seine Gedanken sammelt.
Ihre großen schwarzen, auf mich gehefteten Augen, – sie hatte zu den blonden Haaren, die ich beschrieben, schwarze Augenbrauen und Augen, – ihre großen schwarzen, auf mich gehefteten Augen hatten einen seltsamen Ausdruck.
Während einiger Sekunden blieben wir ohne uns anzureden; – sie, indem sie mich anblickte, ich, indem ich sie betrachtete.
Es war eine Frau von zwei und dreißig bis drei und dreißig Jahren, die von wundervoller Schönheit gewesen sein mußte, bevor ihre Wangen hohl geworden, bevor die Farbe ihrer Haut erbleicht war; – übrigens fand ich sie so, mit ihrem bleichen Gesichte vollkommen schön, das von derselben Farbe als ihre Hand ohne irgend einen Schimmer von Roth war, wodurch ihre Augen kohlschwarz, ihre Lippen von Korallen schienen.
– Madame, wiederholte ich, Herr Ledru behauptet, daß wenn ich Ihnen sagte, daß ich der Verfasser von Heinrich II., von Christine und von Antony bin, Sie mich als vorgestellt halten und meinen Arm bis zu dem Speisesaale annehmen würden.
– Verzeihung, mein Herr, sagte sie, Sie sind seit einem Augenblicke hier, nicht wahr? – Ich habe Sie kommen fühlen, – aber ich vermogte nicht mich umzuwenden; – das begegnet mir zuweilen, wenn ich nach gewissen Seiten sehe. Ihre Stimme hat den Zauber gebrochen, so geben Sie mir denn Ihren Arm und lassen Sie uns gehen.
Sie stand auf und legte ihren Arm unter den meinigen; aber kaum, obgleich sie sich keineswegs Zwang anzuthun schien, fühlte ich den Druck dieses Armes.
Man hätte sie für einen Schatten halten können, der an meiner Seite ging.
Wir